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Experte kritisiert Wohnungsbau-Offensive der Regierung: "Muss sich ändern"


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Wohnungsbauplan der Ampel
"Das ist Wahnsinn"

InterviewVon Laura Mielke

11.04.2024Lesedauer: 6 Min.
Wohnungsbau in BerlinVergrößern des Bildes
Ein Baukran arbeitet an einer Hochhaus-Baustelle vor der Kulisse des Berliner Fernsehturms. (Quelle: Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild/dpa)

Die Regierung hatte 400.000 neue Wohnungen pro Jahr versprochen. Doch dieses Ziel erreicht sie nicht. Wie löst Deutschland die Probleme am Wohnungsmarkt? Das sagt ein Experte.

Fehlender Wohnraum und steigende Mieten stellen Bürgerinnen und Bürger vor große Herausforderungen. Vor allem in Großstädten. Die Wohnungsbauoffensive der Bundesregierung sollte das Problem lösen. Laut ifo-Institut sollen 2024 aber nur rund 250.000 Wohnungen gebaut werden.

Am Donnerstag veranstalten Bauministerin Klara Geywitz und Wirtschaftsminister Robert Habeck einen Wohnungsbau-Tag unter dem Motto "Konjunktur-Motor Wohnungsbau: Worauf wartet Deutschland?". Laut Experte Matthias Bernt reicht Bauen allein aber nicht aus. "Wir haben einen enormen Mangel an bezahlbarem Wohnraum im unteren Segment", sagt er im Gespräch mit t-online. Um das Problem zu lösen, müssen seiner Ansicht nach sowohl Förderungen überdacht als auch die Mietpreisbremse reformiert werden.

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t-online: Die Bundesregierung will 400.000 Wohnungen pro Jahr bauen. Das ist bislang nicht geglückt. Woran liegt das?

Matthias Bernt: Die Zahl von 400.000 Wohnungen hat die Bundesregierung vor ein paar Jahren in die Welt gesetzt – auch nach Absprache mit Verbänden und Wohnungsbauunternehmen. Das war allerdings eine Zeit, in der die Zinsen noch niedriger waren als heute. Die Energiekosten waren niedriger, es gab geringere Lohnabschlüsse.
Die gesamtwirtschaftliche Situation hat sich aber deutlich gedreht und für den Wohnungsbau zu erheblichen Schwierigkeiten geführt. Ein zweites Problembündel ist die Verfügbarkeit von Bauland und die Bodenpreise. Diese sind im vergangenen Jahrzehnt enorm gestiegen. Gerade in Großstädten und ihren Zentren ist es enorm schwierig geworden, überhaupt an Bauland heranzukommen.

Das Forschungsinstitut "Empiriker Ingenieur" hat die benötigte Anzahl viel niedriger geschätzt, nämlich je nach Zuwanderung auf 130.000 bis 200.000 Wohnungen pro Jahr. Wurde das vielleicht falsch eingeschätzt?

Prognosen zum benötigten Wohnraum sind schwierig. Alle sind sich einig, dass es ein Defizit an Wohnraum gibt, das in den vergangenen Jahrzehnten angelaufen ist, weil der Wohnungsbau nicht mit Zuwanderung und Bevölkerungswachstum Schritt gehalten hat. Gerade Migrationsbewegungen sind schwer prognostizierbar. Das Wohnraumdefizit ist regional auch sehr ungleich verteilt. In peripheren Gebieten, in Ostsachsen, im Erzgebirge, im Saarland, gibt es teilweise einen Überschuss an Wohnungen, während es in Großstädten einen großen Mangel gibt. Zusätzlich verschärft die Situation, dass es vor allem Mangel an bezahlbarem Wohnraum gibt.

Also reicht Bauen allein nicht aus, um die Wohnungskrise zu lösen.

Nein. Gerade vor dem Hintergrund des starken Bevölkerungswachstums in Großstädten haben wir ein sehr großes Preisproblem. Wir haben zu wenig Wohnungsneubau im bezahlbaren Bereich. Von den geplanten 400.000 Wohnungen sollten 100.000 Sozialwohnungen sein. Fakt ist: Wir bauen nur 20.000 bis 30.000 Sozialwohnungen. Das ist viel zu wenig, weil auch die Zahl der Sozialwohnungen enorm reduziert worden ist. In den achtziger Jahren hatten wir noch ungefähr vier Millionen Sozialwohnungen, jetzt nur noch eine Million.

Welche Folgen hat das?

Das hat unter anderem dazu geführt, dass die Mietbelastung relativ hoch ist. Im Durchschnitt liegt diese in Deutschland bei 27 bis 28 Prozent. Bei Neubauten und in Großstädten liegt sie nochmals höher. Viele geben von ihrem Gehalt einfach zu viel Geld für ihren Wohnraum aus.

Ist da vielleicht der Fokus falsch gesetzt, wenn neues Bauen so teuer ist und sich dann kaum Investorinnen finden, die das Geld für sozialen Wohnungsbau in die Hand nehmen können?

Das Problem ist, dass zwei Drittel der Baukosten in Großstädten für die Bodenpreise draufgehen. Das sind leistungslose Gewinne. Menschen, die diese Grundstücke halten oder in den vergangenen zehn Jahren gekauft haben, können sich jetzt über einen wahnsinnigen Zuwachs an Bodenpreisen freuen. Das muss sich ändern. Das zweite Problem ist das Fördersystem im sozialen Wohnungsbau. Investoren bekommen Anreize für den Bau, der Staat im Gegenzug bezahlbare Mieten für einen Zeitraum von 30 oder 40 Jahren. Ist diese Zeit allerdings abgelaufen, verpufft der Effekt. Der Staat muss also wieder neu investieren, um die bezahlbaren Mieten zu halten. Das ist nicht nachhaltig.

Zur Person

Matthias Bernt ist kommissarischer Leiter des Forschungsschwerpunkts "Politik und Planung" am Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung und zugleich Privatdozent am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin.

Wie lässt sich das lösen?

Ich denke, der Staat muss stattdessen Träger fördern, dauerhaft bezahlbare Wohnungen bereitzustellen. Dazu gehören Genossenschaften, Stiftungen wie das Mietshäusersyndikat oder auch kommunale Wohnungsunternehmen, die alle seit Jahrzehnten zeigen, wie bezahlbares Wohnen gehen kann. Und das heißt, dass man nicht nur darüber reden muss, wie man pauschal Baukosten senkt oder mehr Geld in Wohnungsbau steckt. Man muss auch viel stärker überdenken, an wen man diese Investition gibt und wie damit langfristig bezahlbarer Wohnraum sichergestellt werden kann. Beispiele gibt es dafür etwa in Wien oder in der Schweiz.

Was halten Sie von der These, dass sich der Staat beim Wohnungsbau auf den Mittelstand fokussieren sollte, um für diese Zielgruppe bezahlbare Neubauten zu schaffen und bestehende Wohnungen günstiger für den sozialen Wohnungsbau vermieten zu können?

Relativ wenig. Diese Diskussion um den Mittelstand gibt es seit einigen Jahren. In Metropolen wie Berlin oder München sind die Mietpreise mittlerweile schon so eskaliert, dass auch Mittelklasse-Haushalte ein Problem haben. Das Gegenmittel ist, dass man den Bestand an bezahlbaren Wohnungen ausweiten muss. Wenn man jetzt versucht, die zu kurze Decke hin- und herzuschieben, reicht das nicht.

Wenn ich Wohnungen für Mittelklasse-Haushalte anbiete, dann heißt das nicht, dass anderswo Wohnungen zu bezahlbaren Preisen frei werden. In Berlin zum Beispiel ist es so, dass die Neuvermietungsmieten um sieben Euro pro Quadratmeter über den Bestandsmieten liegen. Das heißt, wenn ich ausziehe, zieht mit Sicherheit kein armer Haushalt ein, sondern einer, der ein gutes Einkommen hat.

SPD und FDP wollen jetzt die Mietpreisbremse bis 2029 verlängern. Kann das zur Lösung beitragen?

Dass die Mietpreisbremse verlängert wird, ist richtig. Sie bremst aber kaum, denn sie hat einige Schlupflöcher. Untersuchungen zeigen, dass die Neuvertragsmieten in vielen Großstädten deutlich über dem liegen, was die Mietpreisbremse eigentlich zulassen würde. In Berlin liegen die Bestandsmieten bei etwa sieben Euro pro Quadratmeter im Durchschnitt. Neuvertragsmieten bei 14 Euro.

Wie ist das möglich?

Eine Studie der Investitionsbank Berlin von 2024 zeigt, die Hälfte der Inserate bietet eine Wohnung teilmöbliert an. Dort bewegen wir uns bei Preisen von 27 Euro. Was wir in Berlin beobachten ist, dass haufenweise Vermieter einfach einen Schrank und einen Tisch in eine Wohnung stellen und dadurch die Mietpreisbremse komplett umgehen. Das heißt, die Mietpreisbremse scheint dann überhaupt keine Rolle zu spielen, weil sie so viele Hintertürchen in der Größe von Scheunentoren hat. Von daher brauchen wir tatsächlich nicht nur eine Verlängerung eines Instruments, das nicht gut funktioniert, sondern eine Schärfung. Aktuell löst sie das Problem nicht mal ansatzweise.

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Was müsste denn stattdessen passieren?

Erst mal muss diese Mietpreisbremse überarbeitet werden, sodass diese Schlupflöcher geschlossen werden. Bislang gilt: Wenn der Vormieter eine höhere Miete gezahlt hat, dann gilt diese Miete als Richtwert. Es gibt aber keine Nachweispflicht darüber. Für modernisierte und neu gebaute Wohnungen gilt sie nicht. Das sollte man ändern. Der Vermietung von teilmöblierten Wohnungen muss ebenfalls ein stärkerer Riegel vorgeschoben werden. Es sind ein paar Gesetzesänderungen, die schnell gemacht sind. Vom Justizministerium der FDP kommt bis jetzt in dem Bereich nicht sehr viel.

Müssen Mieten auch stärker vom Staat subventioniert werden?

Im Jahr 2023 haben wir fast 21 Milliarden Euro für Subjektförderung ausgegeben, also für Kosten der Unterkunft für Transferleistungsempfänger, Asylbewerber und Wohngeld. Und im Gegensatz dazu aber nur etwa vier Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau. Das ist eine enorme Schieflage. Mit Förderung und Wohngeld wirkt der Staat nicht dem entgegen, sondern zahlt im Endeffekt gestiegene Mieten mit Steuergeldern. Es braucht verstärkte Anstrengungen, nicht einfach nur dem heiß gelaufenen Wohnungsmarkt hinterher zu subventionieren.

Macht sich der Staat gegenüber den Vermietern erpressbar ?

Solange der Staat die Mieten nicht stärker reguliert oder solange es nicht Alternativen mit bezahlbarem Wohnraum gibt, macht er sich erpressbar. Das ist natürlich schon Wahnsinn, dass man jedes Jahr einen vielfachen Betrag für die Verwaltung und die Subventionierung von hohen Mieten ausgibt, anstatt dafür zu sorgen, dass es mehr bezahlbaren Wohnraum gibt.

Sie haben bereits mehrfach angesprochen, dass es gerade in Großstädten an Wohnraum mangelt, während auf dem Land teilweise sogar ein Überangebot besteht. Braucht es mehr Anreize, aufs Land zu ziehen?

Jein. Haushalte, die eine Wohnung suchen, sind relativ eng an ihren Arbeitsort, soziale Netzwerke und an bestimmte Infrastrukturen gebunden, wie den Schulort der Kinder. Die suchen keine Wohnung irgendwo, sondern in bestimmten Gegenden. Nur, weil die Wohnung außerhalb günstiger ist, ziehen sie nicht dorthin. Es ist also keine Lösung der Wohnungsfrage, preiswerte Wohnungen am Stadtrand anzubieten. Im Gegenteil, das kann soziale Segregationsprozesse sogar verstärken.

Wir beobachten das schon lange in Paris: Dort ist die Innenstadt unbezahlbar. Einkommensschwache Haushalte leben in den Banlieues. Und das schafft jede Menge Probleme. Alleine zu sagen, wir haben irgendwo billige Wohnungen, löst das Problem nicht.

Herr Bernt, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Matthias Bernt
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