Politiker und Experten streiten Rente ab 70: "Ein Fehler" – oder dringend notwendig?
Die Menschen werden im Schnitt immer älter. Sollte deshalb das Renteneintrittsalter auf fast 70 Jahre angehoben werden, wie von der Bundesbank vorgeschlagen? Darüber wird weiter diskutiert.
Gewerkschaften und Sozialverbände haben die Idee der Bundesbank, das Renteneintrittsalter auf fast 70 Jahre anzuheben, scharf kritisiert und warnen vor sozialen Problemen im Alter.
Schon die Anhebung von 65 auf 67 Jahre sei "ein Fehler" gewesen, sagte das DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Auf der anderen Seite begrüßten die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und die FDP den Bundesbank-Vorstoß. In der CDU sind die Meinungen geteilt.
Kritiker appellieren: Rente wird zukünftig radikal gekürzt
"Wer schwer arbeitet, hat ein höheres Sterblichkeitsrisiko als der Durchschnitt aller Erwerbstätigen. Wer also das Renteneintrittsalter anhebt, kürzt all diesen Menschen eiskalt deren Rente", so Buntenbach. Auch der Sozialverband VdK sprach von einer "schmerzhaften Rentenkürzung" für Menschen in anstrengenden Berufen, die nicht bis zu einem solchen Alter arbeiten könnten. Der Bundesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Wolfgang Stadler sagte: "Viele ältere Menschen in gesundheitlich belastenden Berufen halten nicht bis zum regulären Renteneintritt durch. Sie werden vor die Wahl gestellt: entweder Frührente mit lebenslangen Abschlägen oder Arbeitslosigkeit und Vorruhestandsarmut". SPD, Grüne und Linke hatten sich zuvor ebenfalls ablehnend geäußert.
BDA und FDP befürworten den Plan
Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes BDA, betonte dagegen: "Die gewonnene Lebenserwartung muss auch zu einer längeren Erwerbsphase führen und darf nicht nur einen immer längeren Ruhestand bedeuten". Auch FDP-Fraktionsvize Michael Theurer begrüßte die Forderung der Bundesbank und sprach sich für ein flexibles Renteneintrittsalter aus. Andernfalls werde die durch Umlagen finanzierte Rente sehr bald an ihre Grenzen stoßen, sagte er.
Negative Einstellung seitens CDU und AFD
Die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft in der CDU (CDA) sieht dagegen im Vorschlag der Bundesbank einen "Angriff auf den Zusammenhalt der Gesellschaft".
Auch AfD-Fraktionschefin Alice Weidel kritisierte die Rentenpolitik der Bundesregierung: "Das absehbare Desaster in den Rentenkassen widerlegt besonders eindringlich das Märchen von Deutschland als einem 'reichen Land'", sagte sie laut einer Mitteilung vom Dienstag. Die Politik habe die demografischen Realitäten ignoriert und die Weichen falsch gestellt.
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Die Bundesbank hatte angeregt, mit Blick auf die alternde Gesellschaft in Deutschland, das Rentenalter bis 2070 auf 69 Jahre und vier Monate anzuheben. Nach Berechnung der Notenbank würde der Geburtsjahrgang 2001 ab Mai 2070 mit 69 Jahren und vier Monaten regulär in Rente gehen.
- Nachrichtenagentur dpa