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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Tatort"-Star Harald Krassnitzer "Ich habe erst im letzten Jahr für den Ernstfall vorgesorgt"
Am Sonntag ist Harald Krassnitzer wieder im Wiener "Tatort" zu sehen. Mit t-online hat er über das Älterwerden gesprochen und verraten, was ihm manchmal fehlt.
Seit 24 Jahren ermittelt Harald Krassnitzer als "Tatort"-Kommissar Moritz Eisner in Wien. Zusammen mit seiner Kollegin Adele Neuhauser (als Bibi Fellner) löst er am kommenden Sonntag seinen 30. Fall. Ans Aufhören denkt der Schauspieler kurz vor seinem 25. Tatort-Dienstjubiläum aber noch lange nicht.
Statt über sein Karriereende sinniert der 62-Jährige im Gespräch mit t-online über das Ende des Lebens und über das, was wirklich wichtig ist.
t-online: Wie häufig kommt es vor, dass Fremde Sie nach einer "Tatort"-Folge auf der Straße ansprechen?
Harald Krassnitzer: Das passiert häufiger, ob irgendwo auf der Straße oder am Flughafen, und ich empfinde das als durchaus positiv. Wenn Menschen der Meinung sind, mir dazu etwas sagen zu müssen – sei es, dass sie sich aufgeregt haben, dass sie etwas spannend fanden oder sie etwas bewegt hat –, zeigt es, dass man sie berührt hat. Genau das ist unser Ziel. Dann haben wir unsere Aufgabe erfüllt.
Wir sind in einem Alter, wo wir davon reden, träumen, aber es nur selten zustande bringen, mal richtig schön abzutanzen oder zu feiern.
Harald Krassnitzer
In einer Szene der neuen Folge sinniert das Ermittlerduo Moritz Eisner und Bibi Fellner darüber, dass hemmungslose und ausgelassene Abende im Alter seltener werden. Können Sie das nachvollziehen?
Adele ist 64 Jahre alt, ich bin 62 Jahre alt. Wir sind in einem Alter, wo wir davon reden, träumen, aber es nur selten zustande bringen, mal richtig schön abzutanzen oder zu feiern. Wir haben gar nicht mehr die Zeit dazu: Wir beide haben Familie, viel zu tun und sind sehr disziplinierte Menschen. Dann kommt man gar nicht zu Momenten, in denen man sich wirklich gehen lässt. Insofern geht uns so eine Szene sehr nah.
Wie sehr beschäftigt Sie das Älterwerden?
In den letzten Wochen und Monaten gab es bei mir Freunde oder Familienmitglieder, die schwer erkrankt, oder Menschen, die gestorben sind. Da merkt man, dass man in einem anderen Zyklus des Lebens ist. Man redet mehr über den Tod als über Geburten.
Es ist also gewissermaßen eine erzwungene Auseinandersetzung mit dem Tod?
Definitiv. Man kann das Thema natürlich verdrängen, aber glücklich macht das auch nicht. Diesen Elefanten im Raum gilt es zu benennen: Wir alle sind vergänglich. Der Tod kann uns alle ereilen. Wenn die anderen plötzlich mit 62 oder 63 Jahren Krebs bekommen, merkt man: Das kann auch mir passieren. Ich habe erst im letzten Jahr mit einer Patientenverfügung vorgesorgt. Damit im Ernstfall jemand entscheiden kann, wie es weitergeht, wenn ich das nicht mehr können sollte.
Sie haben mal gesagt, dass Ihnen Zahlen nichts bedeuten. Aber sie ermitteln seit fast 24 Jahren als "Tatort"-Kommissar Moritz Eisner. Wenn Sie je aufhören würden: Müsste Ihre Figur dann den Serientod sterben?
Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Wenn es zum Ausscheiden meiner Figur kommt – was unweigerlich irgendwann der Fall sein wird –, wird es passieren, wie es passiert. Momentan reden wir im Team des Wiener "Tatorts" eher über die nächsten zwei, drei Jahre und schauen, wo diese Reise hingeht. Das macht tierisch viel Spaß.
Sie haben mal darüber gesprochen, wie Sie vor einigen Jahren Ihrer Leidenschaft fürs Theater verfallen waren und scheinbar den Anschluss an Ihr Leben verloren hatten. Wie äußerte sich das?
Ich habe damals eine Psychoanalyse gemacht und mir Zeit genommen, um zu schauen: Wo liegen die Schwerpunkte in meinem Leben? Ich hatte mich total im Theater und in meiner Tätigkeit verloren, aber dabei nicht gemerkt, wie ich mit all den anderen Dingen in meinem Leben kein so glückliches Händchen hatte. Ich habe sehr viel gearbeitet und bin immer in ein Loch gefallen, wenn die Arbeit getan war. Meine Beziehungsfähigkeit war damals extrem eingeschränkt, weil ich nur mit mir selbst beschäftigt war.
Ich habe gelernt, dass mein Beruf – so sehr ich ihn liebe, und so dankbar ich dafür bin – nicht das Wichtigste auf dieser Welt ist.
Harald Krassnitzer
Inwiefern hat sich das mittlerweile verändert?
Heute empfinde ich es als richtig langweilig, immer nur von mir zu reden. Es ist doch viel spannender, auf andere zu schauen und über sie zu reden. Dann entdeckt man, dass es einen so großen Reichtum an Lebensgeschichten und Erfahrungen gibt. Durch die Psychoanalyse habe ich gelernt, mich selbst nicht so wichtig zu nehmen. Und ich habe gelernt, dass mein Beruf – so sehr ich ihn liebe, und so dankbar ich dafür bin – nicht das Wichtigste auf dieser Welt ist.
Was ist dann heute Ihr Lebensmittelpunkt?
Ich setze keine Schwerpunkte mehr, sondern lebe die Dinge und kategorisiere sie nicht. Ich nehme keine Skalierung im Leben vor, denn es ist nicht skalierbar. Es gibt Tage, da steht die Familie im absoluten Zentrum, und das ist dann notwendig, weil es gut ist. Und es gibt Tage, da ist die Arbeit wichtig. Dann gibt es zudem auch Tage, da muss ich allein sein im Garten und über das Leben nachdenken. Und solche, da muss ich darüber mit anderen im intensiven Austausch sein. Insofern ist für mich wichtig: Das Leben zu leben, als Fluss wahrzunehmen und die Dinge gut und anständig zu machen.
Die neue "Tatort"-Folge "Was ist das für eine Welt" mit Harald Krassnitzer als Kommissar Moritz Eisner und Adele Neuhauser als Kommissarin Bibi Fellner läuft am Sonntag, dem 26. Februar 2023, um 20.15 Uhr im Ersten. Hier lesen Sie, ob sich das Einschalten zum neuen Fall lohnt.
- Telefonisches Interview mit Harald Krassnitzer
- Vorabsichtung: "Tatort: Was ist das für eine Welt" vom 26. Februar 2023