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Reaktionen auf Gaskrise in Europa: Der Waschlappen-Winter


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Reaktionen auf Gaskrise
Der Waschlappen-Winter

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 23.08.2022Lesedauer: 2 Min.
Winfried Kretschmann neben einem Waschlappen (Symbolbild): Die Energiespartipps des baden-württembergischen Ministerpräsidenten kommen nicht bei allen gut an.Vergrößern des Bildes
Winfried Kretschmann neben einem Waschlappen (Symbolbild): Die Energiespartipps des baden-württembergischen Ministerpräsidenten kommen nicht bei allen gut an. (Quelle: IMAGO / Political-Moments & Westend61/imago)

Politiker rufen zum Energiesparen auf, doch viele Menschen können nicht mehr verzichten. Gerade kleine Unternehmen fürchten um ihre Existenz.

An wohlmeinenden Ratschlägen herrscht kein Mangel. Der Waschlappen sei eine brauchbare Erfindung, gibt der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu Protokoll. Wenn schon Dusche, dann kurz und kühl, rät Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Aus westdeutscher Perspektive ist die Gaskrise ernst, kommt aber irgendwie heiter daher. Ganz anders im Osten.

Deutschland werde in den "Ruin getrieben", schreibt die Kreishandwerkerschaft Halle an den Kanzler, und parteiübergreifend finden der Bürgermeister und die Stadträte der erzgebirgischen Stadt Schneeberg, die "Zeit für einen Kurswechsel" bei den Sanktionen sei da.

Was haben der Waschlappen-Winter von Winfried Kretschmann und die Kreishandwerkerschaft von Halle gemein? Nichts. Rein gar nichts. Das ist das Problem. Denn die Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik muss am Ende für beide Gruppen passen. Wenn im kommenden Winter die Spaltung zwischen Ost- und Westdeutschland, zwischen Wohlhabenden und Armen, grünen Bildungsbürgern und konservativen Traditionshandwerkern zunimmt, werden weitere Entlastungspakete kaum helfen.

Verzicht-Debatte ist bürgerlich

In bürgerlichen Kreisen Westdeutschlands ist die Weniger-ist-mehr-Debatte seit Jahrzehnten endemisch. Es ist eine Verzichts-Lust gewachsen: Wenn wir weniger konsumieren, wegwerfen, kaufen, produzieren, werden wir nicht ärmer, wir werden reicher. Wir werden achtsamere Menschen, können ein besseres Leben führen, und die Welt vor der Überhitzung bewahren.

Unabhängig davon, ob man diese Haltung teilt oder nicht, ist sie der Resonanzboden für die Waschlappen-Empfehlung. Das Seiftuch am Morgen, in einer Waschschüssel mit lauwarmer Lavendellauge angefeuchtet, als bewusster Akt zur Förderung der nationalen Energiesicherheit. Klingt doch gut, oder? Das passt in das ohnehin schon geprägte Weltbild der neuen Genügsamkeit. Es hat nur mit echtem Verzicht nichts zu tun.

Der wird anderen zugemutet. Menschen, von denen die Kreishandwerkerschaft in Halle berichtet. Das sind regionale Betriebe, ihre Kunden und Arbeitnehmer, die nach 30 Jahren Strukturwandel nun die nächste existenzbedrohende Krise fürchten. Deren Erspartes von der Inflation gefressen wird. Die nicht drei Generationen Zeit hatten, Sicherheit und Wohlstand aufzubauen, sondern nur eine. Von denen einige in diesen Monaten die Traumata der Vertriebenenschicksale ihrer Familien wieder spüren. Für diese Menschen trägt der Waschlappen kein angenehmes Grüne-Erde-Aroma, für sie riecht er nach Paternalismus, Bevormundung und Überheblichkeit.

Politik muss sich Mikromanagement verkneifen

Eine vernünftige Krisenpolitik würde sich das wohlfeile Mikromanagement in den deutschen Badezimmern verkneifen. Sie müsste sich die Forderungen nach einem "Kurswechsel" nicht zu eigen machen, doch sie würde erklären, was er kosten würde. Die Gaslieferungen werden zurzeit ja nicht durch den Westen, sondern durch Russland selbst beschränkt.

Die Erwartung, Russland werde schon wieder liefern, wenn nur das Handels- und Exportembargo für wichtige Güter aufgehoben würde, wenn die Oligarchen wieder reisen dürften, oder der Geldverkehr nach altem Muster möglich würde, könnte schon aufgehen. Nur, wer soll das umsetzen? Deutschland allein? Das ist kaum vorstellbar. Denn es würde das Ende von Nato und Europäischer Union und eine noch viel tiefere Wirtschaftskrise bedeuten. Das können selbst die nicht wollen, die zu Recht besonders viel Angst vor der Rezession, der Inflation und dem kommenden Winter haben.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt: Die Kanzlerin. Porträt einer Epoche.

Verwendete Quellen
  • Kolumne von Ursula Weidenfeld
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