Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Richtungsentscheidung in den USA Wen die Wall Street wählen würde
Trump oder Harris: In wenigen Tagen entscheidet sich, wer die Präsidentschaftswahlen in den USA gewinnt. Die Wall Street hat klare Präferenzen – eigentlich.
Man mag von Donald Trump halten, was man will. Aber der republikanische Kandidat hat gute Chancen, wieder ins Weiße Haus einzuziehen. Noch gibt sich Demokratin Kamala Harris natürlich nicht geschlagen. Das Rennen ist auch nach wie vor eng.
Wie so oft in den Vereinigten Staaten kommt es auf die "Swing States" an. Jene Staaten, in denen der Wahlausgang alles andere als sicher ist. Doch wen würde die Wall Street wählen? Wie würde die Börse auf den einen oder anderen Ausgang der Wahl reagieren?
Industriepolitik: Made in America
Ein Blick auf die Programme gibt Antworten. Es gibt – wenig überraschend – viele Unterschiede, aber auch eine Gemeinsamkeit. Beide haben die Industriepolitik für sich entdeckt und wollen "Made in USA" stärken. Umfangreiche Subventionen und Protektionismus inklusive. Dabei spielen auch die nationale Sicherheit und der Umgang mit China als weltpolitischem Rivalen eine Rolle. Das war es aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten.
Spannender sind für Börsianer (und nicht nur für sie) die Unterschiede, denn die werden auch an der Wall Street Spuren hinterlassen. Denn je nach Ausgang der Wahlen werden einige Branchen profitieren, andere aber eben auch ausgebremst.
Die Finanzexpertin
Jessica Schwarzer ist Finanzjournalistin, Bestsellerautorin und langjährige Beobachterin des weltweiten Börsengeschehens. Die deutsche Aktienkultur ist ihr eine Herzensangelegenheit. Mitte März 2024 ist ihr siebtes Buch "Erfolgreich investieren mit den besten Börsenstrategien" im Börsenbuchverlag erschienen. Bei t-online schreibt sie über Investments und Finanztrends, die eine breit gestreute Basis-Geldanlage ergänzen. Sie erreichen sie auf LinkedIn, Twitter, Facebook und Instagram.
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Durchregieren bei Wahlsieg
Sollte es einer der beiden Parteien gelingen, sowohl das Weiße Haus als auch die Mehrheit im Kongress zu gewinnen, dürften die Auswirkungen gravierend sein. Denn dann könnte die siegreiche Partei "durchregieren" und ihre Vorhaben ungehindert umsetzen.
Die Unterschiede grob zusammengefasst: Die Demokraten mit Kamala Harris wollen vor allem einkommensschwache Konsumenten entlasten, die Republikaner mit Donald Trump wollen vor allem niedrigere Steuern für Unternehmen und eine weniger strikte Regulierung.
Mehr Klimaschutz, höhere Steuern für Unternehmen
Die Demokratin Kamala Harris steht für Kontinuität. Sie würde die Politik von US-Präsident Joe Biden in weiten Teilen fortsetzen und vor allem am "Inflation Reduction Act" festhalten. Dabei sind die wichtigsten Punkte die Investitionen in den Klimaschutz, sinkende Kosten für Medikamente und die Gesundheitsversorgung allgemein, eine stärkere steuerliche Belastung von Großkonzernen und vermögenden Privatpersonen, die Förderung der US-Wirtschaft allgemein und die Schaffung gut bezahlter Arbeitsplätze.
Harris plant zudem eine Anhebung der Körperschaftsteuer für Unternehmen von derzeit 21 auf 28 Prozent. Kleinere Firmen, Familien und Geringverdiener würden dagegen steuerlich entlastet. Kontinuität gibt es auch mit Blick auf die Nato, die Unterstützung der Ukraine und beim Schutz Taiwans.
Höhere Zölle, weniger Regulierung, sinkende Steuern
Bei Republikaner Donald Trump gilt wieder "America First", heißt übersetzt: weniger Regulierung, höhere Zölle für Importe, teils sogar utopisch hohe Strafzölle etwa für Waren aus China und dazu eine Senkung der Körperschaftssteuer von 21 auf 15 Prozent. Damit sollen übrigens nicht nur heimische Unternehmen entlastet werden, sondern auch all jene ausländischen Firmen, die ihre Produktion vollständig in die USA verlegen.
Das klingt erst mal gut für die US-Wirtschaft, könnte aber dazu führen, dass die Inflation wieder steigt. Auch ihre Lieferketten müssten viele Firmen aufgrund der (Straf-)Zölle wohl überdenken.
Die Wall Street müsste Trump wählen
Eigentlich müsste die Wall Street aber Trump wählen. Geringere Unternehmenssteuern, weniger Regulierung – das kommt gut an. Dagegen würden die erneuerbaren Energien unter einem Präsidenten Trump leiden, während die "Old Economy", also Autohersteller, Öl- und Gaskonzerne, profitieren könnten. Unter einer Präsidentin Harris wäre es genau umgekehrt.
Die Erhöhung der Unternehmenssteuern könnte sogar das Risiko einer Korrektur an der Wall Street erhöhen, denn die Unternehmensgewinne würden leiden. Wie also das Depot aufstellen? Das kommt auf Ihre ganz persönliche Wahlprognose an. Ich tue mich damit extrem schwer, so schwer wie nie.
Trump ist unberechenbar
Es gibt übrigens den Glaubensgrundsatz, dass Republikaner besser für die Wirtschaft und die Börse sind, aber statistisch lässt sich dieses Vorurteil nicht belegen. Und mit Blick auf die aktuelle Situation? Natürlich verspricht Trump weniger staatliche Vorschriften und Einschränkungen.
Nur heißt es aber auch, dass Börsianer keine Unsicherheiten mögen. Doch Donald Trump ist bekanntlich alles andere als berechenbar und sorgt für viel Unruhe.. Er hat ständig neue, mitunter ziemlich wilde Ideen. Die Börsen lieben aber Kontinuität und Berechenbarkeit. Das spricht dann wieder eher für Harris.
Politische Börsen haben kurze Beine, eigentlich
Und dann wäre da noch eine alte Börsenweisheit: "Politische Börsen haben kurze Beine". Sie besagt, dass Wahlen die Finanzmärkte nur kurzfristig beeinflussen. Es sei denn, es gewinnen extreme Parteien und das politische und wirtschaftliche System steht zur Diskussion. Ist es wirklich schon so weit in den USA? Auch dazu werden Sie Ihre eigene Antwort finden müssen.
Fakt ist: Rückblickend waren die ökonomischen und geopolitischen Rahmenbedingungen wichtiger als die Parteizugehörigkeit des Präsidenten oder künftig vielleicht auch der Präsidentin.
Ich bleibe meiner sehr langfristigen Strategie mit hoher Risikostreuung treu. Auch wenn die kommenden Jahre politisch eher schwierig würden, selbst wenn es zu einer größeren Korrektur oder sogar einem Crash kommen würde, langfristig steigen die Börsenkurse. Davon bin ich überzeugt. Und richtig ist auf jeden Fall, dass Wahljahre gute Börsenjahre sind.
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