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Rentenreform: Was Olaf Scholz und Co. von Emmanuel Macron lernen können


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Vorbild für Deutschland?
Diese Rentenpläne sind mutig

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 19.04.2022Lesedauer: 3 Min.
Ein Mann arbeitet an einer Werkbank (Symbolbild): Das Thema Rente ist vielen deutschen Politikern im Wahlkampf zu heikel, dabei wäre es so wichtig, schreibt t-online-Kolumnistin Ursula Weidenfeld.Vergrößern des Bildes
Ein Mann arbeitet an einer Werkbank (Symbolbild): Das Thema Rente ist vielen deutschen Politikern im Wahlkampf zu heikel, dabei wäre es so wichtig, schreibt t-online-Kolumnistin Ursula Weidenfeld. (Quelle: getty-images-bilder)

Mit der Ankündigung großer Rentenreformen können Politiker keine Wahl gewinnen. In Frankreich versucht es Emmanuel Macron dennoch. Davon können deutsche Politiker einiges lernen, denn ohne Reformen geht es nicht.

Der Mann hat Mut. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat für den Fall seiner Wiederwahl eine große Rentenreform angekündigt. Statt wie bisher mit 62 Jahren sollen die Franzosen künftig erst mit 65 in den Ruhestand wechseln dürfen.

Applaus bekommt der Präsident, der sich bei der Stichwahl am kommenden Sonntag um eine zweite Amtszeit bewirbt, dafür nicht. Wenn Macron gegen die rechtskonservative Marine Le Pen verlieren sollte, werden seine Rentenpläne ein wichtiger Grund dafür sein. Denn in Frankreich gilt wie in fast allen Ländern Europas: Rentenreformen sind nötig. Doch Wahlen gewinnt man eher nicht.

In den meisten europäischen Ländern werden in den kommenden Jahren Änderungen an den Alterssicherungssystemen fällig. Zu wenig junge Leute kommen als neue Beitragszahler hinzu, zu viele Alte gehen in den Ruhestand. In Deutschland ist der Reformdruck am höchsten. Denn das deutsche Rentensystem wird schon jetzt zu immer geringeren Anteilen von Versicherten finanziert, immer größere Lasten müssen die Steuerzahler aufbringen.

Ab 2025 verschärft sich das Problem dramatisch

Deutschlands Geburtenrate ist seit Jahrzehnten zu niedrig, um das Rentensystem aus sich heraus finanzieren zu können. Das durchschnittliche Lebensalter der Ruheständler steigt immer weiter, damit nimmt auch die Rentenbezugsdauer zu. Wenn in den kommenden Jahren die Babyboomer aus dem Erwerbsleben ausscheiden, verschärft sich das Problem ab 2025 dramatisch, Jahr für Jahr. Erst Ende der 2030er Jahre entspannt sich die Lage der Rentenkasse wieder etwas.

Trotzdem haben die Regierungsparteien (die Oppositionsparteien übrigens auch) – im Gegensatz zum französischen Präsidenten – vor der Wahl darauf verzichtet, ihre Rentenreformvorstellungen zur Abstimmung zu stellen. Wahltaktisch ist das schlau. Doch wenn man es nicht mehr wagt, den Wählerinnen das größte und wichtigste innenpolitische Thema vorzulegen, ist das für spätere Reformen fatal. Denn die Verbitterung und Enttäuschung werden noch heftiger ausfallen, wenn die Betroffenen wie in Deutschland jahrelang in falscher Sicherheit gewiegt wurden.

Macrons Ehrlichkeit kostet Stimmen

Die Franzosen verhalten sich erstaunlich rational. Macron hat vor allem die Zustimmung der 45- bis 60-Jährigen verloren, seitdem er seine Rentenpläne neu aufgelegt hat. Diese Gruppe ist am stärksten getroffen, wenn die Lebensarbeitszeit verlängert wird. In Deutschland dagegen verlieren potenzielle Reformpolitiker vor allem bei den über 60-Jährigen Stimmen – obwohl die von den vorgeschlagenen Neuerungen in aller Regel verschont bleiben sollen. Das macht die Sache für deutsche Politiker noch schwieriger. Gegen Gefühle kann man schlecht argumentieren.

Dennoch ist genau das nötiger denn je, denn die Probleme spitzen sich unerwartet zu. Das Wirtschaftswachstum fällt schwächer aus als erwartet. Die Bundesregierung setzt neue Prioritäten: Sie will die Militärausgaben wegen der russischen Bedrohung hochfahren, den Umbau der Wirtschaft zu Klimaneutralität finanzieren, die Unabhängigkeit von Energielieferungen aus Russland fördern und die Ukraine zumindest finanziell unterstützen.

Wenn der größte Teil des Bundeshaushalts aber in der Rente und anderen Sozialausgaben gebunden ist, hat sie dafür keinen Spielraum. Dauerhaft kann sie dieses Dilemma nicht in neuen Sondervermögen verbergen.

Ausgang der Frankreich-Wahl entscheidend

Sie wird sich zu einer Rentenreform entscheiden müssen, die alle Versicherten und einen Teil der heute nicht Versicherten betrifft. Das tatsächliche Renteneintrittsalter wird ansteigen, die Beiträge der Versicherten werden spätestens zum Ende der Wahlperiode teurer. Auch über die Höhe der jährlichen Rentenanpassungen wird dann geredet werden.

Bitter ist: Auch der Ausgang der Frankreich-Wahl entscheidet darüber, ob sich die Bundesregierung an die überfällige Reform heranwagt, ob die Regierungsparteien oder die CDU/CSU einen Wahlkampf für die faire Erneuerung der Alterssicherung wagen. Nur wenn Emmanuel Macron zeigt, dass man trotz Rentenreformplänen gewinnen kann, werden auch andere Politiker in Europa den Mut dazu finden.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt: Die Kanzlerin. Porträt einer Epoche.

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