Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Hakenkreuz-Debatte Gute Videospiele haben eine Chance verdient
Bis vor kurzem hatten Videospiele mit Hakenkreuzen in Deutschland keine Chance auf eine Altersfreigabe. Inzwischen können sie unter bestimmten Umständen eine Zulassung erhalten. Unser Autor findet: Es war höchste Zeit!
Hitlergruß und Hakenkreuze in Videospielen? Das ist in Deutschland kein Problem mehr. Dank eines neuen Prüfverfahrens der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) können in Zukunft Spiele, die verfassungsfeindliche Symbole zeigen, eine Altersfreigabe bekommen. Bisher mussten dafür Hakenkreuze und andere Symbole aus solchen Spielen entfernt werden. Auf der Gamescom wurde gerade das erste Spiel vorgestellt, das Nazisymbole zeigt und trotzdem eine Altersfreigabe erhalten hat. Der Titel: "Through the Darkest of Times".
Einige Politiker sind irritiert über diese Entwicklung. Beispielsweise Familienministerin Franziska Giffey. Sie kritisierte die neuen Regeln. Den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte sie unter anderem: "Mit Hakenkreuzen spielt man nicht." Die rechtspolitische Sprecherin der CDU, Elisabeth Winkelmeier-Becker, wird von Zeitungen wie folgt zitiert: "Ich halte das Genre Computerspiel nicht für geeignet, sich angemessen mit dem historischen Unrecht des Nationalsozialismus und dem Leid der Opfer auseinanderzusetzen."
Auch Annelie Buntenbach, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, warnte die Computerbranche, NS-Terror in Spielen zu verharmlosen und davor, "das Verbot des Anwendens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen aufzuweichen", wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet. Manche Nutzer auf t-online.de teilen solche Sorgen. In den Kommentarspalten warnen sie unter anderem davor, dass Jugendliche durch die Symbole in Spielen beeinflusst werden könnten.
- News-Blog zur Gamescom 2018: Erstes Spiel mit Hakenkreuz in Deutschland vorgestellt
- Umdenken bei der USK: Behörde lockert Hakenkreuz-Verbot in Videospielen
- Blöder Zufall oder volle Absicht?: Epic Games entfernt Hakenkreuz aus "Fortnite"
Auch Spiele sind Kulturgut
Ich sage: Die Sorgen der Kritiker sind unbegründet. Denn eines hat sich durch das neue Prüfverfahren nicht geändert: Die Gesetze, die vor einem Missbrauch der künstlerischen Freiheit schützen, gibt es noch weiterhin.
Wer unter anderem verfassungsfeindliche Symbole verbreitet, dem drohen nach Paragraph 86 Strafgesetzbuch bis zu drei Jahren Gefängnis oder eine Geldstrafe. Ausnahme gibt es durch die sogenannte Sozialadäquanzklausel. Die erlaubt Symbole wie Hakenkreuze, wenn sie unter anderem Teil von Berichterstattung, Forschung, Lehre oder Kunst sind. Wer also einen Film mit Nazi-Symbolen dreht, hat nichts zu fürchten – denn Filme gelten in Deutschland als Kulturgut.
Die USK möchte die Sozialadäquanzklausel nun auch bei Spielen anwenden. Warum auch nicht? Videospiele gelten mittlerweile ebenfalls als Kulturgut. Seit 2008 ist der game-Verband Teil des Deutschen Kulturrats. Auf der Gamescom 2017 war sogar Kanzlerin Merkel persönlich bei der Eröffnung anwesend und bezeichnete Videospiele als "Kulturgut".
Warum sollten auch Spiele anders behandelt werden als Filme? Nehmen wir zum Beispiel den Trash-Klassiker "Iron Sky". Der Streifen handelte von Nazis, die wortwörtlich hinterm Mond leben und die USA erobern wollen. Hakenkreuze finden sich da genug. Und wahrscheinlich würden nicht einmal die Macher behaupten, der Film sei dazu da, Jugendliche für Verbrechen der NS-Diktatur zu sensibilisieren. Vielmehr machten sie sich einfach einen Spaß daraus, Nazis (und andere) möglichst dämlich darzustellen.
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Auch Games können die Nazi-Zeit richtig widergeben
Und wer behauptet, Videospiele könnten das Unrecht des NS-Regimes niemals vermitteln, hatte nie eins in der Hand. Da würde mir wahrscheinlich USK-Geschäftsführerin Elisabeth Secker zustimmen. Stecker nannte in einem Interview mit dem Deutschlandfunk "tolle Serious Games", die sich mit der Nazi-Zeit und Widerstand beschäftigen. Sie sagte: "Es ist gerechtfertigt, diesen historischen Kontext auch mit stilistischen Elementen auszumalen."
Das Umdenken in den deutschen Amtsstuben wirkt sich schon jetzt auf das Spiele-Angebot aus. Der Titel "Through the Darkest of Times" ist das beste Beispiel. Das Spiel hat sich die Zulassung mehr als verdient, denn es befasst sich explizit mit dem zivilen Widerstand in Nationalsozialismus. Die USK hat die Demo des Spiels ab zwölf Jahren freigegeben. Sie sieht eine "eine klare Gegnerschaft zum NS-Regime". Eine Verharmlosung des Nationalsozialismus "ist in keiner Weise zu erkennen." Und: "Darüber hinaus werden von 12-Jährigen die klaren ethischen und moralischen Botschaften des Spieles durchschaut."
Auch ältere Titel könnten unter den neuen Regeln eine Chance auf dem deutschen Markt bekommen. Ein Anwärter wäre "Attentat 1942". Das Spiel erzählt die Nazi-Besatzung im "Protektorat Böhmen und Mähren" aus Sicht der Opfer. Die Gestapo hat infolge des Attentats auf Reichsprotektor Reinhard Heydrich den Großvater des Protagonisten verhaftet. Mithilfe von Zeitzeugen versucht der Spieler nun, das Geschehen zu rekonstruieren.
"Attentat 1942" erhielt verschiedene Gaming-Preise und wurde von Kritikern wegen seiner Handlung und historischen Darstellung gelobt. Das Spiel präsentiert dazu auch Archivmaterial aus der Zeit. Entwickelt wurde es hauptsächlich von Historikern tschechischer Universitäten. In Deutschland ist es offiziell nie erschienen. Der Grund: Es zeigt verfassungsfeindliche Symbole wie Hakenkreuze.
Die USK entscheidet von Fall zu Fall
Wer jetzt eine Flut von Hakenkreuzen in Videospiel fürchtet, kann sich beruhigen: Die USK will von Fall zu Fall entscheiden, ob ein Spiel mit verbotenen Symbolen freigegeben werden soll oder nicht. Laut USK-Geschäftsführerin Elisabeth Secker "werde bei der Bewertung künftig sicher auch eine Rolle spielen, in welcher Frequenz und Intensität Hakenkreuze verwendet werden."
Anstatt zu behaupten, dass Videospiele allgemein die NS-Zeit verharmlosen, sollten Politiker sich lieber mehr für politische Bildung von Jugendlichen einsetzen, Schulen entsprechend finanzieren und KZ-Besuche verpflichtetend machen. Alles andere ist Dampfplauderei.
- Deutschlandfunk-Interview mit Elisabeth Secker
- Webseite von Attentat 1942
- Meldung der USK
- Eigene Recherchen