Haushalt verfassungswidrig? Hiobsbotschaft vom Rechnungshof
Nach dem richtungsweisenden Urteil aus Karlsruhe zweifelt der Bundesrechnungshof nun auch den Haushalt 2023 und 2024 an. Das könnte auch die Energiepreisbremse treffen.
Der Bundesrechnungshof hält nach dem Karlsruher Haushaltsurteil die Bundeshaushalte für dieses und das kommende Jahr "in verfassungsrechtlicher Hinsicht für äußerst problematisch". Das geht aus der Stellungnahme des Rechnungshofs für die Sachverständigenanhörung am Dienstag im Haushaltsausschuss des Bundestags hervor. Den Etat für 2024 in der aktuellen Lage zu beschließen, sei riskant.
Auch Steuerrechtler Hanno Kube von der Universität Heidelberg rät in seiner Stellungnahme von einem Beschluss des Haushalt 2024 ab. "Der vorliegende Entwurf des Haushaltsgesetzes 2024 könnte verfassungswidrig sein", schreibt er. Offen sei, ob einzelne Posten aus dem Klima- und Transformationsfonds nun in den Kernhaushalt überführt werden müssten.
Der Finanzwissenschaftler Thiess Büttner von der Universität Erlangen-Nürnberg sieht in der Haushaltsplanung eine Lücke von mindestens 52 Milliarden Euro. "Um einen verfassungsgemäßen Haushalt vorzulegen, muss die Bundesregierung den geplanten Einsatz aller Sondervermögen ohne eigene Kreditermächtigung auch jenseits des Sondervermögens 'Klima- und Transformationsfonds' überprüfen", heißt es in seiner Stellungnahme.
Experten sind sich uneins über die Folgen
Wirtschaftswissenschaftler Jens Südekum dagegen sieht den Kernhaushalt des kommenden Jahres von dem Karlsruher Urteil nicht direkt betroffen. Solange ein Ausgabenstopp im Klima- und Transformationsfonds verhängt würde, könne der Etat 2024 verabschiedet werden. Es sei allerdings ein baldiger Nachtragshaushalt wahrscheinlich. Weil offene Fragen zum Urteil realistischerweise nicht bis Jahresende geklärt werden könnten, solle der Etat trotzdem erst einmal beschlossen werden, rät er.
Im Interview mit t-online sagte Südekum, die Schuldenbremse müsse reformiert werden, denn: "Die Schuldenbremse wird an der Lebensrealität scheitern." Sie wurde als Begründung des Urteils angeführt. Damit Deutschland bis 2045 klimaneutral wird, brauche es aber viel Geld. "Vor vier Jahren rechnete der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) vor, dass knapp 900 Milliarden Euro an zusätzlichen Investitionen nötig seien. Inzwischen, mit dem Eintreten der Energiekrise, dürften es wohl eher 1,5 Billionen Euro in den nächsten zehn Jahren sein", sagte der Ökonom. Das ganze Interview mit Jens Südekum lesen Sie hier.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte, seiner Ansicht nach gefährde das Urteil auch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), aus dem die Energiepreisbremsen gezahlt werden. "In der Begründung bezieht sich das Urteil, weil es so fundamental gesprochen ist, in der Tat im Grunde auf alle Fonds, die aufgesetzt wurden und die überjährig sind", sagte der Grünen-Politiker im Deutschlandfunk.
Wackelt nun der "Doppel-Wumms"?
Damit wären auch Mittel betroffen, die in diesem Jahr bereits ausgezahlt wurden. Denn aus dem WSF flossen bis Ende Oktober bereits 31,2 Milliarden Euro. Konkret: 11,1 Milliarden Euro für die Gaspreisbremse und 11,6 Milliarden für die Strompreisbremse, dazu 4,8 Milliarden für eine Erdgas-Soforthilfe und 3,7 Milliarden Euro Zuschüsse für Netzentgelte. Friedrich Merz hatte bereits eine Untersuchung angekündigt.
Sollte der Bundestag den Haushalt 2024 sowie den Wirtschaftsplan des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) "ohne wesentliche Änderungen im Hinblick auf die Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts beschließen, hielte der Bundesrechnungshof dies für verfassungsrechtlich höchst risikobehaftet", heißt es in der Stellungnahme des BRH.
Auswirkungen auf das Sondervermögen für die Energiepreisbremsen halten die meisten Sachverständigen für denkbar – sie äußern sich jedoch nicht eindeutig zu den Konsequenzen. Am Dienstag sollen die Experten im Haushaltsausschuss des Bundestags eingehend zu ihren Stellungnahmen befragt werden.
- Nachrichtenagentur dpa