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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Tatort"-Star Franziska Weisz "Das war längst überfällig"
Es ist ein besonderer "Tatort", der am Sonntagabend erstausgestrahlt wird. Warum, erklärt Franziska Weisz im Interview mit t-online. Zudem spricht die Schauspielerin über Gehaltsunterschiede und Nachhaltigkeit.
"Schattenleben" heißt der neueste "Tatort" des Ermittlerduos Falke und Grosz (Wotan Wilke Möhring und Franziska Weisz). Letztere zeigt in dem in Hamburg spielenden Film ihre verletzliche, ihre persönliche Seite und steht im Mittelpunkt.
Nachdem Ela, eine frühere Freundin und Kollegin, überraschend in Grosz' Leben tritt und dann urplötzlich wieder verschwindet, schleust sie sich als verdeckte Ermittlerin in eine Wohngemeinschaft linker FLINTA (Abkürzung für Frauen, Lesben, intersexuelle, nichtbinäre, trans und agender Personen) ein, um nach ihr zu suchen. Dort lernt sie Elas Lebensgefährtin Nana (Gina Haller) kennen.
In dem Fall, der am Sonntag, dem 12. Juni 2022 um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen ist, werden nach und nach Dinge aufgedeckt, die Nanas Leben aus den Fugen werfen. Es bleibt spannend bis zum Schluss.
Der "Tatort" ist nicht nur ein besonderer, weil Franziska Weisz' Figur der Julia Grosz erstmals ins Zentrum des Films rückt, sondern auch, weil beim Dreh der sogenannte "Inclusion Rider" angewandt wurde. Im t-online-Interview erklärt die 42-jährige Weisz unter anderem, was das ist und warum es ihrer Ansicht nach eine große Bedeutung hat.
t-online: Bei diesem "Tatort" wurde erstmals in Deutschland der "Inclusion Rider" angewandt. Können Sie knapp erklären, worum es sich dabei handelt?
Franziska Weisz: Der "Inclusion Rider" sorgt dafür, dass marginalisierte Gruppen die Chance haben, bei dem Projekt mitzumachen. Minderheiten werden aktiv involviert. Einer breiten Öffentlichkeit wurde diese Vertragsklausel 2018 durch die Oscar-Rede von Frances McDormand bekannt. Ihre letzten Worte waren da schlicht: "Inclusion Rider".
War das mit Blick auf den "Tatort" notwendig?
Ja, das war längst überfällig. Wir müssen Menschen, die innerhalb unserer Gesellschaft nicht die Chance bekommen, Erfahrungen zu sammeln, diese Möglichkeit geben. Oft werden Absagen damit begründet, dass eine Person nicht genug Erfahrungen habe. Doch da beißt sich die Katze in den Schwanz.
Welche Vorteile hat der "Inclusion Rider" noch?
Unsere Regisseurin Mia Spengler hatte ein tolles Gespür, auf den "Inclusion Rider" zu bestehen. Dadurch befreit man sich von jeglichen Klischees. Die Darstellung beispielsweise queerer Menschen ist viel einfacher, wenn auch am Set queere Menschen mitarbeiten. Die wissen im wahrsten Sinne, worum es geht, das ist etwas ganz anderes, als wenn alle nur den Blick von außen haben.
Muss der "Inclusion Rider" Standard werden?
Auf jeden Fall. Genau wie bei der Quotenreglung war ich erst skeptisch, weil der Gedanke aufkommt, Frauen bekämen Jobs nur wegen ihres Geschlechts. Aber unsere Gesellschaft hatte lange genug Zeit, dass sich Gleichberechtigung von allein eingroovt, doch es ist nicht passiert. Deshalb bin ich sicher, dass es diese Vorgaben braucht. Ich bin optimistisch, dass sich Quotenregelungen selbst obsolet machen, indem mehr Vielfalt bald die Norm wird.
Stichwort: Chancengleichheit von Mann und Frau im Filmgeschäft. Wo stehen wir da derzeit?
Regie gilt als Männerdomäne und was Schauspielerei angeht, gibt es auch mehr Rollen für Männer. Das wird – dank der Quotenregelung – gerade massiv besser.
Inwiefern ist das Ganze eine Männerdomäne?
Ein einfaches Beispiel aus dem Kinderfernsehen: Bei den "Schlümpfen" gibt ganz viele Jungs mit unterschiedlichem Aussehen und unterschiedlichem Charakter – und ein Mädel. Da könnte ich eine lange Liste von Sendungen aufzählen. Erst seit einigen Jahren wird darauf geachtet, dass Mädchen nicht klischiert dargestellt werden. Wir müssen wirklich aufpassen, welche Inhalte wir unseren Kindern erzählen, das zieht sich bis ins Erwachsenenalter.
Wie sieht es aus mit dem Thema Gehalt im Film – Stichwort Gender-Pay-Gap?
Wir wissen alle, dass der Equal-Pay-Day mitten im Jahr ist. In Deutschland war der Tag, bis zu dem wir Frauen im Vergleich zu Männern quasi umsonst arbeiten, 2022 bereits am 7. März.
Bekommen Sie und Ihr "Tatort"-Kollege Wotan Wilke Möhring denn das gleiche Gehalt?
Nein.
Bekommen Sie mehr oder weniger?
Weniger.
Wird darüber gesprochen?
Nein, eigentlich nicht.
Ist das denn fein für Sie?
Mehr will ich dazu nicht sagen.
Wie stehen Sie zum Gendern?
Ich habe mich sehr ans Gendern gewöhnt und finde, es wird immer natürlicher. Außerdem ist es so: Wenn wir von den Zusehern sprechen, sind ein Großteil Zuseherinnen. Warum dann nicht auch Zuseherinnen sagen.
Dennoch wird das Gendern häufig noch ins Lächerliche gezogen – etwa auch in einer Szene im "Tatort".
Das ist albern und kindisch. Man kann auf so viele Arten gendern und muss nicht jedes Mal beispielsweise Zuseher:innen sagen oder schreiben. Einfach von Autorinnen und Schauspielern zu sprechen, ist auch eine Art zu gendern. Man kann das wunderbar machen, ohne es ins Lächerliche zu ziehen.
Noch ein anderes Thema: Sie sind seit 30 Jahren Vegetarierin. Würde auch ein veganes Leben für Sie infrage kommen?
Ich war zwischendurch mal vegan, das lag mir aber nicht. Dennoch meide ich Kuhmilch komplett. Wir haben davon einen absoluten Überkonsum. Für mich ist dieser Verzicht total natürlich, doch vielen Menschen fällt es wahnsinnig schwer, vollständig auf Fleisch oder Milch zu verzichten. Aber das muss auch gar nicht sein.
Was wäre denn Ihrer Meinung nach das Beste?
Die Menge macht das Gift. Wenn wir zu einem gesunden Konsum von Fleisch- oder Milchprodukten finden würden, wäre das ein großer Fortschritt. Unser Planet würde deutlich besser dastehen, wenn sich alle eher wie die Menschen in Indien ernähren würden: sehr fleischarm. Wir Europäer müssten da klar eine Richtung vorgeben: weg von Tönnies und hin zu ein bisschen darüber nachdenken, was man so in sich reinschiebt.
Wie könnte dieses "ein bisschen darüber nachdenken" aussehen?
Wenn man überlegt, "fliege ich oder fahre ich mit der Bahn", sollte man genauso überlegen, auch beim Fleischkonsum mehr abzuwägen. Es muss nicht jeden Tag Fleisch sein – warum nicht zweimal die Woche hochwertiges Fleisch. Die Kosten sind dieselben. Die CO2-Bilanz von Fleisch ist so viel schlimmer als vom Fliegen.
Was machen Sie für Erfahrungen, wenn Sie dieses Thema ansprechen?
Oft wird die Sojakarte gespielt. Ich kriege echt einen Hals, wenn Leute sagen, wegen deines Tofu wird der Regenwald gefällt. Nein: Fünf Prozent der weltweit angebauten Sojabohnen landen in Form von Sojamilch oder Tofu im Kühlregal. Der Rest ist das Futter für Kühe und Schweine und Hühner, die wir im nächsten Schritt essen.
Gibt es noch etwas, auf das Sie aus Umwelt- oder aus ethischen Gründen verzichten?
Ich fahre nur Auto, wenn es nicht anders geht, aber in Berlin so gut wie gar nicht. Da mache ich viel mit dem Fahrrad und den Öffentlichen. Längere Strecken fahre ich mit der Bahn. Zudem habe ich den Konsum von Kleidung stark reduziert. Abgesehen davon ist Plastik minimieren ein großes Thema für mich. Ich mache zum Beispiel seit fünf Jahren Deo selbst. Seitdem habe ich kein einziges Deo mehr gekauft.
Wie denn?
Man braucht nur ein Döschen, das man immer wieder verwenden kann. Da kommt ein bisschen Backpulver rein, ein bisschen Kokosöl und nach Bedarf irgendwas Duftendes, wie ein Tropfen Lavendelöl. Das vermengt man und bekommt das beste Deo – ohne Mineralöle, ohne Aluminiumsalze. Ich stellte mittlerweile viele Sachen selbst her, aber das Deo ist mein Lieblingsprodukt.
Sind Sie ein Bauch- oder ein Kopfmensch?
Ich bin da eine schwierige Mischung. Ich versuche viel mit meinem Kopf auszumachen, aber letztlich rebelliert mein Bauch, wenn der Kopf sich falsch verhalten hat. Kopfentscheidungen bereue ich häufiger, Bauchentscheidungen fühlen sich besser an.
Mit welcher zuletzt getroffenen Bauchentscheidung sind Sie glücklich?
Ich kann leider nicht genau darauf eingehen, aber es ging um eine berufliche Entscheidung: Mache ich dieses oder jenes Projekt? Mir ist es sehr schwergefallen, mich für eines zu entscheiden. Letztlich habe ich auf meinen Bauch gehört und bin überglücklich damit.
Da ging es aber nicht um einen "Tatort"-Ausstieg?
Nein, das nicht. (lacht)
Gab es auch Bauchentscheidungen, die Sie sinngemäß unter Strom getroffen haben?
Ja, tatsächlich. Ich habe mich mal total unvernünftig in einen Konflikt eingemischt. Vor dem Haus meiner Nachbarn wurden am helllichten Tag harte Drogen konsumiert, was ich sehr unpassend fand. Ich habe mich dann mit den Männern heftig angelegt und ihnen gesagt, dass hier Kinder leben. Ich habe gar nicht darüber nachgedacht und bin einfach eingeschritten.
Wie haben Sie sich danach gefühlt?
Ich habe mir gedacht, das hätte auch richtig schiefgehen können, war aber froh, es gemacht zu haben. Ich hätte auch nicht nichts machen können und zum Glück ist ja alles gut gegangen.
- Telefonisches Interview mit Franziska Weisz
- "Tatort: Schattenleben": Vorabsichtung
- Eigene Recherchen