Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Anlagetrend der Woche Tesla spielt den nackten Kaiser

Mit dem Börsenabsturz in den USA wurden Technologietitel massiv beschädigt. Bei manchen tritt aber auch der wahre Wert zutage. Die Illusion bei Tesla – ist sie vorbei?
Der 22. April 2025 zeigte einen interessanten Vergleich. Die deutsche Software-Firma SAP meldete ebenso wie der US-Technologiekonzern Tesla am Abend Zahlen. SAP überzeugte und wurde am Tag darauf mit einem zweistellig steigenden Aktienkurs belohnt. Tesla hingegen konnte die Erwartungen nicht erfüllen und Investoren merkten einmal mehr, dass der Technologiekonzern womöglich nicht viel mehr ist als ein einfacher Autohersteller mit mittlerweile dürftigen Margen – und damit aussieht wie der sprichwörtliche Kaiser ohne Kleider.
Eine Bewertung von 700 Milliarden Euro verdeutlicht aber auch, dass noch sehr viele Anleger weiterhin an Tesla glauben. Da schadet es offenbar auch nicht, dass in den USA Vorwürfe laut werden, Tesla manipuliere die von seinen Fahrzeugen zurückgelegten Distanzen, um Kunden häufiger zu zu Wartungen und Software-Updates zu bewegen.
Autobauer als Vorreiter der Korrektur
Dass Tesla in der jüngsten Marktkorrektur besonders rasiert wurde, hat verschiedene Gründe: Tesla führte Anfang des Jahres mit einem atemberaubenden 120er-KGV – ein Ausdruck grenzenloser Hoffnung auf Musk im Weißen Haus. (KGV ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis; die Zahl gibt an, wie viele Jahre das Unternehmen den Jahresgewinn erwirtschaften müsste, um sich selbst kaufen zu können. Anm. d. Red).
Doch mittlerweile droht der einstige Elektro-Pionier den Anschluss zu verlieren: veraltete Modelle, sinkende Marktanteile. Der Kurs hat sich seit Dezember nahezu halbiert, das KGV liegt nun bei 90. Günstiger gibt es nach Daten vom Börsenplatz Gettex inzwischen auch Amazon (KGV 25 statt 35), Nvidia (20 statt 30) und Alphabet (aktuell mit 16 fast schon ein Schnäppchen). Microsoft und Apple bleiben mit einem stabilen 25er-KGV im Mittelfeld.

Zur Person
Daniel Saurenz ist Finanzjournalist, Börsianer aus Leidenschaft und Gründer von Feingold Research. Mit seinem Team hat er insgesamt mehr als 150 Jahre Börsenerfahrung und bündelt Börsenpsychologie, technische Analyse, Produkt- und Marktexpertise. Bei t-online schreibt er über Investments und die Lage an den Märkten. Sie erreichen ihn auf seinem Portal www.feingoldresearch.de. Alle Gastbeiträge von Daniel Saurenz lesen Sie hier.
Niemand mag Unsicherheit
Aktienmärkte haben eine simple Schwäche: Sie hassen Ungewissheit. Vor diesem Hintergrund überrascht es kaum, dass Unternehmen mit klarem Ausblick historisch stets höher bewertet wurden als solche, die im Nebel stochern. Nur stellt sich die Frage, wie unter der erratischen Zollpolitik Donald Trumps überhaupt noch Planung möglich sein soll.
Früher galt die Faustregel: Pro fünf Prozent US-Zollsteigerung schmälert sich der Gewinn je Aktie um ein bis zwei Prozent. Die zwischenzeitlichen 145 Prozent Zoll auf Importe aus China machen daher nicht nur ökonomisch wenig Sinn – sie erzeugen an den Märkten auch keine neue Panik mehr. Die Schmerzgrenze war längst überschritten.
Selbst das Hin und Her bezüglich Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Fed, konnte die Aktienmärkte nur noch am Montag nach Ostern erschüttern. Die Volatilität ist beim US-Angstbarometer Vix von 60 auf 30 gesunken, und die Broker in Deutschland berichten über etwas entspannteres Geschäft als an den Crash-Tagen Anfang April.
Damals schauten etwa Kunden von Trade Republic für viele Stunden in die Röhre, während die technischen Probleme bei ING oder Smartbroker in wenigen Minuten gelöst waren, wenn denn überhaupt welche auftraten.
Analysten bleiben noch locker
Auf dem Papier bleiben Analysten dazu passend erstaunlich entspannt. Die Konsensprognosen für die S&P-500-Unternehmen wurden seit Jahresbeginn gerade einmal um ein bis zwei Prozent für 2025 und 2026 gesenkt. Und das, obwohl in beiden Jahren weiterhin ein Gewinnwachstum von rund 13 Prozent erwartet wird. Sollte sich der Zollkonflikt allerdings stärker in der Realwirtschaft niederschlagen, dürfte dieser Optimismus auf wackligem Fundament stehen. Die aktuellen Bewertungen mögen attraktiver wirken – sie könnten sich im Rückblick aber als trügerisch entpuppen.
Zukunft schlägt Vergangenheit
Mit dem Start der US-Berichtssaison verlagert sich der Fokus klar auf die Zukunft. Für vergangene Quartale interessiert sich der Markt jetzt nur noch bedingt – der Preis an der Börse wird bekanntlich für die Zukunft gemacht. Spannend wird, ob Unternehmen wie Apple und Nike ihre höheren Importzölle an Kunden weiterreichen oder stillschweigend Margen opfern. Auch eine Entkopplung von China rückt auf die Agenda. Doch neue Lieferketten entstehen nicht über Nacht – sie sind teuer, komplex und strategisch riskant. Wer profitiert, wer verliert? Diese Transformation könnte das Ende manch großzügigen Aktienrückkaufprogramms bedeuten.
Immerhin ist die Fallhöhe der "Magnificent 7"-Aktien (gemeint sind die nach Börsenwert teuersten US-Technologieunternehmen, Anm. d. Red.) spürbar gesunken. Laut Lynx-Broker wurden sie 2023 noch mit einem 34er-KGV auf Basis der erwarteten Jahresgewinne gehandelt. Heute liegt der Wert bei rund 22 – das niedrigste Niveau seit zwei Jahren. Auch bei den Einzelwerten zeigt sich, wie schnell sich der Wind drehen kann.
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