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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Steigende Zinsen und Börsen-Boom Wo bekomme ich fürs Sparen am meisten Geld?
Die Preise steigen, die Zinsen ebenfalls – und jetzt auch noch die Börsenkurse. Was ist da los? Und was heißt das für mein Geld?
Für manch einen ist es eine unheimliche Entwicklung: Während die Inflation die Nettoeinkommen der Deutschen auffrisst und im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine jeden Tag Dutzende Menschen sterben, herrscht an der Börse Partystimmung.
Der Absturz aus dem vergangenen Jahr scheint vergessen, seit Jahresbeginn streben die Kurven auf den Kurstafeln in Frankfurt, London und New York nach oben. Zugleich steigen die Zinsen, weil sich die Europäische Zentralbank (EZB) damit gegen die hohe Teuerung stemmt (mehr dazu hier).
Viele Verbraucher, Sparer und Anleger fragen sich deshalb: Was ist da los? Was heißt das alles für mich und mein Geld? Und wie sollte ich es am besten anlegen, um wenigstens einen Teil der Inflation auszugleichen?
Warum gehen die Börsenkurse gerade durch die Decke?
Diese Frage stellen sich derzeit selbst Börsenprofis. Denn: Normal ist es nicht, dass die Kurse von Aktien steigen, wenn die Zentralbanken den Leitzins hochschrauben. Vielmehr sorgen höhere Zinsen sonst dafür, dass Aktien im Vergleich zu Anleihen mit festen Zinssätzen an Attraktivität verlieren. Und weil zugleich Kredite teurer werden, können sich Investoren schwerer Geld leihen, das sie dann in Aktien stecken. Die Folge: Steigende Zinsen führen in der Regel zu fallenden Börsenkursen.
Dieser Zusammenhang scheint derzeit aber außer Kraft zu sein. Die Märkte sprühen vor Optimismus. Seit Jahresbeginn hat allein der deutsche Leitindex Dax um 9,4 Prozent zugelegt. Am Donnerstag – dem Tag der abermaligen Zinserhöhung durch die EZB – schloss er mit 15.509,19 Punkten gar auf dem höchsten Stand seit fast einem Jahr.
Ein Grund, den viele Analysten nennen: Die Zinswende schockiert die meisten Marktteilnehmer nicht mehr, die weiter steigenden Zinsen sind im Börsensprech "eingepreist" – zumindest in der erwarteten Höhe. Hinzu kommen viele gute Nachrichten von den Unternehmen: So trieben zuletzt etwa hohe Gewinne aus der Techbranche die Kurse weiter an, allein die Aktie des Facebook-Mutterkonzerns Meta machte zuletzt einen Sprung von plus 20 Prozent, weil die Gewinn- und Umsatzaussichten besser ausfielen als zuletzt erwartet.
Sollte ich jetzt schnell in Aktien investieren?
"Jetzt schnell" lieber nicht. Allerdings lohnt es sich durchaus, in Zeiten wie diesen, in denen die Aktienkurse über einen längeren Zeitraum wieder steigen, sich mit der Börse zu beschäftigen und einen Teil des Ersparten in Aktien anzulegen.
Doch Vorsicht, ganz grundsätzlich gilt: Überstürztes Handeln, ohne sich vorher ausreichend informiert zu haben, führt in der Regel ins Desaster. Bevor Sie in Aktien investieren, sollten Sie sich mit den Grundlagen der Geldanlage vertraut machen – und beispielsweise nicht alle Eier in einen Korb legen, sondern Ihr Geld breit streuen, etwa mit einem börsengehandelten Indexfonds (ETF). Hilfreiche Tipps für Börsen-Anfänger finden Sie in diesem Artikel.
Die Frage nach dem richtigen Einstiegszeitpunkt an der Börse ist aber ohnehin verfehlt. Denn Aktienkurse lassen sich kurz- und mittelfristig nicht zuverlässig prognostizieren. Sogenanntes Market Timing, also die Strategie, den günstigsten Startzeitpunkt fürs Aktieninvestment zu finden, funktioniert in der Praxis nicht – auch wenn Teile der Finanzbranche das Gegenteil behaupten. Das soll aber nicht heißen, dass Sie nicht trotzdem in Aktien investieren sollten.
"Wir wissen zwar nicht, wohin sich Aktienkurse einzelner Aktien oder die eines breit gestreuten Aktienportfolios in den nächsten drei, zwölf oder 24 Monaten entwickeln werden, aber wir wissen, dass die Anlageklasse Aktien unter allen Anlageklassen die höchste langfristige Durchschnittsrendite hat", schreibt der Wirtschaftswissenschaftler und Vermögensberater Gerd Kommer in einer Kolumne für t-online. Es sei daher wenig rational, am Spielfeldrand zu warten – egal, wie günstig oder ungünstig die Gelegenheit gerade scheint.
Sollten Sie immer noch nicht glauben, dass Sie den richtigen Zeitpunkt für den Einstieg nur zufällig finden können, könnte ein Kompromiss helfen: Investieren Sie Ihr Geld in Teilbeträgen, die Sie über mehrere Monate verteilen oder setzen Sie direkt einen Sparplan auf (mehr dazu hier). So streuen Sie Ihr Investment über die Zeit und sind weniger abhängig von einem einzelnen Startzeitpunkt.
Steigen jetzt die Zinsen für Tages- und Festgeld?
Davon ist auszugehen. Schon in den vergangenen Monaten hatten die Zinsschritte der EZB dazu geführt, dass die Zinsen auf Tages- und Festgeldkonten nach langer Flaute wieder deutlich gestiegen sind. Die Mechanik dahinter ist einfach: Wenn Banken und Sparkassen wieder mehr Zinsen dafür bekommen, dass sie ihr Geld bei der Zentralbank parken, können sie diesen gestiegenen Prozentsatz an ihre Privat- und Geschäftskunden in Form von Sparzinsen weiterreichen.
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Allerdings tun das längst nicht alle Banken. Wie eine aktuelle Auswertung des Vergleichsportals Verivox von 626 Banken und Sparkassen zeigt, bieten zwei Drittel aller Institute noch immer gar keine Verzinsung auf dem Tagesgeldkonto. Insbesondere im regionalen Sektor, also bei den örtlichen Sparkassen sowie den genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken, ist die Zinswende noch nicht voll angekommen. Lesen Sie hier, welche Sparkassen weiter null Prozent Zinsen zahlen.
In beiden Institutsgruppen liegen die durchschnittlichen Tagesgeldzinsen nur knapp über der Nulllinie. Bundesweit verfügbare Tagesgeldangebote bringen hingegen im Schnitt 0,62 Prozent Zinsen. In diesem Segment haben sich die Zinsen seit der ersten EZB-Zinserhöhung mehr als verzehnfacht.
Wo bekomme ich als Sparer am meisten für mein Geld?
Inzwischen bietet ein Dutzend Banken zwei Prozent Zinsen oder mehr auf Tagesgeld an, wie der Vergleich des Finanzportals biallo.de zeigt. Spitzenreiter ist zurzeit eine deutsche Bank: die Bank11. Sie bietet Neukunden 2,3 Prozent Zinsen für sechs Monate bis zu einer Summe von 250.000 Euro. Allerdings sind Sparguthaben laut der gesetzlichen Einlagensicherung nur bis zu einer Summe von 100.000 Euro geschützt (mehr dazu hier). Da das Angebot befristet gilt, lohnt es sich für Sie zudem nur, wenn Sie bereit sind, Ihr Geld anschließend wieder umzuschichten. Tagesgeld-Hopping nennt sich diese Taktik, die nun wieder in Mode kommen könnte.
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"Die Tagesgeldzinsen steigen weiter und ein Ende der Zinsrallye ist nicht in Sicht", sagt Oliver Maier, Geschäftsführer des Vergleichsportals Verivox. "Inzwischen buhlen nicht mehr ausschließlich Banken mit attraktiven Zinsangeboten um Spargelder. Auch einige Broker und Versicherungen locken mit hohen Zinsen von zwei Prozent und mehr."
Tatsächlich hatten zuletzt die Neobroker Trade Republic und Scalable Capital den Druck auf die klassischen Institute erhöht, indem sie das Guthaben auf ihren Verrechnungskonten mit 2,0 Prozent (Trade Republic) und 2,3 Prozent (Scalable) verzinsen. Während sich das Angebot von Trade Republic unter den Besten im Tagesgeldvergleich von Verivox findet, taucht Scalable dort nicht auf. Der Grund: Das Angebot gilt nur für Kunden mit einem kostenpflichtigen Depot. "Ein gutes Tagesgeldkonto ist für Bankkunden kostenfrei, und Sparer können jederzeit in beliebiger Höhe über ihr Geld verfügen", so Maier.
Was ist besser: Aktien oder Tagesgeld?
Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Am Ende gilt wie so oft: Die Mischung macht's.
Tatsächlich empfehlen die allermeisten Experten, jederzeit einen Teil des Geldes in Aktien zu investieren und einen in fest verzinste Anlagen wie zum Beispiel Tages- oder Festgeld. Wie viel genau, hängt von Ihren individuellen Lebensumständen ab:
Sind Sie etwas jünger und planen den langfristigen Vermögensaufbau bis zum Renteneintritt, lohnen sich Aktien in der Regel mehr, weil sie in der Summe der Jahre selbst dann noch höhere Erträge als Sparkonten abwerfen, wenn es an der Börse einmal eine gewisse Zeit bergab geht und das Ihr Depot ins Minus drückt.
Für Tagesgeld spricht dagegen, dass Ihr Geld "nominal" nie weniger wert wird. Gerade jetzt, wo die EZB die Zinsen anhebt, können Sie Ihr Geld nach Jahren des Nullzinses so durchaus wieder vermehren.
Doch Achtung: "Real" schmilzt Ihr Vermögen derzeit selbst dann zusammen, wenn sich die Summe auf dem Konto durch Zins- und Zinseszins erhöht. Denn die Inflation (2022: 7,9 Prozent) frisst den möglichen Zinsgewinn komplett auf und schmälert die Kaufkraft Ihres Ersparten trotzdem weiter.
- Eigene Recherche
- Auswertung des Vergleichsportals Verivox
- biallo.de: "Deutsche Autobank mit 2,30 Prozent aufs Tagesgeld"
- gerd.kommer.de: "Timing des Markteinstiegs – funktioniert es?"