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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Bundesfinanzkriminalamt" Das soll Lindners neue Finanzpolizei tun
Deutschland gilt als Geldwäscheparadies – bis jetzt. Eine neue Behörde von Finanzminister Lindner soll dem künftig den Riegel vorschieben.
100 Milliarden Euro – diese Summe entgeht dem deutschen Staat schätzungsweise jedes Jahr durch Geldwäsche. Eine unvorstellbare Summe, die dem jüngst beschlossenen Sondervermögen der Bundeswehr entspricht oder dem fünffachen Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will das ändern und plant deshalb eine neue Behörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität und Geldwäsche. In einer Pressekonferenz am Mittwoch sprach er von einem "Paradigmenwechsel", wonach die "Hintermänner" in den Fokus genommen werden sollen. Kriminelle Netzwerke sollten auf diese Weise identifiziert und trockengelegt werden.
Deutschland als Geldwäsche-Paradies
Das Problem der Geldwäsche in Deutschland ist lange bekannt. International genießt Deutschland seit Jahren den zweifelhaften Ruf eines "Paradieses" für Geldwäsche. Das Prinzip dahinter: Kriminelle speisen illegal erwirtschaftete Gelder in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf ein, indem sie deren Herkunft verschleiern. Die Köpfe hinter solchen Geschäften, die oft mit Bargeld abgewickelt werden, sind nur schwierig zu fassen.
Lindner betonte zwar, man habe in den letzten Jahren bereits Fortschritte bei der Bekämpfung von Finanzkriminalität und Geldwäsche gemacht. Aber die "dicken Fische" schwämmen davon. Jetzt habe man "den Mut zum großen Wurf".
Konzept von Lindner liegen vier Säulen zugrunde
Konkret stützen sich die Pläne des Finanzministers auf vier Säulen. Erstens: ebenjenes Bundesfinanzkriminalamt, laut Lindner eine "forensisch arbeitende Ermittlungsbehörde, die der Spur des Geldes folgt". Das Amt soll Befugnisse zur Fahndung und zur Durchsetzung von Sanktionen erhalten, sein Hauptaugenmerk: "komplexe Finanzstraftaten und Geldwäsche".
Zweitens sollen die Zuständigkeiten für die Durchsetzung von Sanktionen an zentraler Stelle gebündelt werden, diese Kompetenz liegt bisher auch bei den Bundesländern. Die dritte Säule betrifft die Verfolgung von Transaktionen. Heißt zum Beispiel: Wenn bei Banken hohe Summen Bargeld eingezahlt werden oder Notaren bei einem Immobilienkauf etwas faul vorkommt, soll eine Mitteilung erfolgen. Bisher ist hierfür eine Abteilung des Zolls zuständig, die jetzt ins Bundesfinanzkriminalamt integriert werden soll.
Die vierte Säule ist eine "Zentralstelle für die Aufsicht über den Nicht-Finanzsektor" – konkret sind damit zum Beispiel Immobiliengeschäfte oder Spielotheken gemeint. Die Bekämpfung von Geldwäsche ist in diesen Fällen Sache der Bundesländer, Lindner plant, mit der Zentralstelle entsprechende Standards zu definieren und die Arbeit der zuständigen Bundesländer zu koordinieren.
Großes Dunkelfeld
Lindner erhofft sich von der neuen Struktur auch "sichtbare Fortschritte" auf internationaler Ebene. Dies dürfte für die "schlagkräftigere Bekämpfung von Finanzkriminalität" von entscheidender Bedeutung sein: Sie erstreckt sich häufig über Ländergrenzen hinweg, um die Geschäfte undurchsichtig zu machen und dem Zugriff durch Ermittlungsbehörden zu entkommen.
Wie groß die Ermittlungserfolge sein werden, könne er gegenwärtig "nicht seriös beziffern", so Lindner. Und klar ist auch: Das Dunkelfeld in diesem Bereich dürfte enorm sein. Wie groß das Ausmaß der kriminellen Aktivitäten tatsächlich ist, dürfte sich erst mit den intensiveren Ermittlungen der neuen Behörde feststellen lassen.
Das Vorhaben ist noch Gegenstand von Gesprächen innerhalb der Bundesregierung, mit den Ländern und nicht zuletzt mit den Personalvertretungen der betroffenen Behörden. Lindner gab sich am Mittwoch optimistisch: Die bisherigen Rückmeldungen zum Vorhaben des Bundesfinanzministeriums aus Parlament und Ländern bezeichnete er als "ermutigend".
- Pressekonferenz des Bundesfinanzministeriums am 24.08.22
- Mit Material der Nachrichtenagentur AFP