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Pornoliteratur stürzte Weltbild in die Krise


"Schlampen-Internat" und Co.
Pornoliteratur stürzte Weltbild in die Krise

Von dpa, t-online
10.01.2014Lesedauer: 3 Min.
Handfeste Erotik ausgerechnet beim Kirchenverlag? Das machte Schlagzeilen, die für Weltbild nicht gerade hilfreich warenVergrößern des Bildes
Handfeste Erotik ausgerechnet beim Kirchenverlag? Das machte Schlagzeilen, die für Weltbild nicht gerade hilfreich waren (Quelle: Blue Panther Books/Dorling Kindersley/Blanvalet)

"Zur Sünde verführt", "Schlampen-Internat" oder "Das neue Kamasutra":

Seitdem hat sich Weltbild nicht mehr erholt. Der am Freitag gestellte Insolvenzantrag ist der vorläufige traurige Höhepunkt der Entwicklung bei dem Konzern mit mehr als 6000 Beschäftigten und etwa eineinhalb Milliarden Euro Umsatz. Allein am Stammsitz in Augsburg sind rund 2000 Jobs gefährdet.

Kardinal Meisner verlangte Trennung von Weltbild

Als im Oktober 2011 das Erotikangebot bei Weltbild bekannt wurde, trat zunächst der von der Kirche entsandte Aufsichtsratsvorsitzende zurück. Dann preschte der Kölner Kardinal Joachim Meisner vor und verlangte eine Trennung von Weltbild. "Es geht nicht, dass wir in der Woche damit Geld verdienen, wogegen wir sonntags predigen", sagte er in einem Interview.

"Zur Sünde verführt" von Sandra Brown etwa stellte schon im Titel infrage, wonach Gläubige gemäß Lehrmeinung streben sollten. Schlüpfrige Fantasien aus dem "Schlampen-Internat" von Mandy Fox passten ebenfalls nicht zu den Moralvorstellungen der katholischen Kirche, auch Ratgeber über das "Das neue Kamasutra" von Anne Hooper dürften bei manchem Geistlichen für Verwunderung gesorgt haben.

Seit Kardinal Meisners öffentlicher Empörung wurde breit darüber diskutiert, wie sich die Diözesen von Weltbild trennen können. Immer wieder war eine Stiftung im Gespräch, eine Lösung gab es bis zuletzt nicht. Die Beschäftigten appellierten dabei immer wieder an die soziale Verantwortung der Bischöfe.

Amazon macht dem Unternehmen zu schaffen

Doch nicht nur der Wirbel um die Pornoliteratur setzte dem Unternehmen zu. Im Wettbewerb mit Online-Gigant Amazon hatten es die Augsburger zunehmend schwer mit ihrem eher klassischen Katalog-Versandhandel. Auch wenn Weltbild ähnlich wie der große Internethandelskonkurrent längst nicht mehr nur Bücher, CDs und DVDs vertreibt - Brotbackautomaten oder Fitnesstrainer können die Kunden ebenso bei Weltbild ordern.

Seinen stationären Buchhandel hatte Weltbild im Jahr 2007 mit der Familie Hugendubel zusammengelegt. Das damals gegründete Gemeinschaftsunternehmen DBH Buch Handels GmbH & Co. KG betreibt seitdem die Filialen unter etlichen Markennamen wie "Hugendubel", "Weltbild plus", "Jokers" sowie die Karstadt-Buchabteilungen. Diese Finanzholding mit mehr als 3000 Beschäftigten ist von dem Insolvenzantrag nicht betroffen.

Sanierungsexperte sollte Umbau vorantreiben

Dass die angeschlagene Verlagsgruppe zuletzt ihre zweiköpfige Geschäftsführung extra um einen Sanierungsexperten erweiterte, konnte Weltbild nicht mehr retten. Josef Schultheis, der bereits bei verschiedenen Unternehmen in Krisensituationen ähnliche Positionen innehatte, kam im November als "Chief Restructuring Officer" zu Weltbild. Er sollte den Umbau des Hauses in Richtung digitalem Handel beschleunigen.

Möglicherweise kam dieser Schritt zu spät: Obwohl Weltbild im Weihnachtsgeschäft sogar etwas über dem Plan lag, musste das Unternehmen im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres (30. Juni) Einbußen bei Umsatz und Ergebnis verbuchen. "Das auch für die nächsten drei Jahre erwartete geringere Umsatzniveau verdoppelt den Finanzierungsbedarf bis zur Sanierung", begründete das Unternehmen den Insolvenzantrag. Die Bistümer wollten nichts mehr nachschießen und hatten den Geldhahn zugedreht.

Harsche Kritik der Gewerkschaft

Die Gewerkschaft Ver.di warf der Kirche umgehend vor, sich aus der Verantwortung zu stehlen. "Jahrelang fette Gewinne abschöpfen und sich so die Prunkbauten mitfinanzieren lassen und dann, wenn die Belegschaft Hilfe braucht, zugesagte Gelder wieder streichen. Widerlicher geht es eigentlich nicht", schimpfte Thomas Gürlebeck, Weltbild-Experte bei der Gewerkschaft in Augsburg. "Die Kirche praktiziert Kapitalismus in Reinkultur", findet er.

Erst im Oktober wurde bekannt, dass Weltbild in Augsburg ihren Kundendienst auslagern will - 140 Mitarbeiter sind davon betroffen. Doch weitere konkrete Zahlen und detaillierte Planungen zur Sanierung waren seit jeher von Weltbild kaum zu erfahren. Denn was Transparenz anging, operierte das Unternehmen ähnlich verschwiegen wie der große Konkurrent Amazon.

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