t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeWirtschaft & FinanzenAktuellesWirtschaft

AfD-Erfolg bei Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen: Wirtschaft besorgt


Wirtschaft nach Landtagswahl besorgt
"Dürfte einen Anstieg der Insolvenzen zur Folge haben"


02.09.2024Lesedauer: 4 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
imago images 0758680448Vergrößern des Bildes
Politiker Björn Höcke (AfD): Vor der Wahl hatte er Unternehmer kritisiert, die sich gegen seine Partei ausgesprochen hatten. (Quelle: IMAGO/Dwi Anoraganingrum/imago)

Die AfD konnte in Thüringen und Sachsen bei den Landtagswahlen starke Ergebnisse erzielen. Unternehmer und Verbände fürchten nun eine schwierige Situation für die Wirtschaft.

Bei den Landtagswahlen konnte die AfD ihre Ergebnisse teils deutlich verbessern. In Sachsen landete die Partei mit weniger als zwei Prozentpunkten Abstand hinter der CDU. In Thüringen wurde die AfD sogar mit Abstand stärkste Kraft.

In der Wirtschaft ruft das Verunsicherung hervor – besonders mit Blick auf künftige Investitionen und die Zuwanderung von dringend benötigten Fachkräften aus dem Ausland. Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzler sagte mit Bezug auf den Wahlerfolg der AfD: "Die Ablehnung von qualifizierter Zuwanderung ist an der Stelle das falsche Signal, denn sie wird Fachkräfte davon abhalten, diese Bundesländer als Option in Erwägung zu ziehen." Thüringen und Sachsen hätten seit der Wiedervereinigung etwa ein Fünftel der Bevölkerung verloren.

Einige Landkreise dürften in den kommenden Jahren weitere 20 bis 30 Prozent der Erwerbsbevölkerung verlieren. "Unternehmensnachfolgen würden erschwert, gegebenenfalls könnte das zu Firmenaufgaben führen", so die Vorsitzende des Sachverständigenrates weiter.

Ökonom Fratzscher: Junge Leute werden gehen

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hält es zudem für wahrscheinlich, dass Unternehmen und Arbeitnehmer aufgrund des Wahlergebnisses abwandern könnten. "Vor allem junge, gut qualifizierte und hoch motivierte Bürgerinnen und Bürger werden die beiden Bundesländer verlassen und dorthin gehen, wo sie mehr Offenheit und Wertschätzung erfahren", sagte der Ökonom. "Dies dürfte einen Anstieg der Insolvenzen und einen Exodus von Unternehmen zur Folge haben."

Zwar ist es unwahrscheinlich, dass die AfD in Thüringen und Sachsen in eine Landesregierung kommen wird, aber die starken Wahlergebnisse der Rechtspopulisten schüren in Teilen der Bevölkerung Ängste.

Loading...
Symbolbild für eingebettete Inhalte

Embed

Das könnte auch für die gerade erst begonnen Prestigeprojekte im Osten zum Problem werden. Derzeit werden mit Milliardenunterstützung des Bundes mehrere Chipfabriken gebaut. Mehr dazu lesen Sie hier. Doch der Digitalverband Bitkom fürchtete, dass die starken Wahlergebnisse von AfD und BSW wichtige Zuwanderung verhindern werden. "Die geplanten Halbleiterfabriken in Sachsen werden wir ohne Fachkräfte aus dem Ausland nicht betreiben können", sagte Wintergerst. "Solche Spitzenkräfte können ihren Arbeitsort frei wählen", so Verbandspräsident Ralf Wintergerst.

Würth kam AfD-Warnung teuer zu stehen

Diese Sorgen sind nicht erst am vergangenen Wahlsonntag entstanden. Bereits vor den Landtagswahlen hatten sich verschiedene Wirtschaftsverbände, aber auch einzelne Unternehmer gegen rechts positioniert. Besonders prominent hatte auch Reinhold Würth vom Schraubenhersteller Würth Stellung gegen die AfD bezogen. Bereits vor der Europawahl richtete er sich mit einem Rundschreiben an 25.000 seiner Mitarbeiter: "Bloß wegen eines bisschen Spaßes an der Freude Rabatz zu machen und aus Unmut über die Ampelregierung die AfD zu wählen, ist einfach zu wenig", hieß es darin.

Einige Monate später berichtete er nun in einem Interview mit dem "Handelsblatt" davon, dass seine Äußerungen ihm zwar auch viel Unterstützung eingebracht hätten, sich finanziell aber nicht auszahlten. "Wir haben dadurch rund 1,5 Millionen Euro Umsatz verloren", so Würth. Sich als Unternehmer gegen die AfD zu stellen, gerade wenn sie aktuell so viel Unterstützung erfährt, kann also auch zu Problemen führen.

Höcke ätzt gegen Unternehmer

Diese Aussichten schreckten aber viele Unternehmen trotzdem nicht ab. Mitte August rief der Mitgesellschafter des Thermomix- und Kobold-Herstellers Vorwerk, Timm Middelsten Scheid, die Kampagne "Made in Germany, Made by Vielfalt" ins Leben. Innerhalb von knapp zwei Wochen schlossen sich über 80 Unternehmern seinem Anliegen an.

Sehr zum Ärger des Spitzendenkandidaten der AfD in Thüringen, Björn Höcke. Er bezeichnete die Kampagne als "pure Heuchelei", wünschte den Unternehmen "schwere, schwere wirtschaftliche Turbulenzen" und empfahl ihnen, "einfach mal die Klappe zu halten, wenn es um Politik geht". Später präzisierte er, er habe damit die federführenden Unternehmen Vorwerk, Miele und Stihl gemeint. Zusammen haben diese drei Unternehmen über 50.000 Mitarbeiter in Deutschland.

Genau in solchen Äußerungen sieht Unternehmer Harald Christ den Populismus der AfD. Im Interview mit t-online sagt er über Höcke: "Wenn er verantwortungsvolle Politik für dieses Land machen wollte, würde er wissen, dass ohne die Wirtschaft nichts funktioniert, keine soziale Marktwirtschaft, keine Investitionen, keine Finanzen, keine neuen Arbeitsplätze." Solche Aussagen ließen tief blicken: "Ihm scheinen die Arbeitsplätze der Menschen in diesen Unternehmen offenbar egal zu sein – und damit die Existenzen der Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer." Das ganze Gespräch können Sie hier nachlesen.

Christ beklagt auch, dass es im Wahlkampf wenig um landespolitische Themen gegangen sei. Stattdessen hätten der Ukraine-Krieg und Migrationsfragen im Zentrum gestanden. Eine ähnliche Kritik bringt auch die Landesvorsitzende der Familienunternehmen in Thüringen, Colette Boos-John, am Morgen nach der Wahl vor. "Da die miserable Thüringer Wirtschaftspolitik im Wahlkampf kaum eine Rolle spielte, sitzt im neuen Landtag eine Riesenmehrheit von wirtschaftsfeindlichen Parteien: AfD, BSW und Linkspartei", sagt sie.

Unternehmern kritisieren Kampagnen

Doch längst nicht alle Unternehmer teilen die Auffassung von Würth und Christ, sich öffentlich gegen die AfD zu stellen. Deutlich wurde das in der vergangenen Woche unter anderem nach einer Zeitungskampagne der Supermarktkette Edeka. Das Unternehmen hatte in der "Zeit" und in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" jeweils eine einseitige Anzeige geschaltet. Darin wurde die AfD zwar nicht namentlich erwähnt, doch die Verbindung zwischen blauen Früchten und der Parteifarbe der AfD war eindeutig aus dem Slogan "Blau ist keine gute Wahl" herauszulesen.

Auf sozialen Medien erhielt die Anzeige gemischte Kommentare. Darunter auch der Chef der Edeka-Filiale Bienek im sächsischen Halberstadt, der auf Facebook schrieb: "Aus gegebenem Anlass möchte ich hiermit signalisieren, dass wir bei allen politischen Themen KEINE Stellung beziehen." In seinem Supermarkt könne jeder Mensch einkaufen. Er könne nicht nachvollziehen, warum sich die Konzernzentrale zur Politik äußere. "Ich bin Lebensmitteleinzelhändler, kein Politiker und werde mich deshalb auch mit meinem Markt in solche Themen nicht einmischen!" Mehr dazu lesen Sie hier.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Pressemitteilung Familienunternehmer Thüringen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur Reuters
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website