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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Abgang von Herbert Diess VW tritt auf die Bremse
Er galt als der grüne Reformator unter den Chefs der Autokonzerne. Das brachte Herbert Diess nicht nur Fans ein – und trug zu seinem Sturz bei.
Herbert Diess räumt seinen Posten als Volkswagen-Chef. Diese Meldung ist nur auf den ersten Blick überraschend, denn der Konflikt beim Wolfsburger Autokonzern schwelt schon länger. Im vergangenen Jahr tagte gar ein Vermittlungsausschuss des Aufsichtsrats. "Einvernehmlich" sei die Trennung erfolgt, heißt es nun aus dem Unternehmen. Selbst wenn es stimmt, verkommt es mit Blick auf die vielen Probleme zur Floskel.
Das Herz der deutschen Automobilbranche schlägt gemächlich, jede Veränderung sorgt da für Puls – und Diess war zu nichts geringerem als einem Veränderungs-Dauerlauf angetreten. War er letztlich also einfach zu schnell für Wolfsburg? Immerhin hatte er sich vorgenommen, die altehrwürdige Marke VW weg vom Diesel-Skandal und hin zu einer grünen Vordenkerrolle zu entwickeln.
Wichtige Unterstützer verprellt
Eine dringend notwendige Veränderung, doch mit seinem Führungsstil hat Diess wichtige Unterstützer verprellt. Vor allem in der Belegschaft sorgte sein provokantes Auftreten immer wieder für Irritationen, teils für Angst, letztlich auch für Ablehnung. Ein Affront bei einem Konzern, dem Mitarbeiter oft über Generationen die Treue halten.
Diess eiferte dabei US-amerikanischen Pionieren wie Tesla-Chef Elon Musk nach. Dessen Unternehmen lobte er mehrfach öffentlich (was ebenfalls für Verwirrung sorgte), postete gemeinsame Selfies. Auch sein Vorschlag, Volkswagen einen Fantasienamen zu geben – ähnlich wie der Konzern Stellantis (Fiat, Opel, Peugeot, Citroën) – stieß auf Unverständnis. Am Ende griff sogar Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil ein. So lenkte Diess auch selbst von seinen ambitionierten Zielen für den Konzernumbau ab, bot zu viel Angriffsfläche bei Nichtigkeiten.
Und nun? Kurz gesagt: VW tritt auf die Bremse.
Blume ist weniger präsent
Denn mit Oliver Blume als Nachfolger trifft der Konzern eine sichere Wahl. Bei all dem Ärger in den vergangenen Jahren blieb auch die Diskussion um eine mögliche Diess-Nachfolge nicht aus. Ein Name, der dabei häufig fiel, war der von Blume. Der bisherige Porsche-Chef ist seit 2009 im VW-Konzern, seit 2013 an der Spitze des Tochterunternehmens. Bislang war er deutlich weniger präsent als Diess. In Interviews spricht er über Teamgeist und die Möglichkeiten von Hybridantrieben. Er ist nicht gegen Veränderung, aber anders als Diess ist er auch nicht der Motor dahinter.
Aber selbst wenn er wollte: Einfach da weitermachen, wo Diess aufgehört hat, wird nicht möglich sein. Zum einen braucht es eine deutlich zugewandtere Ansprache für Betriebs- und Aufsichtsrat. Denn letztlich geht es nicht ohne sie – das musste auch Diess lernen.
Dann gilt es ein Software-Problem zu lösen: Bei der Konzerneinheit "Cariad" – einem Diess-Projekt – gibt es deutliche Verzögerungen. Das könnte maßgeblich über den Erfolg der E-Auto-Strategie bei Volkswagen entscheiden. Und dann ist da noch Blumes eigenes Projekt mit dem geplanten Börsengang von Porsche im Herbst.
Die Entscheidung für Blume kann für Ruhe in Wolfsburg sorgen. Bleibt nur zu hoffen, dass diese Ruhe nicht zu bequem wird und die dringend notwendigen Veränderungen in der Branche verhindert.
- Eigene Recherche