Anleger bangen um ihr Geld P&R-Pleite: Größter deutscher Anlageskandal der jüngeren Geschichte?
Nach der Insolvenz dreier Container-Leasing- und Vertriebsfirmen der Investmentgesellschaft P&R müssen 51.000 Kapitalanleger um ihr Geld bangen. Milliardeninvestitionen stehen auf dem Spiel. Eine Einordnung der Lage.
Vergangenen Donnerstag stellte die Containerleasingfirma P&R beim Amtsgericht München Insolvenzantrag. Der Anbieter für Direktinvestitionen in Seecontainer war einer der größten Player auf dem grauen Kapitalmarkt. In ihrem Segment waren sie Marktführer. Doch die Containerbranche ist seit Jahren unter Druck. Nun wurde das vorläufige Insolvenzverfahren am Amtsgericht München eröffnet.
Stille Reserven aufgebraucht
Mit der Containerleasingfirma P&R konnten Privatanleger in Seecontainer investieren, die für einige Jahre an Leasinggesellschaften und die Transportindustrie vermietet wurden. Über die mehrjährige Laufzeit der Geldanlage wurden den Anlegern regelmäßige Mietzahlungen sowie zum Vertragsende der Rückkauf der Container durch die P&R-Firmen in Aussicht gestellt.
Doch P&R ist zahlungsunfähig. Mit der Insolvenz der drei Firmen stünden nunmehr 3,1 Milliarden Euro im Feuer, sagt der Rosenheimer Finanzexperte Stefan Loipfinger: "Jetzt bricht das Kartenhaus zusammen". Mit der starken Abhängigkeit vom Neugeschäft habe es sich "im Grunde um eine Art Schneeballsystem" gehandelt. Ein Vorwurf, den P&R zurückwies.
Wie es jedoch aussieht, können die beim Vertragsabschluss in Aussicht gestellten Rückkaufswerte der Container nicht erzielt und die fälligen Mietzahlungen nicht erbracht werden. Zum einen sind die Containerpreise seit 2011 rückläufig, bis zum Tiefstand 2016. Hinzu kommen Wechselkursentwicklungen, da die Mieten gegenüber Anlegern in Euro gezahlt werden, die Vermietung der Container auf dem Weltmarkt jedoch gegen US-Dollar erfolgt.
Insolvenzverwalter hält sich bedeckt
"Als Marktführer in ihrem Segment betreuten die drei P&R Gesellschaften zuletzt rund 51.000 Anleger", erklärt Rechtsanwalt Michael Jaffé, der mit seinem Kanzleikollegen Philip Heinke zu den vorläufigen Insolvenzverwaltern ernannt wurden.
Doch Jaffé bremst zugleich mögliche Erwartungen der Anleger: "In welcher Höhe Rückflüsse an die Anleger möglich sind, hängt auch von der Marktentwicklung in den nächsten Jahren ab und lässt sich heute noch nicht sagen." Er wolle jetzt den Betrieb der P&R-Firmen weltweit fortführen, um Einnahmen zu erzielen und ein Verwertungskonzept zu erstellen.
Aufgrund der Vielzahl der von der P&R-Pleite betroffenen Anleger wurde eine Internetseite mit aktuellen Informationen eingerichtet: http://www.frachtcontainer-inso.de.
Grauer Kapitalmarkt – hohe Rendite und hohes Risiko
Lange Zeit war der graue Kapitalmarkt nicht reguliert. Viele Anleger haben in den vergangenen Jahren zum Beispiel über geschlossene Fonds oder Alternative Investments unter anderem in Immobilien, Schiffe, Regenerative Energieanlagen oder auch Container investiert. Die Mindestinvestitionssummen sind zumeist fünfstellig und die Kapitalbindung läuft über mehrere Jahre. Ein vorzeitiger Ausstieg ist in der Regel nur über den Zweitmarkt möglich. Die versprochenen Renditen waren und sind vor allem in der Niedrigzinsphase verlockend.
Auf dem Markt der sogenannten grauen Kapitalanlagen tummeln sich neben seriösen Anbietern auch Zocker, die auf leichtgläubige Laien treffen. Nach einer Ende 2014 auf den Weg gebrachten Reform mussten sowohl Anbieter als auch Vermittler verschärfte Auflagen erfüllen. Strengere Regeln sollen Anleger seither besser vor risikoreichen Finanzprodukten schützen. Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz erhielt auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) mehr Befugnisse und Sanktionsmöglichkeiten gegen Anbieter und Vermittler. So kann die Finanzaufsicht das Angebot von Vermögensanlagen bei Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen untersagen.
"Ein aktiver Vertrieb sollte verboten werden"
Seit Jahren weise der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) darauf hin, "dass Produkte des Grauen Kapitalmarktes ohne transparente Preisbildung etwa an einer Börse nicht an Privatanleger verkauft werden sollten", sagt VZBV-Chef Klaus Müller dem "Handelsblatt". Für Verbraucher seien Produkte auf diesem Markt ohne transparente Preisbildung "zu komplex und bergen zu hohe Risiken", so Müller weiter. "Ein aktiver Vertrieb sollte verboten werden, denn für Verbraucher sind diese Produkte zu komplex und bergen zu hohe Risiken."
Laut Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick drohe P&R "zum größten deutschen Anlageskandal der jüngeren Vergangenheit zu werden". Da im grauen Kapitalmarkt trotz milliardenschwerer Anlagesummen kein Tragfähigkeitsgutachten eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers erforderlich gewesen sei, habe sich die Aufsicht nur auf Vollständigkeit, Verständlichkeit und Widerspruchsfreiheit des Prospekts konzentrieren können, so Schick. "Nur aufgrund hoher Provisionen für die Vermittler wurden im Fall P&R massenhaft schlechte Produkte vertrieben, auf denen nun die Anleger sitzen bleiben."
- Eigene Recherchen
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP