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Kernenergie: Darum verstromen die Konzerne gerne Gas


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Stromkonzerne hängen am Gas
Atomkraft, nein danke!

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 02.08.2022Lesedauer: 3 Min.
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Das Kernkraftwerk Neckarwestheim (Symbolbild): Die Energiekonzerne haben kein Interesse daran, die Kernkraftwerke länger zu betreiben, schreibt t-online Kolumnistin Ursula Weidenfeld. (Quelle: imageBROKER/Lilly via www.imago-images.de)
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Nicht nur die Grünen tun sich mit einer Laufzeitverlängerung für Akw schwer. Die Energiekonzerne wollen sie auch nicht – ohne Atom verdienen sie besser.

Die Krise bringt seltsame Leidenschaften hervor. Zum Beispiel die, auf der Webseite der Bundesnetzagentur nachzuschauen, wie viel Erdgas gerade zu Strom verbrannt wird. Erstaunlich ist, dass es in den vergangenen Wochen immer noch zwischen sechs und acht Prozent waren. Selbst am vergangenen Wochenende, als die Sonne so kräftig schien und der Wind so böig auffrischte, dass in Deutschland mehr Strom produziert als verbraucht wurde, waren Gaskraftwerke im Einsatz.

Das Geheimnis dahinter ist einfach: Die Stromkonzerne haben nichts davon, wenn Gas gespart wird.

Preise am Strommarkt verändern sich langsam

Der deutsche Strommarkt ist eigentlich simpel strukturiert. Der größte Teil der Energie wird langfristig geplant und zu ziemlich festen Konditionen verkauft. Die Preise hier verändern sich zwar, aber vergleichsweise langsam. Die Musik spielt auf dem Teil des Marktes, auf dem der kurzfristige Bedarf gehandelt wird. Dort kaufen Verbraucher ein, die falsch geplant haben, oder ausfallende Mengen kompensieren müssen. Es verkaufen die, deren Angebot über den Bedarf hinausgewachsen ist, zum Beispiel wenn es – wie am vergangenen Wochenende – viel Sonne und Wind gibt, und andere Kraftwerke trotzdem noch am Netz sind.

Anbieter und Käufer handeln den Strom dort mit wenigen Wochen, Stunden, manchmal nur Minuten Vorlauf. Je kürzer die Frist, desto höher sind die Preisausschläge.

Um die Bestellungen bewerben sich die Kraftwerkbetreiber in einer Auktion. Das preiswerteste Angebot bekommt den Zuschlag. Normalerweise werden zuerst die Kohle- und Atomkraftkraftwerke hochgefahren, und erst ganz zum Schluss die Gaskraftwerke angeheizt. Denn Kohle und Atom sind billig, Gas ist teuer. Der Trick: Je teurer die letzte Kilowattstunde Strom verkauft wird, desto besser für alle Anbieter. Denn der letzte Preis der Auktion ist der, von dem am Ende alle profitieren. Damit wird sichergestellt, dass Strom so preisgünstig wie möglich produziert wird, dass aber auch genug angeboten wird, um noch die letzte benötigte Kilowattstunde liefern zu können.

Mit Gas lässt sich Gewinn machen

In diesen Zeiten, in denen Strom fast immer knapp ist – und in den kommenden Monaten noch knapper wird – zieht die letzte verkaufte Kilowattstunde den ganzen Markt in ungeahnte Höhen. Und dieser Strom wird mit Gaskraftwerken hergestellt. Das ist der geheime Grund für die guten Geschäftszahlen, die die Energiekonzerne von RWE bis Eon zurzeit hinlegen. Sie produzieren massenhaft preiswerten Strom und bekommen ihn zum Goldstandard bezahlt.

Sie haben gar kein Interesse daran, Erdgas aus dem Geschäft zu nehmen – und sie haben keines, mit der Kernenergie weiterzumachen. Denn der eine Rohstoff treibt die Preise in der Stromauktion, der andere würde sie dagegen drücken, wenn er am Netz bliebe. Würden die Kernkraftwerke länger laufen, könnten sie sechs bis acht Prozent des deutschen Strombedarfs stabil decken, ohne dass dafür viel Aufwand nötig wäre. Das würde den Markt dauerhaft entlasten – die Preise aber eben auch.

Ohne Gas wäre Strom billiger

Dazu kommt: Deutschland ist Stromexporteur. In normalen Zeiten nehmen Länder wie Österreich, Norwegen oder Schweden den Deutschen vor allem Strom ab, wenn die Erneuerbaren zu viel liefern, und die anderen Kraftwerke noch am Netz sind. Dann fallen die Preise auf dem kurzfristigen Markt unter die Nulllinie. Damit das Netz trotz des Überangebots stabil bleibt, werden österreichische und skandinavische Wasserkraftwerke dafür bezahlt, mit dem deutschen Strom Wasser in hoch gelegene Staubecken zu pumpen.

Diesmal aber wird auch im Export sehr gut verdient. In Frankreich sind viele Atomkraftwerke nicht am Netz, weil sie gewartet oder repariert werden müssen, oder weil es zu wenig Kühlwasser gibt. Auch Italien und Österreich leiden unter diesem Ausfall und unter dem heißen Sommer. Sie können selbst weniger Strom produzieren als gewohnt. Da springen die deutschen Kraftwerke gerne ein – schließlich sind die Strompreise in Frankreich und Italien zurzeit noch höher als die in Deutschland.

Besser, als jetzt über Übergewinnsteuern nachzudenken, wäre es, die Übergewinne gar nicht erst entstehen zu lassen. Wenn die Stromerzeugung aus Gas auf das absolut notwendige Minimum begrenzt wird, bleibt Strom wenigstens halbwegs bezahlbar. Die Kohlekraftwerke dürfen nach dem Willen der Bundesregierung jetzt wieder ans Netz. Es wird Zeit, dass das auch für die Kernkraftwerke entschieden wird. Der Widerstand der Stromerzeuger speist sich nicht aus Einsicht – sondern aus Gewinnstreben.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt: Die Kanzlerin. Porträt einer Epoche.

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