Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Kampf gegen den Abschwung Scholz’ Pläne könnten wirkungslos verpuffen
In Olaf Scholz’ Finanzministerium werden derzeit Pläne entwickelt, um einem wirtschaftlichen Einbruch zu begegnen. Steuersenkungen sind prima. Man weiß nur nicht, ob sie helfen.
Die schlappen Meldungen zur deutschen und europäischen Konjunktur reißen einfach nicht ab. In der vergangenen Woche musste der Wirtschaftsminister seine Prognose nach unten korrigieren, in dieser Woche nörgelten die Konjunkturexperten selbst an ihren ursprünglichen Erwartungen herum. Ende März droht weiterer Ärger, wenn Großbritannien die Europäische Union ohne Vereinbarung über die Austrittsbedingungen verlassen sollte.
Kein Wunder, dass im Finanzministerium nun Pläne erarbeitet werden, die im Falle eines Falles die deutsche Konjunktur wirksam stützen sollen. Das Zauberwort heißt Steuersenkung. Die Sache hat einen Haken: Sie funktioniert nicht immer.
Wann ein Notfallplan sinnvoll ist
Zunächst einmal muss der Abschwung genau angeschaut werden. Ist er wirklich so schlimm? Wenn das Wachstum oberhalb der Null-Marke bleibt – so wie man das jetzt im Wirtschaftsministerium annimmt – muss man gar nichts tun. Dann wären Konjunkturmaßnahmen nur Wahlkampfhilfe für die Europa- oder Landtagswahlen. Nur wenn die Wirtschaft wie nach der Finanzkrise des Jahres 2008 dramatisch schrumpft, ist ein Notfallplan sinnvoll.
Unumstritten sinnvoll ist es, auch in einem normalen Abschwung die sogenannten "automatischen Stabilisatoren" wirken zu lassen. Das sind vor allem das Arbeitslosengeld und die Sozialausgaben des Staates. Hier soll auch in der Rezession nicht gespart werden, damit der Staat die Lage nicht noch verschärft. Wenn die Steuereinnahmen zurückgehen, soll der Staat ein Defizit in Kauf nehmen dürfen. Fällt der Abschwung besonders drastisch aus, helfen Sonderregelungen wie ein verlängertes Kurzarbeitergeld. Damit hat die Bundesregierung in der Finanzkrise die Stimmung und das Vertrauen der Arbeitnehmer stabilisiert.
Niedrigzinsen sind schon da
Niedrige Zinsen würden am meisten helfen. Sie würden Unternehmen, Bauherren und Autokäufer ermutigen zu investieren. Auch der Staat könnte für seine krisenbedingten Mehrausgaben billige Kredite aufnehmen. Leider hat die Eurozone die Niedrigstzinsen schon, sodass die Europäische Zentralbank diesmal nicht helfen kann.
Bleiben nationale Konjunkturmaßnahmen. Dummerweise weiß man kaum, was wirkt. Erstattet die Regierung ihren Bürgern beispielsweise schon gezahlte Steuern, landet normalerweise nur etwa ein Drittel davon an den Supermarkt-, Baumarkt- und Autohauskassen. Den Rest des Geldes sparen die Begünstigten, oder sie nutzen die unerwartete Einnahme, um ihre Schulden abzutragen. Das ist zwar vernünftig, bringt das Wachstum aber nicht voran.
Solidaritätszuschlag schon früher streichen?
Den Solidaritätszuschlag früher als geplant zu streichen, wäre auch möglich und sinnvoll. Die Regierung will den Zuschlag vom Jahr 2021 ohnehin für die meisten Steuerpflichtigen abschaffen. Zöge sie die Maßnahme vor, würden Klein- und Mittelverdiener sowie kleine und mittelgroße Unternehmen um zehn Milliarden Euro entlastet. Langfristig wäre das der beste Weg der Wachstumsförderung. Kurzfristig aber wäre auch hier unsicher, ob das Geld sofort ausgegeben würde.
Anders sieht es bei aktiven Konjunkturprogrammen aus. Eine befristete Abwrackprämie für Dieselautos könnte beispielsweise der Autoindustrie Schub geben. Für ein halbes Jahr auf ein paar Prozentpunkte Mehrwertsteuer zu verzichten, würde die Kauflaune beflügeln. Eine Frühlingsinvestitionszulage sollte helfen, die schlimmsten Brexit-Folgen zu bewältigen. Weil solche Aktionen befristet sind, müssen Verbraucher und Unternehmer sich schnell entscheiden. Abwarten ist keine Option.
Aus alten Konjunkturprogrammen lernen
Allerdings sind solche Maßnahmen nur dann sinnvoll, wenn der Einbruch kurz und scharf, aber schnell zu bewältigen ist. Die Autos, Maschinen oder Handys werden ja nicht zusätzlich gekauft. Meist werden sie nur früher angeschafft als ohnehin geplant. Den Rückenwind für die Konjunktur erkauft man sich mit weniger Wachstum in späteren Monaten. Dümpelt die Wirtschaft auch dann noch herum, kann aus dem Abschwung eine langanhaltende Stagnation werden.
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Dazu kommt: Diese Maßnahmen wirken zwar, man weiß aber nicht, wo. Man kann den Verbrauchern kaum vorschreiben, als Gegenleistung für den Staatszuschuss deutsche Produkte zu kaufen und so die Arbeitsplätze im Inland zu sichern. Fünf Milliarden Euro machte der damalige Finanzminister Peer Steinbrück im Jahr 2009 für die Abwrackprämie locker. Tausende Bürger brachten ihre Mercedes und BMW daraufhin auf den Schrottplatz und kauften kleinere Autos – meist ausländischer Herkunft.
Bevor er ein Konjunkturprogramm auflegt, sollte sich der Finanzminister also vielleicht erst einmal die alten genauer anschauen. Denn Konjunkturförderung hat Tücken. Auch heute noch.
Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr Buch heißt: "Regierung ohne Volk. Warum unser politisches System nicht mehr funktioniert" und ist bei Rowohlt Berlin erschienen.