Flutkatastrophe in NRW WDR wird wegen Berichterstattung heftig kritisiert
Die Unwetter in Nordrhein-Westfalen haben eine Flutkatastrophe ausgelöst. Die Folgen sind verheerend, mehrere Menschen starben. Jetzt wird Kritik am WDR laut. Der Sender sei seiner Verantwortung nicht nachgekommen.
Vollgelaufene Keller, Menschen auf Autodächern, unpassierbare Straßen: Die Lage im Westen Deutschlands spitzt sich weiter zu. Neben Rheinland-Pfalz sind das Saarland und vor allem Nordrhein-Westfalen schwer von den Regenmassen getroffen worden. Die Flutschäden sind teils verheerend. Lesen Sie hier alle aktuellen Entwicklungen im Live-Blog.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat mit dem WDR seine größte Landesrundfunkanstalt im Gebiet der Flutkatastrophe. Dort, in NRW, haben bereits mehrere Menschen ihr Leben verloren. Im Kreis Unna kam ein 77-jähriger Mann in seinem überfluteten Keller ums Leben, auch in Solingen bei Wuppertal starb ein Senior in seinem Keller. Am Donnerstagmorgen fand die Feuerwehr zudem in Köln zwei Tote in überfluteten Kellern. Auch zwei Feuerwehrmänner ließen bei Rettungsarbeiten in Altena und Werdohl ihr Leben.
Dass der WDR jedoch kaum oder nur in geringem Umfang von der folgenreichen Flut berichtete, sorgt nun für Unmut. Der Chefredakteur des Medienmagazins "DWDL", Thomas Lückerath, verfasste noch in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag einen Kommentar mit dem Titel "Unterlassene Hilfeleistung: WDR lässt den Westen im Stich" und bezeichnete den Programmablauf des Senders als "Totalausfall". Demnach hätten private Programmanbieter einen größeren Beitrag zur Aufklärung der Bevölkerung geleistet als es der öffentlich-rechtliche Sender getan habe.
Der WDR sendet "Vom Traum zum Terror – München 72"
In Wuppertal sei der private Sender Radio Wuppertal "bis tief in die Nacht live on air mit einer Sondersendung" gewesen. Beim WDR hingegen lief im Radio auf WDR 2 die ARD-Popnacht, im TV war nach 22.30 Uhr nichts mehr zur Wetterlage in NRW zu sehen. Drei Stunden lang ging das so, unter anderem strahlte man im Fernsehen die Doku "Vom Traum zum Terror – München 72" aus.
Auch auf Twitter mehrten sich die kritischen Stimmen. Zum Meinungsbeitrag von "DWDL" erklärte ein User zum Beispiel: "Wenn der Kommentar über die Berichterstattung schneller ist als die Berichterstattung selbst, hast du etwas falsch gemacht." Ein anderer User fragte, wann der WDR eine Sondersendung ins Programm nehme und in einem weiteren Kommentar hieß es, die fehlende Berichterstattung sei bestimmt auch mit der "Urlaubszeit" zu begründen.
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Dabei ist es längst nicht das erste Mal, dass Kritik an der Programmgestaltung des WDR aufkommt. Bei der Berichterstattung vom Unwetter am Pfingstmontag im Jahr 2014 gab unter anderem Wetterexperte Jörg Kachelmann dem Sender eine Mitschuld an den Todesopfern der Flutkatastrophe, weil Menschen nicht rechtzeitig und gut genug informiert wurden. Damals erklärte ein WDR-Sprecher auf Anfrage von Medienjournalist Stefan Niggemeier: "Im Rückblick wäre ein Crawl am Abend im WDR Fernsehen besser gewesen. Das haben unsere Fernsehkolleginnen und -kollegen so nachbesprochen und werden es künftig in vergleichbaren Fällen entsprechend handhaben."
"So beschädigt man die Informationskompetenz der ARD"
Auch die ARD insgesamt und der Hauptsender Das Erste rücken dabei in den Fokus der Kritik. Der ehemalige Studioleiter und Chefredakteur Fernsehen des ARD-Hauptstadtstudios, Ulrich Deppendorf, schoss am Donnerstagmorgen gegen seinen Ex-Arbeitgeber: "So beschädigt man die Informationskompetenz der ARD", hieß es in seinem Kommentar auf Twitter unter anderem.
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Zuletzt war Kritik an der Live-Berichterstattung von ARD und ZDF rund um den Sturm auf das Kapitol in Washington aufgekommen. Als sich die grotesken Szenen in den USA ereigneten, war es in Deutschland bereits später Abend. Die ARD zeigte damals ab 20.15 Uhr den Fernsehfilm "Für immer Sommer 90", unterbrach das Programm lediglich für ein zehnminütiges "Tagesthemen Extra", um dann das Dokudrama "Die Liebe des Hans Albers" zu senden. Wie genau der Sender damals reagierte, lesen Sie hier.
Der WDR hat auf Anfrage von t-online Stellung genommen. "Auf allen Radiowellen gab es halbstündlich monothematische Sonderausgaben der Radionachrichten, Reporter:innen haben über die besondere Situation vor Ort berichtet", heißt es von einer Sprecherin des Senders in Bezug auf die Kritik. Im Internet habe es auf der Senderseite zudem "durchgehend aktualisierte Informationen" gegeben. "Weitere ARD Nacht-Programme, wie die ARD-Infonacht, wurden aus dem WDR-Newsroom mit Informationen versorgt, so dass auch WDR 5 in den Nachtstunden alle 15 Minuten in Gesprächen mit den Korrespondent:innen informieren konnte", heißt es.
Studio in Wuppertal selbst von Sturzflut getroffen
Einsichtig zeigt sich der Sender im Zusammenhang mit den Vorwürfen, aus Wuppertal wäre nicht angemessen berichtet worden. "Wir teilen die Einschätzung, dass der WDR noch umfangreicher aus Wuppertal hätte berichten müssen", sagt die Sprecherin zu t-online und legt die Gründe für das Versäumnis dar: "Allerdings war das dortige WDR-Studio selbst so stark vom Unwetter betroffen, dass es ab 3 Uhr in der Nacht nicht mehr selber senden konnte." Die Studios in Düsseldorf und Köln haben einspringen müssen, Reporter aus der Stadt konnten die Informationen nur noch zuliefern. "Das Studio Wuppertal wird gerade mit Hilfe alternativer Übertragungswege wieder livefähig gemacht", so der WDR.
Am heutigen Donnerstag wolle man beim WDR "fortlaufend und umfassend über das Unwetter und dessen Folgen für die Menschen in NRW" berichten. Sondersendungen seien für 17 Uhr und für 20.15 Uhr geplant. "1LIVE, WDR 2, WDR 4 und WDR 5 haben ihr Tagesprogramm umgestellt und berichten seit heute um 5 Uhr fast monothematisch", ergänzt die Sprecherin zudem abschließend.
- Stefan Niggemeier: "Das Unwetter, Kachelmann, der WDR — und der Fluch der Routine"