Wegen Lieferengpässen Ifo-Institut senkt Wirtschaftsprognose für 2021
Die Forscher des Münchner Ifo-Instituts gehen davon aus, dass die Wirtschaft im kommenden Jahr weniger stark wächst als noch im Frühjahr erwartet. Das liegt aber nicht an dem Corona-Lockdown.
Die globalen Lieferengpässe werden nach der Konjunkturprognose des Ifo-Instituts die wirtschaftliche Erholung in Deutschland nach der Corona-Pandemie bremsen. Die Münchner Ökonomen erwarten für dieses Jahr noch ein Wachstum von 3,3 Prozent, wie das Institut am Mittwoch mitteilte. Das wären 0,4 Prozentpunkte weniger als noch im März erwartet.
Die Lieferengpässe seien für den Wirtschaftsaufschwung "ein vorübergehender Dämpfer", sagte Konjunkturforscher Timo Wollmershäuser in einer Online-Pressekonferenz. "Wichtige Vorprodukte fehlen zurzeit", so der Ökonom.
Damit gemeint sind unter anderem Mikrochips in der Autoindustrie. Er befürchte jedoch nicht, dass die Wirtschaft zurückgeht, sondern der Aufschwung lediglich gedrosselt werde, sagte Wollmershäuser.
"Zukunft ist davon abhängig, dass wir aus der Krise herauskommen"
Dafür könnte es dann im kommenden Jahr wesentlich kräftiger aufwärts gehen als ursprünglich gedacht. Für 2022 erhöhte das Ifo-Institut seine Wachstumsprognose um 1,1 Punkte auf 4,3 Prozent.
"Die wirtschaftliche Zukunft ist davon abhängig, dass wir aus der Krise herauskommen", ergänzte Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts. Jetzt gelte es, auf einen Wachstumspfad zu kommen. Die Prognose stehe und falle mit zurückgehenden Infektionszahlen.
"Wir gehen im Moment davon aus, dass im Laufe des Sommers nichts mehr passiert, das den Konsum beeinträchtigt", sagte Ifo-Konjunkturchef Wollmershäuser – und führte Großbritannien als Beispiel an. Wegen der sich schnell verbreitenden Delta-Variante des Coronavirus seien die Lockerungen um vier Wochen verschoben worden. Sollte es auch in Deutschland dazu kommen, würde sich die Erholung verlangsamen.
Fuest warnt vor höherer Steuerlast
Auch ein weiterer Faktor könnte den erwarteten Konjunkturaufschwung dämpfen: höhere Steuern für Unternehmen sowie Verbraucher. Mit Blick auf die Bundestagswahl im September sagte Ifo-Chef Fuest, dass in der Konjunkturprognose ein rapider Wechsel in der Steuerpolitik nicht eingepreist sei, wie es manche Parteien forderten.
Die SPD, die Linke sowie die Grünen sprachen sich für eine Vermögenssteuer sowie höhere Einkommenssteuern für Besserverdiener aus. Höhere Steuern machten die "Entwicklung der privaten Investitionen unmöglich" – oder erschwerten sie zumindest stark.
Lage am Arbeitsmarkt entspannt sich
Die Wissenschaftler erwarten, dass die Corona-Krise der deutschen Wirtschaft von 2020 bis 2022 Einbußen von 382 Milliarden Euro bescheren wird. Grundlage ist die Annahme, dass die Wirtschaft ohne Krise im jährlichen Schnitt um 1,2 Prozent hätte wachsen können. 2020 war das Bruttoinlandsprodukt preisbereinigt um knapp fünf Prozent geschrumpft.
Die Ökonomen gehen davon aus, dass sich die Lage auch auf dem Arbeitsmarkt zunehmend entspannt. Ende Mai waren geschätzt noch 2,3 Millionen Menschen in Kurzarbeit. Für das kommende Jahr rechnen die Ökonomen mit nur noch 100.000 Kurzarbeitern, ebenso wenigen wie vor Beginn der Krise. Die Arbeitslosigkeit könnte demnach von 2,7 Millionen Ende 2020 auf 2,4 Millionen im kommenden Jahr zurückgehen.
Doch müssen sich Bürger und Unternehmen auf eine im Vergleich zum Vorjahr spürbare Teuerung einstellen. Für dieses Jahr erwartet das Ifo-Institut eine Inflationsrate von 2,6 Prozent, bedingt vor allem durch höhere Energiepreise und die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer.
Wollmershäuser prophezeit zudem einen Außenhandelsboom – mit einem Exportwachstum von 10,4 Prozent in diesem Jahr. Die Importe könnten demnach sogar um 11,4 Prozent zulegen, womit auch der im Ausland oft kritisierte Überschuss der deutschen Leistungsbilanz kleiner werden würde.
- Eigene Recherche
- Online-Pressekonferenz des Ifo-Instituts
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa