Euro-Scheine Verschwörungstheorien der Wirtschaft: Europäisches Roulette
Wenn Macht und Geld im Spiel sind, kennt die Phantasie keine Grenzen. "Spiegel Online" präsentiert die schrägsten Verschwörungstheorien der Wirtschaft. Diesmal: Warum der Zerfall der Euro-Zone schon beim Entwurf der Geldscheine eingeplant wurde.
Die These
Der Euro ist eine einzige Verschwörung, das wissen wir längst. Doch selbst kühne Geister konnten kaum ahnen, wie weit die Verschwörer vorausdachten: Neben der Einführung der Gemeinschaftswährung planten sie auch gleich deren Zerfall ein.
Buchstabe soll Bruchstelle verraten
Der scheinbare Beweis? Findet sich angeblich auf der Rückseite jedes Euro-Scheins, oberhalb einer Landkarte, die uns mit fehlenden Grenzlinien einen eigenen Kontinent vorgaukelt. Vor einer Zahlenfolge steht dort ein Buchstabe. Dieser ist nicht weniger als die versteckte Sollbruchstelle der Euro-Zone - denn er zeigt an, wo der Schein gedruckt wurde. X etwa steht für Deutschland, T für Irland, P für die Niederlande.
Die jetzt so oft beschworenen technischen Probleme bei einer Auflösung der Euro-Zone sind also Humbug! Statt Konten zu sperren und Kapitalverkehrskontrollen einzuführen, werden die Herren im Frankfurter Euro-Tower demnächst einfach Buchstaben ausrufen: das Y, wenn die Griechen endgültig pleite sind. Das M, wenn die Portugiesen gehen müssen. V und S, wenn auch Spanier und Italiener nicht mehr können.
Scheine mit bestimmten Kürzeln werden wertlos
Die Euro-Scheine mit den Buchstabenkürzeln der Krisenstaaten werden wertlos oder gelten nur noch im betreffenden Land. Politik und Banken sind die Sorge um eine saubere Abwicklung der Währungsunion auf einen Schlag los. In die Röhre schauen dagegen alle, in deren Portemonnaies toxische Papiere schlummern.
Die Konsequenz hat "Crash-Prophet" Max Otte bereits vor drei Jahren auf dem Fachportal Goldseiten.de gezogen: "Schauen Sie sich also Ihre Banknoten an, und reichen Sie diejenigen mit den Kennungen S, T, Y, V, P und M schnell weiter."
Was steckt dahinter?
Tatsächlich lassen alle nationalen Notenbanken der Euro-Zone eigene Scheine drucken und verstecken sich dabei hinter Kürzeln. Dennoch gibt es ein paar Hindernisse fürs große Euro-Finale. So steht der Buchstabe vor dem Zahlencode für das Land, das den Schein in Auftrag gegeben hat. Das ist aber oft nicht identisch mit dem Land, in dem der Schein gedruckt wurde - denn die Notenbanken vergeben auch Aufträge ins Ausland.
Die jeweilige Druckerei gibt ein zweites Kürzel auf der Vorderseite des Scheins an. Ein R etwa markiert Banknoten aus der Bundesdruckerei in Berlin. Auf Nachfrage bestätigt die EZB die Existenz der Codes. "Dieses Kennzeichen ist jedoch nicht besonders bekannt und stellt kein öffentlich bekanntes (Sicherheits-)Merkmal dar. Es wird für interne Zwecke eingebaut und daher nicht veröffentlicht", heißt es aus Frankfurt. Ist also doch etwas dran an der Theorie?
Sinnlose Ungerechtigkeit
Eher nicht. Schließlich gilt auch für Papiergeld Niederlassungsfreiheit - es kursiert über alle Grenzen hinweg. Griechische Euro-Scheine müssten also in ganz Europa eingesammelt werden, die Aktion würde auch Franzosen oder Malteser treffen. Doch selbst wenn man diese Ungerechtigkeit in Kauf nehmen würde: Halbwegs sinnvoll wäre das alles nur, wenn die eingesammelte Menge dem Anteil von Euro-Scheinen entspricht, die von der jeweiligen Nationalbank ausgegeben wurden.
Auf eine parlamentarische Anfrage hin erklärte die EU-Kommission jedoch schon vor zwei Jahren: "Die Zuteilung der Produktion hängt in keiner Weise vom Bedarf des Landes an Mengen und Nennwerten ab." Entscheidend sei vielmehr die Effizienz bei der Auftragsvergabe - weshalb auch keine Nationalbank überhaupt alle Euro-Nennwerte herstelle.
Und wenn es doch wahr wäre?
Dann wäre das Leben, wie mit so vielen Verschwörungstheorien, deutlich interessanter. Schließlich ermöglichen Euro-Noten mit versteckten Sollbruchstellen viele Arten von Nervenkitzel.
So könnten Börsenhändler nach Vorbild amerikanischer Hypothekenpapiere spannende Euro-Derivate basteln: Unter ein paar deutschen Zehnern und Zwanzigern würde sich ein bunter Mix von großen Scheinen aus Südeuropa verbergen. Und Kassiererinnen genössen plötzlich ein ähnliches Ansehen wie Bombenentschärfer oder Herzchirurgen - weil sie täglich mit hochsensiblem Material hantieren.
Die Jugend schließlich müsste sich nicht länger mit öden Mutproben wie U-Bahn-Surfen begnügen. Stattdessen würde eine Variante des Kartenspiels "Schwarzer Peter" populär. Zwischen 30 deutschen Euro-Noten verbirgt sich ein griechischer Schein. Wer ihn zuletzt hat, muss ihn behalten. Der Name: europäisches Roulette.