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"Sell on good news, buy on bad news": Stimmt die Börsenweisheit?


Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.

Gute Zahlen, schlechte Zahlen
Bei guten Nachrichten verkaufen? Das steckt dahinter

  • t-online-Kolumnistin Jessica Schwarzer
MeinungEine Kolumne von Jessica Schwarzer

Aktualisiert am 24.07.2022Lesedauer: 4 Min.
Börsenhändler an der New Yorker Wall Street (Symbolbild): An den Finanzmärkten sind schlechte Nachrichten manchmal gute Nachrichten – und umgekehrt.Vergrößern des Bildes
Börsenhändler an der New Yorker Wall Street (Symbolbild): An den Finanzmärkten sind schlechte Nachrichten manchmal gute Nachrichten. (Quelle: Seth Wenig/dpa)
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Unternehmen, die gute Zahlen liefern, werden abgestraft, andere für negative Nachrichten belohnt. Nicht immer sind solche Dynamiken leicht zu verstehen.

Manchmal spielt die Börse gefühlt verrückt. Gute Zahlen sorgen für Kursrückgänge, schlechte für ein dickes Plus. Muss man das verstehen?

Diese scheinbar unlogischen Reaktionen der Investoren sind gerade wieder häufiger zu beobachten, denn in den USA läuft die Berichtssaison auf Hochtouren. Und auch hierzulande nimmt sie langsam Fahrt auf. Es gibt jede Menge gute und weniger gute Überraschungen – und mitunter etwas verrückte Reaktionen an der Börse. Zumindest auf den ersten Blick.

Vor einigen Tagen legte beispielsweise der Streamingdienst Netflix Zahlen vor. Die unangenehme Nachricht: Netflix hat im zweiten Quartal fast eine Million Abonnenten verloren, so viele wie noch nie. Eigentlich hätte man ob einer solchen Hiobsbotschaft doch mit einem fallenden Aktienkurs rechnen müssen. Da sie aber mit noch mehr Kündigungen gerechnet hatten, die Zahlen ansonsten robust waren und auch der Ausblick optimistisch ausfiel, griffen Investoren zu.

Die Börsenexpertin

Jessica Schwarzer ist Finanzjournalistin, Bestsellerautorin und langjährige Beobachterin des weltweiten Börsengeschehens. Die deutsche Aktienkultur ist ihr eine Herzensangelegenheit. Zuletzt ist ihr jüngstes Buch "Warum wirklich jeder entspannt reich werden kann" erschienen. Bei t-online schreibt sie über Investments und Finanztrends, die eine breit gestreute Basis-Geldanlage ergänzen. Sie erreichen sie auf LinkedIn, Twitter, Facebook und Instagram.

Kaufen bei schlechten Nachrichten?

Eine alte Börsenweisheit lautet "Sell on good news, buy on bad news". Es mag ein wenig unsinnig klingen, bei schlechten Nachrichten zu kaufen und bei guten zu verkaufen. Wir würden einsteigen, wenn die Stimmung schlecht ist und aussteigen, wenn sie besonders gut ist. Wir würden antizyklisch handeln, was ja grundsätzlich eine gute Idee ist. Und wer träumt nicht davon, billig zu kaufen und teuer zu verkaufen? So einfach ist es aber nicht.

Wir müssen als Anleger genauer hinschauen. Was steckt hinter den vermeintlich guten oder schlechten Nachrichten? Welche Erwartungen gab es? Wurden sie enttäuscht, erfüllt oder sogar übertroffen? Ein Arbeitsplatzabbau beispielsweise ist eigentlich ein Zeichen dafür, dass es einem Unternehmen nicht gut geht, dass es in einer Krise steckt.

An der Börse kommt die Maßnahme aber oft gut an, weil das Unternehmen handelt, weil es gegensteuert, sich aus der Krise herauskämpfen will. Das goutieren Anleger. Überzeugt die Gesamtstrategie, ist die eigentlich schlechte Nachricht im Grunde eine gute.

An der Börse wird die Zukunft gehandelt

Manchmal sind schlechte Nachrichten aber auch einfach nur schlechte Nachrichten. Und da wird dann nicht gekauft. Im Gegenteil. HelloFresh musste das in den vergangenen Tagen erleben. Eine Umsatz- und Gewinnwarnung kam gar nicht gut an. Die Aktie stürzte ab. Und HelloFresh ist dieser Tage nur ein Beispiel von vielen.

Im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld kassieren viele Unternehmen ihre Prognosen und geben Warnungen heraus. Und dann werden gute Nachrichten auf einmal zu schlechten. Tolle Quartalszahlen sind eigentlich ein Zeichen dafür, dass es rund läuft. Fällt der Ausblick aber etwas verhaltener aus, strafen Investoren die Aktien der entsprechenden Unternehmen ab. Denn an der Börse wird die Zukunft gehandelt.

Das musste eine amerikanische Fluggesellschaft vor einigen Tagen wieder erleben und erleiden. American Airlines profitiere von der gestiegenen Reisenachfrage im Sommer, war zu lesen. Erstmals seit Ausbruch der Corona-Pandemie hat die US-Fluggesellschaft wieder ordentlich Geld verdient und legte einen bereinigten Nettogewinn von 533 Millionen Dollar im zweiten Quartal vor. Zum Vergleich: Vor einem Jahr hatte die Bilanz hier noch ein Minus von mehr als einer Milliarde Dollar ausgewiesen. Das klingt sensationell, oder?

Ein fulminantes Comeback. An der Börse ging es dennoch kräftig abwärts mit der Aktie. American Airlines hatte nämlich die durchschnittlichen Erwartungen der Analysten verfehlt. Und auch der Ausblick konnte nicht überzeugen. Zwar rechnet die Airline mit weiter deutlich anziehenden Umsätzen, aber gleichzeitig explodieren die Kosten.

Wenn schlicht die Fantasie fehlt

Es passiert übrigens gar nicht so selten, dass Unternehmen nach Rekordzahlen bei Gewinn oder Umsatz an der Börse abgestraft werden. Mal ist es der Ausblick, der Aktionären nicht schmeckt. Mal sind es Sondereffekte, die zu diesen Rekorden geführt haben. Mal fehlt Anlegern auch schlicht die Fantasie, dass es so phänomenal weitergehen könnte.

Extrem schlechte Quartalszahlen kommen manchmal gut an. Etwa wenn das Unternehmen hohe Abschreibungen vorgenommen hat, nun aber optimistischer in die Zukunft schaut. Derzeit leiden viele Firmen unter den Sanktionen gegen Russland, haben sich überhaupt teuer aus dem Land zurückgezogen. Trotzdem können die Geschäfte ansonsten natürlich gut laufen.

Für Anleger ist es gar nicht so einfach, Quartalszahlen und Jahresbilanzen zu analysieren und abzuschätzen, wie sich das Unternehmen weiterentwickelt – auch an der Börse. Zum Glück gibt es Profis, die uns diese Arbeit abnehmen. Das sind zum einen die Aktienanalysten, deren Einschätzungen und Empfehlungen wir lesen können. Zum anderen sind es Fondsmanager mit ihren Teams, die tief in die Zahlen einsteigen. Und glauben Sie mir, die Experten können das auch wirklich besser als wir.

Lieber Fonds und ETFs als Einzelaktien

Einzelaktien sind leider riskant. Wie schnell können wir mit unserem Urteil schiefliegen? Auch deshalb plädiere ich dafür, in börsengehandelte Indexfonds (ETFs) oder aktiv gemanagte Aktienfonds zu investieren. Sie bieten eine breite Risikostreuung. Wir investieren in Dutzende oder Hunderte Einzeltitel. Da fallen einzelne Nieten nicht so stark ins Gewicht.

Wenn wir aber in Einzelwerte investieren, sagen wir in 10 oder vielleicht 20, dann macht sich der Absturz einer Aktie schon bemerkbar. Gerade in der Quartalszahlen-Saison kommt es dann zu kräftigeren Ausschlägen – nach unten, aber zum Glück auch nach oben.

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