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"Gruner+Jahr" sitzt künftig nur noch auf dem Beifahrersitz


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"Gruner+Jahr"-Übernahme
Die Alternative wäre eine Zerschlagung gewesen – bestenfalls

MeinungEin Gastbeitrag von Steffen Grimberg

Aktualisiert am 06.08.2021Lesedauer: 3 Min.
Ein "Stern"-Leser (Archivbild): Die Auflage des Magazins aus dem Hause "Gruner+Jahr" sinkt.Vergrößern des Bildes
Ein "Stern"-Leser (Archivbild): Die Auflage des Magazins aus dem Hause "Gruner+Jahr" sinkt. (Quelle: imago-images-bilder)
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Die RTL-Gruppe übernimmt die Magazinsparte des Hamburger Verlages "Gruner+Jahr". Was für die Belegschaft kurzfristig ein Schock ist, ist womöglich die einzige Rettung für "Stern", "Brigitte" und Co.

Nun wird also vollzogen, was die Spatzen schon seit Monaten von allen Hamburger und Kölner Dächern pfiffen: Die RTL-Gruppe übernimmt mehrheitlich den Hamburger Verlagsriesen "Gruner+Jahr" ("G+J"). Lediglich die bislang ebenfalls bei "G+J" liegenden Beteiligungen am "Spiegel" und der "Sächsischen Zeitung" sind von dem Deal ausgenommen.

Was sich zunächst spektakulär anhört – Deutschlands legendärste Zeitschriften- und Illustrierten-Schmiede ("Stern", "Brigitte", "Geo", "Capital" und viele andere mehr) wird Teil der erfolgreichsten Privatsendergruppe – ist bei Lichte betrachtet aber eher ein bitter nötiges Bertelsmann-Inhouse-Geschäft.

Denn die Alternative hätte für "G+J" wohl bestenfalls die Zerschlagung und den dann folgenden Einzelverkauf der Titel bedeutet. Schlimmstenfalls hätte mittelfristig schlicht die Einstellung gedroht. Tradition und legendärer Ruf reicht im unbarmherzigen digitalen Wettbewerb eben heute nicht mehr aus. Und Bertelsmann-Chef Thomas Rabe ist ein mindestens genauso unbarmherziger Herr der Zahlen. Was nicht rentabel läuft, wird eingestellt. Das hat Rabe schon mal vor knapp zehn Jahren mit der "Financial Times Deutschland" durchexerziert.

Nun spielt die Musik in Köln – und nicht mehr in Hamburg

Das Dilemma bei "G+J" folgt dem branchenüblichen Muster: Die Auflagen schrumpfen, die Anzeigenerlöse gehen im Printgeschäft weiter zurück. Der Onlinebereich wächst zwar, kann aber die wegbrechenden Einnahmen bei weitem nicht ausgleichen. Hier rächt sich, dass "G+J" über viele Jahre noch so gut im Geschäft mit bedrucktem Papier unterwegs war, dass eine Digitalstrategie zu spät und viel zu zaghaft angegangen wurde.

Dazu kam ein interner Machtkampf, der das einst so stolze Konzern-Flaggschiff "G+J" am Ende sogar in die zweite Reihe im Bertelsmann-Konzern zurückfallen lies: "G+J" war schon seit Jahren nicht mehr mit einem eigenen Sitz im Bertelsmann-Vorstand vertreten.

Nun spielt die Musik nicht mehr in Hamburg, wo "G+J" bis 2024 auch sein einem Schiff nachempfundenes Verlagsgebäude am Baumwall räumt, sondern in Köln. And the winner is: Stephan Schäfer. Der Inhalte-Chef der RTL-Sendergruppe bekommt mit der Fusion sein altes Unternehmen quasi als Juniorpartner wieder zurück.

Bertelsmanns weltweite Bedeutung schrumpft

Schäfer war seit 2009 Chefredakteur und Verlagsgeschäftsführer bei "G+J", 2013 wurde er Chief Product Officer mit Verantwortung für alle Produkte des Hauses. Diesen Posten behielt er auch bei seinem Wechsel zu RTL Anfang 2019. Die jetzt vollzogene Fusion war also von sehr langer Hand geplant.

Trotzdem bleibt der Deal ein Va-Banque-Spiel. "Für ein solches Vorgehen gibt es noch kein Vorbild", verkündet denn auch Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Rabe vorsichtshalber schon mal in der "FAZ". Sein Kalkül als Mensch der Zahlen ist klar: Die Größe ist entscheidend. Mit der Fusion ergibt sich für RTL ein deutlicher Umsatzsprung.

Rabe will so den neuen Playern aus der Welt der Streamingdienste und Internetkonzerne etwas entgegensetzen. Denn die digitale Welt belohnt die Großen und macht es den kleinen und mittleren Unternehmen im Markt verdammt schwer. Das gilt sogar für Bertelsmann als Ganzes. In den frühen Neunzigerjahren war der Konzern mal das drittgrößte Medienunternehmen der Welt. 2020 rangierte Bertelsmann auf Rang 16 – immerhin noch knapp vor Netflix.

Hanseatischer Dünkel prallt auf rheinisches Fernsehmoloch

Ob die Fusion auch inhaltlich Sinn ergibt, muss sich zeigen. Auf dem Papier klingt der geplante Ansatz zunächst überzeugend: Es soll Themenredaktionen für alle Bereiche von Politik und Wirtschaft bis zu Sport und Unterhaltung geben, die dann alle Ausspielkanäle vom klassischen TV über Streaming bis zu Print und Online bedienen. Solche Crossmedialität wird aktuell in so ziemlich allen Medienhäusern von den öffentlich-rechtlichen Sendern bis zur kleinen Lokalzeitung erprobt. Und im Netz ziehen bewegte Bilder, G+J wird also auch von der audiovisuellen Kompetenz bei RTL profitieren.

Soweit die Theorie. In der Praxis kommen hier aber zwei höchst unterschiedliche Welten und Kulturen zusammen. Das immer noch von mildem hanseatischen Dünkel geprägte Verlagshaus von der Elbe darf beim Privatfernsehmoloch vom Rhein zudem nur auf den Beifahrersitz.

Immerhin setzt RTL gerade auf einen Ausbau in Sachen Seriosität bei Information und Nachrichten. Bekannte Gesichter wie Jan Hofer und Pinar Atalay wurden bei der ARD abgeworben und allzu trashige RTL-Auslaufmodelle wie Dieter Bohlen und Oliver Pocher vom Sender verbannt.

Allen Beteiligten muss aber eins klar sein: Die Fusion soll und muss auch Kosten senken. In der Geschichte der Medien sind zusammengelegte Redaktionen nach solchen Deals noch nie größer geworden – es ist verlässlich immer das Gegenteil der Fall.

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