Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Annäherung an Trump Er werkelt in Musks Schatten
Elon Musk steht im Zentrum aller Debatten um Tech-Giganten. Logisch – so auffällig, wie er sich verhält. Aber auch trügerisch. Denn ein anderer agiert in seinem Schatten. Nicht minder gefährlich.
Auf der einen Seite haben wir Elon Musk. Der bei der Amtseinführung von Donald Trump womöglich den Hitlergruß gezeigt hat. Er macht sich bei X zwar darüber lustig, dass diese Option nun diskutiert wird – aber dementieren oder sich davon distanzieren, das tut Musk nicht. Und mal ehrlich: Wann ist es Ihnen zum letzten Mal passiert, dass Sie aus Versehen gleich zweimal den rechten Arm so gehoben haben, dass die Geste doch relativ stark an den Hitlergruß erinnerte? Sehen Sie. Sagen wir es so: Musk nimmt mindestens äußerst entspannt in Kauf, dass er den Hitlergruß gezeigt haben könnte.
Zur Person
Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf X – wo sie über 120.000 Fans hat. Dort filetiert sie politische und gesellschaftliche Aufreger rund ums Internet. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich. Bei t-online schreibt sie jeden Mittwoch die Kolumne "Im Netz".
Das wird nur deshalb nicht so breit – wie eigentlich nötig – diskutiert, weil das nur einer von sehr vielen krassen Ausfällen des reichsten Mannes der Welt ist. Musk verfügt nicht nur über Massen von Geld und Followern auf seinem eigenen Medienimperium namens X sowie über viele funktionierende Geschäftsideen, sondern auch über ausreichend Irrsinn und ein ausgeprägtes Interesse daran, die Welt brennen zu sehen. Sollte es irgendwann so weit kommen, engagiert er lachend eine Privatfeuerwehr, die ihn aus den Flammen rettet. Musk hat viel Macht und kein Verantwortungsbewusstsein. Das wissen wir. Der mutmaßliche Hitlergruß war dafür gar nicht notwendig.
Die Inszenierung folgt einem Zweck
Wem Trump-Berater Musk mit dieser neuerlichen Demonstration seiner Verdorbenheit einen großen Gefallen getan hat: Mark Zuckerberg. Ausgerechnet.
Auf der anderen Seite steht also "Zuck". Chef von Meta, und damit von Facebook, Instagram, WhatsApp und Threads. Seit einiger Zeit menschelnd in seinem Look (die süßen Löckchen, die lässigen Sweater) und Auftreten. Das Wunderkind, als das er einst gepriesen worden war, das zusammen mit seinen Kumpels in der kleinen College-Bude Facebook entwickelt hatte – es schimmert immer noch durch. Seine eigenen Kinder treten in Erscheinung, Zuckerbergs Frau Priscilla ebenso. Die Inszenierung dahinter folgte einem Zweck: So normal wie möglich erscheint der ebenfalls sehr reiche und sehr mächtige Zuckerberg.
Da ist viel Verdrängung im Spiel
Musk steuerte unfreiwillig seinen Anteil bei an der Reinwaschung von "Zuck": Der ist eben keiner, der manisch und unberechenbar postet. Musk hingegen ist dermaßen irre und unberechenbar, dass jeder seiner Tweets, der sich auf sein eigenes Unternehmen namens Tesla bezieht, immer vorher von einem Anwalt abgenickt werden muss. Zuckerberg aber ist keiner, der Politiker auf der ganzen Welt beleidigt. Keiner, dem man das Zeigen des Hitlergrußes zutraut.
Die Folge: Viele, die X nach Musks Machtübernahme entsetzt und moralisch argumentierend verließen, machten rüber zu Threads, dem Twitter-Klon, den Meta nun anbot. Und vergaßen, dass Zuckerberg schon viel Unheil angerichtet hatte, als Musks öffentliche Dauerkaskaden an Irrsinn noch in weiter Ferne lagen. Schon 2019 schrieb Chris Hughes, einer der College-Kumpel, die Facebook mitentwickelt hatten, in der "New York Times": "Mark ist ein guter, freundlicher Mensch. Aber ich nehme ihm übel, dass sein Fokus auf Wachstum ihn dahin gebracht hat, Sicherheit und Zivilisation für ein paar Klicks zu opfern."
Viele Social-Media-Nutzer verdrängten auch, dass offene Bösartigkeit und provokativ zur Schau gestellte Verantwortungslosigkeit kein Maßstab sein können. Oder besser: dürfen. Nur, weil der eine nicht nur unternehmerisch, sondern eben auch in puncto soziale Auffälligkeit neue Rekorde aufstellt, ist der andere ja nicht plötzlich und automatisch gut.
Er intervenierte meist spät
2021 verklagte die muslimische Minderheit der Rohingya in Myanmar den Meta-Konzern: Der habe zu spät durchgegriffen, als Hass und Hetze auf Facebook zu einem Massaker führten, lautete der Vorwurf. Tatsächlich gab Zuckerberg zu, eigenständig eingegriffen zu haben, als es Anzeichen für die Aufstachelung zu einem Völkermord gegeben habe. Selbst ihm, der die Dinge jahrelang eher einfach laufen ließ, war es da zu heikel geworden.
Erst als sich nun wirklich nicht mehr leugnen ließ, wie massiv Russland eingegriffen hatte bei der US-Wahl 2016, gab Zuckerberg Probleme zu. Erst, als der weltweit wachsende Antisemitismus überdeutlich wurde, verbot Zuckerberg das Leugnen des Holocaust. Zuckerberg ist übrigens Jude.
Er dreht sich in verschiedene Richtungen
Und was ist er sonst? Wer ist er? Fragte dieser Tage auch die deutsche Presse. Denn die Volten, die auch Zuckerberg schlägt, sind zwar nicht so extrem wie die von Musk. Aber auch sie sind beeindruckend.
Während der Corona-Pandemie, als Menschen tatsächlich glaubten, das Trinken von Putzmitteln würde sie vor einer Infektion schützen oder aber zumindest heilen, als die Verschwörungsmythen Hochkonjunktur hatten, griff Zuckerberg durch. Derart bizarre Meldungen wurden entweder gelöscht oder aber zumindest mit Warnhinweisen versehen. Auch als sich abzeichnete, dass die nahezu ungebremste Verbreitung von Hass und Hetze image- und dadurch geschäftsschädigend für sein Imperium werden könnte. Zumindest ein bisschen. Faktenchecker wurden angestellt, Kooperationen dafür eingegangen, Inhalte gelöscht.
Zuckerberg ähnelt Musk sehr
Diese Maßnahmen entsprangen jedoch nicht Zuckerbergs tiefer persönlicher Überzeugung. Das sagt: Mark Zuckerberg. Vielmehr sei er gezwungen worden, so zu handeln. Von der Biden-Regierung. Zu dieser späten "Beichte" kam es interessanterweise erst, als Donald Trump schon gewählt worden war. Dem hatte sich Zuckerberg bereits an den Hals geworfen, als sich Trumps Wahlsieg abzeichnete. Nachdem er sich jahrelang des Vorwurfs zu erwehren hatte, zu links zu sein. Zu woke.
Davon hat er sich jetzt reingewaschen.
Was Zuckerberg ist: ein Opportunist, ein skrupelloser Geschäftemacher vor dem Herrn. Ein mächtiges, schwerreiches Fähnchen im Wind. Und damit ist der ehemalige Unterstützer von Barack Obama, Hillary Clinton und Joe Biden einem Mann sehr viel ähnlicher, als es auf den ersten Blick wirkt: Elon Musk. Zuckerberg geht nur eleganter vor.
- Eigene Meinung
- nytimes.com: "It's Time to Break Up Facebook" (Englisch)