Nach Gebührenankündigung Viele Commerzbank-Kunden kündigen jetzt ihr Girokonto
Weil das Geldhaus das Gratis-Konto abschaffen will, schauen sich viele Verbraucher nun offenbar nach einer neuen Bank um. Aber auch grundsätzlich sind Kunden inzwischen schneller bereit, zu kündigen.
Kosten kommen, Kunden gehen: In der vergangenen Woche ist die Zahl der Verbraucher, die ihr Konto bei der Commerzbank aufgeben wollen, offenbar sprunghaft angestiegen. So berichtet Deutschlands größter Vertragskündigungsdienstleister Aboalarm, dass die Girokonto-Kündigungen im Vergleich zur Vorwoche um mehr als das Zehnfache zugelegt hätten.
Hintergrund dürfte sein, dass das Institut Ende April angekündigt hatte, ab Juli Kontoführungsgebühren für Bestandskunden einführen zu wollen. "Es ist kein Zufall, dass gerade jetzt so viele Kunden ihr Konto bei der Commerzbank kündigen", sagt Aboalarm-Sprecher Felix Riesenberg. "Bereits im letzten Jahr haben wir massive Ausschläge festgestellt, nachdem damals die ING Gebühren angekündigt hatte."
Immer mehr Banken werden inzwischen erfinderisch, um Verwahrentgelte, die sie selbst an die Europäische Zentralbank zahlen müssen, an ihre Kunden weiterzureichen. Ob Negativzinsen für Guthaben, kostenpflichtige Belege für Überweisungen oder Extra-Kosten für die Kreditkarte – viele Preiserhöhungen konnten Banken bisher einfach verfügen, indem sie ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen änderten. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun allerdings untersagt.
Commerzbank-Tochter stoppt Gebührenerhöhung
Die stillschweigende Zustimmung der Kunden reicht künftig nicht mehr. Wem zuletzt höhere Gebühren aufgedrückt wurden, kann sich das zu viel gezahlte Geld jetzt zurückholen – allerdings nur bis zum 1. Januar 2018. Der Rest ist verjährt. Lesen Sie hier, wie Sie sich die Bankgebühren erstatten lassen.
Die Commerzbank-Tochter Comdirect reagierte bereits auf das Urteil und setzte ihre für Mai geplante Gebührenerhöhung aus. Die Commerzbank selbst will erst einmal weiter an ihrem Plan für Juli festhalten und abwarten, bis der BGH seine Urteilsbegründung veröffentlicht. Das kann noch mehrere Wochen dauern.
Kündigungsniveau um 60 Prozent gestiegen
Für viele Banken dürfte es nach der Entscheidung des Gerichtshofs unbequem werden. Die höheren Gebühren waren bisher vor allem für jene Institute wichtig, die stark vom Privatkundengeschäft abhängen – und durchaus einträglich. "Es ist mitnichten so, dass jeder Euro, der in Sicht- und Spareinlagen liegt, Kosten für die Banken verursacht", sagte kürzlich Nils Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg im Gespräch mit t-online. "Für viele Banken sind Negativzinsen eine lukrative neue Einnahmequelle."
- Unzulässige Gebühren: Einige Banken werden dieses Urteil nicht überleben
Seit immer mehr Banken Negativzinsen und Co. erheben, ist auch das grundsätzliche Kündigungsniveau in den vergangenen zwei Jahren gestiegen. So verzeichnete Aboalarm zwischen 2018 und 2020 einen Anstieg von 60 Prozent. Der Trend sei nicht nur in absoluten Zahlen messbar, sondern bestätige sich auch darin, dass sich der Anteil der Kontokündigungen am Gesamtkündigungsvolumen in den letzten zwei Jahren fast verdoppelt habe. Aboalarm kündigt unter anderem auch Verträge mit Handyanbietern oder Fitnessstudios.
Neben den gestiegenen Kontogebühren dürfte auch der leichtere Kontowechsel den Kündigungsanstieg erklären. Das Zahlungskontengesetz verpflichtet inzwischen sowohl die alte als auch die neue Bank, den Kunden beim Wechsel des Girokontos zu unterstützen.
- Eigene Recherche
- Mitteilung von Aboalarm
- Gespräch mit Felix Riesenberg
- Gespräch mit Nils Nauhauser