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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Umstrittene Regelung So wehren sich Rentner gegen eine Doppelbesteuerung
Bald soll ein Urteil zur Rentenbesteuerung fallen. Doch bereits vorher können sich Rentner gegen ihren Steuerbescheid wehren. Wie das geht und was Sie beachten sollten.
Es gibt zurzeit wenig, auf das Millionen Rentner mit größerer Spannung warten, als auf die Entscheidung zur Rentenbesteuerung. Seitdem ein Richter am Bundesfinanzhof festgestellt hat, dass die Rentenbesteuerung in ihrer jetzigen Form womöglich verfassungswidrig sein könnte, warten viele Senioren auf ein Urteil.
Nun steht bereits ein Datum fest, bis zu dem es fallen könnte. Rentner können sich aber bereits jetzt wehren – insbesondere, wenn sie davon ausgehen, dass sie doppelt besteuert wurden. Wir erklären Ihnen, wie das geht und auf was Sie achten sollten.
Was ist die Kritik an der Rentenbesteuerung?
Die Rentenbesteuerung in Deutschland ist umstritten. Seit 2005 gilt hierzulande eine nachgelagerte Besteuerung von Renten.
Das heißt: Menschen sollen im Erwerbsleben entlastet werden, dafür müssen sie aber später auf ihre Renten Steuern zahlen. Dafür gilt eine Übergangsphase: Rentenzahlungen werden zunehmend besteuert, während die Beiträge zur Rente in immer größerem Maße von der Steuer abgesetzt werden können. Wie groß die Besteuerung genau ist, hängt von dem Jahr ab, in dem Sie in Rente gehen. Mehr dazu lesen Sie hier.
Das halten einige Rechtsexperten, wie auch der Richter am Bundesfinanzhof (BFH) Egmont Kulosa für verfassungswidrig. Denn es komme bei bestimmten Rentnern zu einer Doppelbesteuerung – was aber nicht sein darf.
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Mehrere Verfahren zur Rentenbesteuerung laufen
Auch Rechtsanwalt Joachim Cäsar-Preller hält die aktuelle Regelung für verfassungswidrig. "Es ist schlicht ungerecht, dass Tausende Rentner doppelt besteuert werden", sagte er im Gespräch mit t-online. "Es ist an der Zeit, dass diese Regelung keinen Bestand mehr hat."
Das könnte bald geschehen, denn bis Ende Mai soll ein Urteil zur Rentenbesteuerung fallen. Zurzeit sind zwei Verfahren am Bundesfinanzhof anhängig, außerdem ein weiteres am Finanzgericht des Saarlands. Nach einem Urteil am BFH kann es gut sein, dass der Kläger in die nächste Instanz geht – ans Bundesverfassungsgericht.
Erst wenn das Gericht urteilt, dass die Rentenbesteuerung in der aktuellen Form verfassungswidrig ist, muss die Politik handeln und die entsprechende Gesetzgebung anpassen.
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"Entlastungen in Milliardenhöhe"
Cäsar-Preller ist jedenfalls zuversichtlich. "Ich gehe davon aus, dass die Rentenbesteuerung in ihrer jetzigen Form gekippt wird." Dann werde es "Entlastungen in Milliardenhöhe" geben, so der Jurist.
Auch Isabel Klocke, Leiterin der Steuerabteilung beim Bund der Steuerzahler (BdSt), hält die Regelung für "höchst fragwürdig". Allerdings gibt sie zu bedenken: "Das Urteil wird nicht dafür sorgen, dass Rentner plötzlich keine Steuern zahlen müssen. Es könnte aber endlich die Ungerechtigkeit aus der Welt schaffen."
Doch Rentner, die glauben, dass bei ihnen eine Doppelbesteuerung vorliegen könnte, können bereits jetzt handeln. Wie das geht, lesen Sie weiter unten.
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Wie können sich Rentner gegen den Steuerbescheid wehren?
Sie können Einspruch gegen Ihren Steuerbescheid einlegen. Bei Prozessen vor dem Bundesfinanzhof oder dem Bundesverfassungsgericht besteht Anspruch auf Ruhen des Verfahrens, erklärt der Bundesverband Lohnsteuerhilfevereine. Der umstrittene Steuerbescheid bleibt bis zu einem Urteil offen.
Das heißt: Sie sollten sich bei Ihrem Einspruch auf die laufenden Musterverfahren berufen – dafür können Sie zum Beispiel das Musterschreiben des Bundes der Steuerzahler nutzen (siehe unten), wie Klocke vom BdSt erklärt.
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"Das ist für Sie kostenlos. Wenn Sie ein eigenes Verfahren anstreben, kommen hohe Kosten etwa für Rechtsanwälte auf Sie zu", so die Steuerexpertin. "Allerdings gilt: Wenn ein Urteil von den Musterverfahren vorliegt, kann es gut sein, dass Sie sich noch gegen Ihren individuellen Steuerbescheid wehren müssen." Es komme aber darauf an, was bei den Verfahren herauskommt.
"Es könnte auch sein, dass Ihr Finanzamt auf Sie zukommt – etwa, wenn es ein Urteil gibt, das allgemeingültig ist. Wichtig ist aber, dass Sie vorher den Einspruch eingelegt haben." Welche Frist dabei gilt und was Sie beim Einspruch beachten müssen, lesen Sie weiter unten.
Musterschreiben zum Einspruch gegen den Steuerbescheid
Wichtig: Das Musterschreiben wird vom Bund der Steuerzahler zur Verfügung gestellt. Das Muster ist als Vorlage von Steuerpflichtigen für eine Vielzahl von Fällen gedacht. Es ersetzt daher keine individuelle Beratung bei einem Experten (etwa für Steuerrecht), eine Anpassung im Einzelfall könnte sinnvoll sein.
Absender
(Name, Anschrift)
Finanzamt
(Anschrift)
Ort, Datum
Name des Steuerzahlers:
Steuernummer und Steuer-Identifikationsnummer:
--------------------------------------------------------------------------------------
Einspruch gegen den Bescheid über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag ….. (Jahr) vom …. (konkretes Datum des Steuerbescheides)
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit lege ich Einspruch gegen den Bescheid über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom …. (Datum) ein. Ich beantrage im Weiteren das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 Abgabenordnung.
Begründung:
In meinem zu versteuernden Einkommen sind Renteneinkünfte enthalten, die bereits in der Einzahlungsphase besteuert wurden. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu entschieden, dass Renteneinkünfte, soweit diese aus bereits versteuerten Einkommen stammen, in der Rentenphase nicht noch einmal besteuert werden dürfen (Urteil v. 6. März 2002 Az. 2 BvL 17/99; BStBl. 2002 II S.618). Die geltende Besteuerung der Rente wird dem nicht gerecht, da es in meinen Fall zu einer Zweifachbesteuerung kommt. Ich verweise dabei auf die laufenden Revisionen beim Bundesfinanzhof (BFH: Az.: X R 20/19, X R 33/19). Zudem ist beim Saarländischen Finanzgericht unter dem Az.: 3 K 1072/20 die Klage eines ehemals gesetzlich rentenversicherten Klägers mit Rentenbezügen anhängig. In allen Verfahren soll geklärt werden, wie eine Doppelbesteuerung der Rente berechnet wird. Bis zur Klärung der offenen Rechtsfragen beantrage ich das Verfahren aus Zweckmäßigkeitsgründen ruhen zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen
(Ihre Unterschrift)
Wichtig: Wenn Sie mit Ihrem Ehepartner zusammenveranlagt sind und Ihr Partner lebt noch, müssen Sie den Einspruch auch gemeinsam stellen. Das heißt: Aus dem "ich" müssen Sie ein "wir" machen – und auch Sie beide müssen unterschreiben.
Um das Musterschreiben zu bearbeiten und zu verschicken, können Sie es kopieren und in einem Word-Dokument einfügen. Das geht so: Setzen Sie mit Ihrer Maus am oberen oder unteren Ende des Mustertextes an. Halten Sie die rechte Maustaste gedrückt und fahren Sie über den Text, auf diese Weise markieren Sie ihn. Dann können Sie rechts klicken und auf "Kopieren" gehen.
Nun können Sie den kopierten Text in einem leeren Word-Dokument einfügen, indem Sie rechts klicken und "Einfügen" auswählen. Danach müssen Sie noch die entsprechenden leeren Felder ausfüllen und das Schreiben an das zuständige Finanzamt senden (siehe unten).
Was muss ich beachten, wenn ich Einspruch gegen den Steuerbescheid einlege?
Wenn Sie Einspruch gegen den Steuerbescheid einlegen möchten, sollten Sie einiges beachten. Eine Übersicht:
- Frist: Wichtig ist, dass Sie nur einen Monat Zeit haben, um gegen Ihren Steuerbescheid Einspruch einzulegen – und das Ruhen des Verfahrens zu beantragen. Nach dieser Frist gilt der Bescheid als "bestandskräftig".
- Form: Hier kommt es vor allem darauf an, dass Sie Ihre richtige Steuernummer sowie Steuer-ID angeben als auch den Einspruch unterschreiben. Hier lesen Sie, wo Sie die Steuernummer finden. Außerdem muss der Einspruch per Brief erfolgen.
- Versand: Den Einspruch müssen Sie an das zuständige Finanzamt senden – oder dort in den Briefkasten werfen. Eine Eingangsbestätigung erhalten Sie aber nicht.
Frist
Am wichtigsten ist es, dass Sie den Einspruch zügig stellen, nachdem Sie den Steuerbescheid erhalten haben.
Um einen Einspruch gegen den Steuerbescheid einzulegen, haben Sie einen Monat Zeit – gegen ältere Steuerbescheide können Sie keinen Einspruch mehr einlegen.
Die Frist beginnt mit der Bekanntgabe des Steuerbescheids. In der Regel bedeutet das: das Datum des Bescheids plus drei Tage. Fällt der Fristbeginn auf einen Samstag, Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag, beginnt die Frist am darauffolgenden Werktag.
Menschen im Erwerbsleben können sich noch nicht gegen die Rentendoppelbesteuerung wehren, so Isabel Klocke vom Bund der Steuerzahler. "Vorsorglich kann man nicht gegen einen Steuerbescheid Einspruch einlegen."
Form
Der Einspruch gegen den Steuerbescheid kann entweder handschriftlich oder am Computer abgetippt sein. "Wichtig ist nur, dass Sie Ihren Namen, Ihre Steuernummer als auch Ihre Steuer-ID angeben", so Klocke.
"Außerdem müssen Sie den Einspruch unbedingt unterschreiben. Wenn Sie gemeinsam veranlagt sind, unterschreiben Sie beide."
Versand
"Um den Einspruch zu verschicken, genügt ein einfacher Brief", so Klocke. "Wichtig ist nur, dass dieser an das örtlich zuständige Finanzamt geht."
Rechtsanwalt Cäsar-Preller rät dagegen, den Einspruch per Einschreiben mit Rückschein zu stellen. "So stellen Verbraucher sicher, dass der Einspruch auch wirklich beim Finanzamt ankommt", so der Jurist. "Und das Finanzamt kann sich später nicht herausreden."
Gut zu wissen: In der Regel bekommen Sie vom Finanzamt keine Bestätigung, dass Ihr Einspruch eingegangen ist.
Außerdem sollten Rentner sich nicht vom Finanzamt verunsichern lassen, erklärt Klocke. "Das Finanzamt schickt Rentnern wahrscheinlich einen Brief, indem die Rentner aufgefordert sind, den Einspruch zurückzunehmen oder Unterlagen nachzureichen", sagt Klocke. "Die Rentner sollen also sämtliche Steuerunterlagen vorlegen, auch die, die schon Jahrzehnte alt sind."
Das sei völlig "realitätsfern" und auch nicht sinnvoll, weil gerade umstritten sei, welche Rechenweise und Nachweise erforderlich sind, so Klocke. "Die Finanzämter möchten nur Druck auf die Rentner ausüben. Senioren sollten an Ihrem Einspruch festhalten – bleiben Sie standhaft."
Hinweis: Für die Gültigkeit der steuerlichen Angaben übernehmen wir keine Haftung. Die hier angeführten Informationen ersetzen keine Rechtsberatung. Wenden Sie sich bei Fragen zu diesem Themenkomplex an einen entsprechenden Experten.
- Eigene Recherche
- Gespräch mit Isabel Klocke
- Gespräch mit Joachim Cäsar-Preller
- Bundesfinanzhof
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa