t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeWirtschaft & FinanzenAktuelles

Sylt: Fristlose Kündigung nach Skandal-Video? Das sagt ein Arbeitsrechtler


Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.

"Fehlverhalten" auf Sylt-Party
Droht wegen rassistischem Gegröle nun die Kündigung?


Aktualisiert am 27.05.2024Lesedauer: 3 Min.
Player wird geladen
Sylt: Ein neues Video zeigt den Rassismus-Vorfall aus einer neuen Perspektive. (Quelle: t-online)
News folgen

Auf Sylt haben die selbsternannten Reichen und Schönen im "Pony"-Club gefeiert und rassistische Parolen gegrölt. Einigen von ihnen drohen nun arbeitsrechtliche Konsequenzen.

Der kurze Videoclip schockierte Deutschland: Eine feiernde Gruppe von Menschen in hellen Blusen, feinen Hemden und Sonnenbrillen auf Sylt grölt anscheinend völlig ungeniert und ausgelassen zur Melodie des Partyhits "L'Amour Toujours" von Gigi D'Agostino die Parole "Deutschland den Deutschen – Ausländer raus!"

Das Video ist nur wenige Sekunden lang, trotzdem ist es aufmerksamen Social-Media-Nutzern gelungen, einige der abgebildeten Menschen zu identifizieren. Einigen der Partygäste drohen nun arbeitsrechtliche Konsequenzen durch ihre Arbeitgeber. Dürfen sie fristlos gekündigt werden?

Wer bereits Konsequenzen angedroht hat

Nach Medienberichten arbeitet eine der identifizierten Personen für die Influencerin Milena Karl. Für Milena Karl stand unmittelbar nach Kenntnis dieses Videos außer Frage, dass sie das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung auflösen werde und dies auch bereits getan habe.

Eine weitere identifizierte Person arbeitet mutmaßlich bei einer Marketingagentur aus München. Bereits am Freitagnachmittag veröffentlichte das Unternehmen ein Statement und sprach sich gegen Rassismus aus. In dem Video sei diese Person zu sehen, wie sie eine Geste mache, die sich mit einem Hitlergruß vergleichen lasse. Auch ihr wurde bereits fristlos gekündigt.

Unter anderem prüfen jetzt Bluplanet, Deutsche Bank, Vodafone und Infineon Hinweise auf Fehlverhalten von Mitarbeitenden. Doch was gilt in arbeitsrechtlicher Hinsicht – darf wegen (Fehl-)Verhalten in der Freizeit gekündigt werden?

Besonderer Schutz für Arbeitsverhältnisse

Arbeitsverhältnisse in Deutschland zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern stehen unter einem besonderen Schutz und sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) unter den Paragrafen 626 ff. sowie im Kündigungsschutzgesetz (KSchG) geregelt.

Als rechtmäßige Kündigungsgründe kommen nur verhaltensbedingte, personenbedingte oder betriebsbedingte Kündigungen in Betracht. Diese Arten von Kündigungsgründen gelten als sozial gerechtfertigt. Ein Überblick. Aber wie sieht es nun im konkreten Fall aus, wenn sich Mitarbeiter in ihrer Freizeit "völlig daneben" verhalten.

Kündigung für Verhalten in der Freizeit?

Die arbeitsrechtliche Situation erläutert der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Fuhlrott vom Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte (VdAA). "Bei allem Verständnis für eine solche Reaktion ist eine Kündigung wegen privaten Verhaltens eines Arbeitnehmers nicht ohne Weiteres möglich", so der Arbeitsrechtler Fuhlrott.

Denn das, was der Arbeitnehmer in seiner Freizeit mache, sei grundsätzlich dessen Privatsache. Ein Arbeitnehmer schulde lediglich seine ordnungsgemäße Arbeitsleistung, aber kein Wohlverhalten in der Freizeit, erklärt Fuhlrott. Das gelte im Grundsatz selbst in derartig krassen Fällen wie bei dem aktuellen Geschehen.

In diesem Fall ist auch eine fristlose Kündigung möglich

Arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zu einer fristlosen Kündigung seien aber immer dann möglich, wenn der Arbeitnehmer bei seiner außerdienstlichen Handlung einen Bezug zum Arbeitsverhältnis herstellt.

"Ein solcher Bezug liegt etwa dann vor, wenn ich in Dienstkleidung solche Handlungen tätige. Das Gleiche gilt, wenn ich über mein Profil in den sozialen Medien, das den Arbeitgeber nennt, solche Inhalte poste", erläutert Fuhlrott weiter.

Denkbar könne es auch sein, dass ein dienstlicher Bezug bei Personen hergestellt werde, die für die Öffentlichkeit mit einem Unternehmen "untrennbar" verbunden seien: "Wenn also der CEO eines Unternehmens oder der Pressesprecher sich derartig äußert oder ein Fußballprofi eine Aussage macht, dann wird man eine solche Verbindung ebenfalls ziehen können", so der Arbeitsrechtler.

Besteht ein Bezug zum Arbeitsverhältnis?

"Das wird man je nach Einzelfall zu beurteilen haben", so Arbeitsrechtler Fuhlrott. "Wenn jemand aber für eine Influencerin arbeitet, die in den sozialen Medien präsent ist und gerade dies das Geschäftsmodell ist, so kann es naheliegen, dass auch Handlungen ihrer Mitarbeiter unter besonderer Beobachtung stehen".

In einem solchen Fall müsse auch der Arbeitnehmer damit rechnen, dass sein Verhalten auf den Arbeitgeber zurückfalle. "Der notwendige Bezug zum Arbeitsverhältnis kann dann gegeben sein", erklärt Arbeitsrechtler Fuhlrott.

Ähnlicher Fall mit Reichskriegsflagge in Großraumdisco

Ein ähnlicher Fall, der sich 2017 in einer Großraumdisco auf Mallorca abspielte, verdeutlicht die geltenden, strengen Maßstäbe der Rechtsprechung. In der Diskothek entrollten feiernde deutsche Urlauber eine Reichskriegsflagge. Der Arbeitgeber, der hiervon Kenntnis erhielt, sprach die fristlose Kündigung aus.

Zu Unrecht, urteilte seinerzeit das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Az.: 13 Sa 371/18). Denn es fehle an betrieblichen Auswirkungen, sofern der Arbeitnehmer nicht vorhersehbar davon ausgehen durfte, dass sein Arbeitgeber mit der Handlung in Verbindung gebracht werde, so die Richter in der seinerzeitigen Entscheidung.

Kündigungen sind immer Einzelfallentscheidungen

Fristlos gekündigte Arbeitnehmer, die sich ungerecht behandelt fühlen, haben das Recht, innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einzureichen. Vor Gericht ist stets der Arbeitgeber in der Beweispflicht.

Dass solche Handlungen und ein solches Verhalten wie bei den feiernden Partygästen im "Pony"-Club auf Sylt eine Kündigung nicht rechtfertigen würden, ist natürlich keine Aussage über deren Rechtmäßigkeit. Für Arbeitsrechtler Fuhlrott sind solche Fälle durch das Strafrecht zu behandeln – und im Grundsatz eben nicht nur durch das Arbeitsrecht.

Teilen Sie Ihre Meinung mit

Wie bewerten Sie den Skandal? Schreiben Sie eine E-Mail an Lesermeinung@stroeer.de. Bitte nutzen Sie den Betreff "Sylt" und begründen Sie.

Verwendete Quellen
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website