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Jan Böhmermann: "Spahn ist der zukünftige Kanzler der Bundesrepublik"


Interview
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Jan Böhmermann
"Spahn ist der zukünftige Kanzler der Bundesrepublik Deutschland"

  • Steven Sowa
InterviewVon Steven Sowa

Aktualisiert am 30.10.2020Lesedauer: 13 Min.
Jan Böhmermann: Mehr als sechs Jahre moderierte er bei ZDFneo eine Late Night Show, jetzt räumt ihm der Sender aus Mainz einen Platz im Hauptprogramm frei.Vergrößern des Bildes
Jan Böhmermann: Mehr als sechs Jahre moderierte er bei ZDFneo eine Late Night Show, jetzt räumt ihm der Sender aus Mainz einen Platz im Hauptprogramm frei. (Quelle: ZDF)

Nach knapp einem Jahr Sendepause tritt Jan Böhmermann wieder ins Rampenlicht. Das ZDF-Hauptprogramm ruft – und damit die große Bühne. Vorab sprach er mit t-online über Verschwörungen, CDU-Ambitionen und Helene Fischer.

Er sitzt vor einer Fliesenwand, vor ihm hängt ein professionelles Studiomikro. Jan Böhmermann trägt an diesem Oktobernachmittag einen schwarzen Kapuzenpullover und gibt schon vor Gesprächsbeginn zu verstehen: der Dresscode sei heute "casual". Corona-bedingt findet das Gespräch virtuell statt. Der Entertainer startet am 6. November mit seiner neuen Sendung "ZDF Magazin Royale". Mit t-online spricht er über diese neue Herausforderung, aber auch über das, was seiner Ansicht nach in Deutschland schiefläuft.

In der Schnellfragerunde im Video erzählt er außerdem von seinem Verhältnis zum Älterwerden und was er zur "heute-show" denkt.

t-online: In einem Clip für Ihre neue Sendung "ZDF Magazin Royale" sehen wir Sie auf dem Lerchenberg. Sie sprechen über das Aufgeben. War aufzugeben für Sie denn jemals eine Option?

Jan Böhmermann: Gelegentlich, so alle sieben Jahre, lasse ich großflächig los. Dinge, die auserzählt sind. Aber die grundsätzliche Einstellung, in der Sache nicht aufzugeben, die habe ich mit Christian Lindner gemeinsam. Das kommt für mich nicht in Frage! Wenn man mal hinfällt, dann steht man wieder auf. Nur so schafft man es an die Spitze des DAX.

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Sie haben in der Vergangenheit mit der Schmähgedicht-Affäre, dem darauffolgenden Polizeischutz für sich und Ihre Familie und zuletzt auch mit persönlichen Daten, die von Polizeicomputern vermutlich im Zuge der NSU 2.0 Affäre über Sie abgefragt wurden, viele Widrigkeiten erlebt: War das der Grund, warum Sie über "Aufgeben" nachgedacht haben?

Ich habe niemals über das Aufgeben nachgedacht. Egal, wie groß die Widerstände waren. Denn die größte Widrigkeit, gegen die ich seit jeher kämpfe, bin ich selbst. Das ist hart, jeden Tag gegen sich selbst aufzustehen, rauszugehen und zu versuchen, sich selber zu besiegen. Dieser Kampf dauert an, mit ungewissem Ausgang. Dagegen sind alle äußeren Herausforderungen Pipifax.

Aber nicht immer ist das so lustig. Juristisch wird ihre Schmähgedicht-Affäre weiterhin vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt.

Wie gesagt, aufgeben ist keine Option. Ganz im Gegenteil: lieber zwei Schritte nach vorne auf dem Rechtsweg als einen zurück.

Sie werden mir doch bestätigen, dass diese juristischen Auseinandersetzungen und persönlichen Bedrohungslagen Sie beschäftigen.

Das kann ich nicht bestätigen. Das sind zwar nicht unbedingt angenehme Begleiterscheinungen, aber das gehört nun einmal zu meinem Job und beschäftigt mich in angemessenem Umfang.

Sind Sie zufrieden mit der Arbeit von Innenminister Horst Seehofer?

Unser Bundesinnenminister ist ein Juwel und gehört entsprechend nach allen Regeln der Kunst geschliffen.

In einem Tweet, für den Sie sich kürzlich im Nachhinein entschuldigten, wählten Sie drastischere Worte.

Das liegt hinter mir. Ich habe mich mit dem Bundesinnenminister ausgesprochen. Auf Twitter.

Horst Seehofer hat aber gar keinen Twitteraccount.

Er hat einen Account, aber das ist nicht sein offizieller, sagt er. Wenn ich genauer drüber nachdenke, könnte es möglich sein, dass ich von einem russischen Troll hereingelegt wurde und mit ihm zwei Wochen lang sehr intensiv mit vielen persönlichen Nachrichten in Kontakt stand. Ich bin mir aber sicher, dass es der Bundesinnenminister war, der mir nachts um drei Uhr Bilder von seiner prächtigen Modelleisenbahnlok geschickt hat.

Ständiger Gegenpol von Horst Seehofer war und ist Angela Merkel. Doch auch die Kanzlerin ist Ihnen damals in den Rücken gefallen, als sie im April 2016 öffentlich bekundete, dass sie das Gedicht als "bewusst verletzend" bewertet. Nächstes Jahr endet nun Merkels letzte Amtszeit. Ist das für Sie Grund zur Freude?

Ich bin ein großer Fan von allen Menschen, die gerade an der Macht sind. Alles andere würde ich mich niemals trauen, öffentlich zu sagen. Aber ich kann Ihnen an dieser Stelle verraten, dass es für mich inzwischen einen anderen Kanal gibt, auf dem ich mich austauschen kann. Ich habe in letzter Zeit mit vielen Leuten nachts sehr lange telefoniert und mir eine tolle App auf mein Handy geladen. Das ist total irre. Dort erfährt man Fakten, die eher aus dem Bauch heraus kommen, statt aus dem Kopf.

Sie sprechen von Telegram und spielen auf Michael Wendler und seine diffusen Corona-Verschwörungen an.

Nun ja, Verschwörung? Die einen sagen so, die anderen sagen so.

Beobachten Sie diese verschwörungsideologischen Entwicklungen mit Sorge oder eher mit Belustigung?

Mit sehr viel Erstaunen und großer Begeisterung. Dieses Prinzip, dass ein Medium sagt, was Sache ist, ist anscheinend von gestern. Bei Telegram ist alles so viel facettenreicher, dort bekommt man Meinungen auch von Leuten, die nicht so im Mainstream verhaftet sind. Ich bin da tatsächlich seit ein, zwei Wochen verstärkt eingetaucht. Es ist wichtig, zu wissen, was der Markt denkt und der ist zurzeit offensichtlich auch bei Telegram zu finden. Deshalb nutze ich das auch als Quelle. Vielleicht wird das meine Alternative zu Facebook – die Plattform, wo früher die manipulierbaren Idioten saßen.

Eine Plattform, die keiner Kontrolle unterliegt und bei der anonym verfassungsfeindliche Dinge verbreitet werden können, sollte Ihnen doch ein Dorn im Auge sein.

Es ist ein unregulierter Raum, bei dem der Staat absolut keine Ahnung hat, was passiert. Für Anarchisten ist das toll.

Experten für Verschwörungsideologien weisen immer wieder daraufhin, dass es nicht zur Belustigung dienen sollte, was dort passiert. Das kann zu einer ernsthaften Gefahr werden. Es wurden schon 5G-Masten zerstört, im Glauben, 5G wäre schuld an der Coronavirus-Pandemie. Sollte man sich über die Vernetzung von Verschwörungsideologen also wirklich lustig machen?

Nein, überhaupt nicht. Sie als Medienschaffender und ich als Spaßvogel wissen ja um die Gefahren von Telegram. Aber solange der Staat das nicht schnallt und solange er dort nicht eingreift, nicht sieht, was dort passiert, kann und müssen wir das als Realität hinnehmen. Es gibt einen großen, dunklen, unregulierten und ungeordneten Raum bei Telegram. Ideal für uns Anarchisten und andere Leute, die machen, was sie wollen, ohne dass ihnen der Staat hineinpfuschen kann.

Also ist es nicht an der Zeit, sich diesen Plattformen gegenüber anders zu verhalten?

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Ja, ganz dringend.

Verschläft der Staat hier etwas ganz Existenzielles?

Ja natürlich und das seit Jahren. Es ist auch nicht abzusehen, dass sich das in nächster Zeit ändert. Genau wie mit Pornographie im Netz. Das kriegen unsere Kinder kostenlos, ohne Jugendschutzbarrieren und rund um die Uhr seit 20 Jahren. Einfach "Sex", "Anal" und wahlweise "Pussy" oder "Cock" bei Google eintippen und man hat sofort 3.000 Treffer, mit entsprechendem Material. Solange zuständige Institutionen wie Medienaufsicht, Bundesprüfstelle oder Staatsanwaltschaften nicht in der Lage sind, regulierend einzugreifen, geht die irre Party im Netz weiter.

Telegram ist im Internet aber nur ein kleines schmuddeliges Kellerfenster in einem Hochhaus voller großer Panoramascheiben, durch die die Welt in unterschiedlichen Blickwinkeln sichtbar wird. Ist diese Plattform also derart wirkmächtig oder handelt es sich nur um eine kleine Minderheit, die momentan medial sehr viel Aufmerksamkeit bekommt, weil Z-Promis wie Michael Wendler, Xavier Naidoo oder Attila Hildmann dort ihr Unwesen treiben?

Vielleicht ist es noch zu früh, das zu bewerten. Ich finde es jedenfalls faszinierend, dass Ordnungsbehörden nicht in der Lage sind, dem Herr zu werden. Sowohl im digitalen als auch im echten Leben.

Sie meinen bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung, wie jüngst am 25.10.2020?

Bei den Bildern aus Berlin war ich schon überrascht, was Menschen sich so alles vor einem Polizeiwagen erlauben dürfen. Wenn ich das mit anderen größeren Einsätzen der Polizei vergleiche, habe ich Wasserwerfer schon deutlich schneller in Aktion gesehen. Vielleicht funktionieren die nicht gegen rechte Corona-Spinner? Ein Polizist soll auf die Frage, warum nicht härter durchgegriffen wurde, geantwortet haben: Man wolle unschöne Bilder vermeiden. Es war mir neu, dass das für die Berliner Polizei eine Kategorie ist: unschöne Bilder vermeiden. Die Sicherheitsbehörden sind ein Juwel – da bin ich wieder ganz beim Bundesinnenminister.

Wie lautet Ihre Kritik an diesen Zuständen?

Jeder darf glauben, was er will. Menschen dürfen auch Blödsinn glauben. Aber ein Staat sollte in der Lage sein, Grenzen zu setzen und zu sagen: bis hier hin und nicht weiter. Als konservativer Radikaldemokrat würde ich mir wünschen, dass das auch andere so kompromisslos sehen wie ich.

Wie schwer ist der Drahtseilakt für Sie als Komiker, diese Dinge einerseits humoristisch zu verarbeiten, aber auch abzuwägen, wie diesen Spinnern nicht zu viel Forum geboten wird?

Mit dem "ZDF Magazin Royale" treten wir jetzt die Nachfolge von "Aspekte" an, was den Sendeplatz nach der "heute-show" angeht. Entsprechend bleibt für die Zuschauerinnen alles wie bisher um die Zeit: man weiß nicht, ob man lachen, weinen oder einfach nur staunen soll. Vielleicht machen wir auch eine Show, bei der man sich mit alternativen Inhalten befasst, die man sonst nicht so im Fernsehen zu sehen bekommt?

Das klingt, als wüssten Sie noch gar nicht, was Sie machen wollen. Sie arbeiten doch seit Monaten an der Vorbereitung der Sendung.

Ich war Corona-bedingt seit Monaten nicht mehr im Studio. Mit meiner Redaktion tausche ich mich nur online aus. So eine Sendungsvorbereitung ist ungewöhnlich, menschlich fehlt da etwas. Es ist schon eine gewisse psychische Wackligkeit zu spüren bei mir. Wir müssen permanent aufpassen, dass es zu keiner Infektion kommt und die Sendung plötzlich auf der Kippe steht. Der Inzidenzwert in Köln ist auf über 200 gestiegen – wir sind hier voll im Risikogebiet. Was die Inhalte und Themen für die erste Sendung angeht: Sie können mir glauben oder nicht, aber die werden sich erst im Laufe der Woche ergeben.

Ihr erster Sendetermin ist auffällig. Sie starten am 6.11. und damit lediglich drei Tage nach der US-Wahl. Zufall?

Es kann sein, dass wir am 6.11. den größten Prank aller Zeiten präsentieren und auflösen, dass wir für vier Jahre einen Wahnsinnigen im Weißen Haus platziert haben, um unseren Nato-Partner, die Vereinigten Staaten von Amerika, zu destabilisieren. Lassen Sie sich überraschen.

Nach dem 3.11. könnte es spannend werden – in jeglicher Hinsicht. Bürgerkriegsähnliche Zustände sind möglich, Donald Trump könnte eine zweite Amtszeit bekommen …

… Oder beides gleichzeitig! Bürgerkrieg und Trumps zweite Amtszeit.

Spielen solche weltpolitischen Großwetterlagen in Ihren Sendungsplanungen eine Rolle?

Man muss die Dinge nehmen, wie sie kommen. Wir sitzen zwar in Köln, aber so ein bisschen strahlt die Mainzer Gelassenheit auf uns ab. Meine Kolleginnen und ich sind zuversichtlich, dass wir das Weltgeschehen unterhaltsam verarbeitet bekommen. Zwar selten sehr gut, aber überwiegend okay.

"Selten sehr gut", sagen Sie. Was ist Ihnen denn gut geglückt?

Das möchte ich den Zuschauern selbst überlassen. Aber ein paar Dinge sind schon sehr gut gelungen. Das sind bloß leider oft nicht die Nummern mit den großen Klickzahlen.

Nun sagen Sie schon: Was ist Ihnen besonders gut gelungen?

Ich finde nach wie vor, dass wir mit unseren "Wetten, dass..?"-Formaten einen großen Spaß veranstaltet und uns angemessen am Original vergangen haben. Und das bereits mehrmals, zuletzt sogar mit Jens Spahn als Gast. Dem heutigen Star-Gesundheitsminister und zukünftigen Kanzler der Bundesrepublik Deutschland.

Denken Sie das wirklich? Jens Spahn wird Bundeskanzler?

Selbstverständlich! Das einzige, was Jens Spahn davon abhält, über Armin Laschet herüberzufahren, sind Anstand und Moral. Und wie lange einen das in der Politik zurückhält, das können wir an fünf Fingern abzählen. Ich gebe ihm noch zwei, drei Jahre, dann bricht sich seine glühende Ambition Bahn.

Zurück zu Ihrer neuen Sendung: Was haben Sie eigentlich vor? Mehr Ernsthaftigkeit und Investigatives oder doch Unterhaltung?

Wir laufen direkt nach der "heute-show" und müssen dementsprechend gut gelaunte Jugendliche unter 62 Jahren entspannt in die Nacht geleiten und die Kulturinteressierten bei der Stange halten, damit sie bei "Aspekte" dann endgültig einschlafen. Oder versterben – das ist beim ZDF-Publikum am Freitagabend statistisch auch relativ häufig der Fall.

Was wollen Sie in Zukunft nicht mehr machen?

SPD-Vorsitzender werden. Ich sehe meine Chancen bei der CDU. Der Parteitag ist im Frühling nächsten Jahres, falls Friedrich Merz und Werte-Union nicht einen christdemokratischen Militärputsch anzetteln bis dahin. Ich sehe mich da neben Laschet, Merz und Röttgen als Bremer Wildcard-Kandidat.

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Warum sollten Sie als CDU-Kandidat mehr Chancen haben als als SPD-Kandidat?

Ich habe die Verbissenheit von Friedrich Merz, ich habe den Sexappeal von Norbert Röttgen, ich habe dieses ausgleichende, Konsenssuchende von Armin Laschet und ich bringe eine ganz eigene Note rein, denn ich habe den Pfiff.

Politisch sind Sie offenbar sehr flexibel …

Auf welcher Seite der Großen Koalition man sitzt, ist letztendlich egal. CDU, SPD: Wo sind denn da noch die Unterschiede? SPD ist der Junge aus der Arbeitersiedlung, der raus will – das war ZDFneo. Und jetzt ist CDU angesagt: gesettelt, Erfolg und Reichtum verteidigen und nach unten boxen.

Sie sind jetzt näher dran an der Intendanz des ZDF. Es wird schwärzer.

Dem möchte ich in aller Form widersprechen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Intendant irgendeine parteipolitische Präferenz hat. Ich schätze ihn politisch, irgendwo grob mittig zwischen KPD und NPD ein.

Sie haben das Durchschnittsalter des ZDF-Publikums schon angesprochen. Sind Sie für die 62-Jährigen jetzt das junge Ross, das für die Verjüngungskur ihres Senders ins Rennen geschickt wird?

Es gibt Gerüchte über Silicon-Valley-Milliardäre, die sich, damit sie ewig jung bleiben, das Blut von jungen Menschen unter 30 in die Venen spritzen. Ein bisschen ist das jetzt auch so mit meinem Team und mir im ZDF-Hauptprogramm. Wir werden einmal die Woche zum Aderlass gebeten, um unser junges Blut per Pipeline nach Mainz zu pumpen.

Die neue Aufgabe klingt kräftezehrend.

Es ist eine deutlich kompliziertere Denksportaufgabe. Wir müssen jetzt nicht jede Woche kunstvoll ein Tor schießen, sondern sollten mindestens einen schmutzigen Punktsieg erringen. Das ist schon etwas anderes. Oliver Welke erreicht mit der "heute-show" ein Milliardenpublikum. Wir hatten bei ZDFneo, wenn es gut lief, 500.000 Zuschauer. Das wird also ein großer Spaß für alle im Hauptprogramm.

Was ändert das für Ihre Herangehensweise an die neue Sendung?

Ich muss jetzt volkstümlich denken. Ich stehe bereits mit dem Management von Helene Fischer in Kontakt und verhandle darüber, dass sie in Sendung eins an einem Drahtseil vom Studiodach baumelt und "Atemlos durch die Nacht" singt.

Wäre es nicht andersherum noch eindrucksvoller: Helene Fischer moderiert und Sie hängen von der Decke?

Das predige ich seit Jahren. Aber ZDF-Unterhaltungschef Oliver Heidemann hat Sicherheitsbedenken und möchte mich im Rahmen einer Helene-Fischer-Show nicht zu nah an die Künstlerin heranlassen.

Ist das ZDF immer die Bremse für Ihren Ideenmotor?

Niemals! Das ZDF ist immer das Gaspedal bei durchgedrückter Kupplung.

Gerhard Löwenthal und sein "ZDF Magazin" dient Ihnen als Vorbild. Wenn man sich diese Sendung heute anschaut, erinnert das an Frontalunterricht der ganz alten Schule.

Das was ich mache, ist Frontalunterricht der alten Schule. Mit Pfiff und Augenzwinkern. Wir haben Gerhard Löwenthal seit sieben Jahren zum Vorbild und nun bekommen wir endlich seinen Sendungstitel, weil wir im Hauptprogramm laufen. Auch das Rundfunktanzorchester Ehrenfeld wird sich musikalisch an das historische "ZDF Magazin" anlehnen.

Neben der Musik bedeutet das für die Inhalte der Sendung also auch: tiefgründige Analysen und politischer Zeitgeist.

Wahrscheinlich. Und man darf sich beim Zuschauen nach Herzenslust ärgern und aufregen.

Was meinen Sie damit?

Ich habe es ganz gerne, wenn Zuschauerinnen zu gleichen Teilen "Buh"-Rufe anstimmen und klatschen.

Das Polarisieren liegt Ihnen am Herzen oder?

Polarisieren ja, aber mit totaler Brückenbauer-Mentalität. Die, die in der einen Woche geklatscht haben, buhen in der nächsten und umgekehrt.

Liegt das daran, dass Ihr Humorkonzept darauf basiert, Widersprüchlichkeiten offenzulegen?

Es geht darum, dem Widerspruch Verbindendes entgegenzuhalten oder leichtsinnigem Konsens laut zu widersprechen.

Haben Sie bei den Entwicklungen der letzten Monate eigentlich mal gedacht: Jetzt wäre es schön, eine eigene Sendung zu haben, um ein bisschen aufrütteln zu können?

Absolut. Im Dezember war das "Neo Magazin Royale" zu Ende und danach traf die Scheiße auf den Ventilator. Ein Dreivierteljahr hätten wir jede Woche eine fantastische Sendung machen können. Und jetzt, wo alle in Deutschland wieder röchelnd am Boden liegen und in ein paar Tagen wieder erneut Kneipen zu sind und Homeschooling auf der Agenda steht, keiner mehr irgendwie Kraft hat, da kommen wir.

Was waren Ihre Ideen? Was hätten wir von Ihnen zu sehen bekommen?

Ich hätte gerne ein Virologen-Musical mit Christian Drosten, Hendrik Streeck und Alexander S. Kekulé in den Hauptrollen geschrieben, groß inszeniert und aufgeführt.

Mit Musical-Nummern wird es schwer in Pandemiezeiten, und auch mit Gästen. Wie sehen Ihre Pläne aus?

Es lässt sich schon alles irgendwie lösen. Gäste wird es im "ZDF Magazin Royale" nicht bei jeder Sendung geben. Und wenn wir welche brauchen, angeln wir sie uns direkt in Hamburg, kurz bevor sie zu Markus Lanz gehen. Ob es Heiner oder Karl Lauterbach sein wird? Wir werden sehen.

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Wenn eine Pandemie wie jetzt über die Erde rollt und etwas nie Dagewesenes über uns hereinbricht, stellt sich die Frage: Welche Prinzipien haben Sie sich auferlegt, um Gesellschaftsphänomene unter ihr satirisches Brennglas legen zu können, aber gleichzeitig auch mit angemessenem Fingerspitzengefühl nicht die Ernsthaftigkeit der Lage aus dem Blick zu verlieren?

Es ist ein fröhliches Festhalten am Lenkrad. Man darf trotz veränderter Wetterbedingungen nicht von der Straße abkommen. Die Straße ist nach wie vor da, die Leitplanke ist da, die Fahrbahnmarkierung ist da und wenn es regnet, schaltet man den Scheibenwischer an und wenn Nebel aufzieht, schaltet man den Nebelscheinwerfer an.

Mal weg von der Metaphorik: Woraus besteht dieses Lenkrad in der Humorarbeit?

Die richtigen 51/49-Entscheidungen zu treffen. Und wenn man sich entscheidet, muss man auch durchziehen. Das ist die Essenz.

Entscheiden Sie das in letzter Konsequenz? Oder ist das ein demokratischer Prozess?

Fernsehen ist Gruppenarbeit, aber weil ich meine Visage dafür hinhalte, behalte ich mir auch vor, die letzte Entscheidung zu treffen. Es ist eine freundliche Diktatur mit demokratischem Antlitz.

Hat diese "freundliche Diktatur mit demokratischem Antlitz", wie Sie es nennen, damals bei der Schmähgedicht-Affäre nicht funktioniert?

Nein, überhaupt nicht. Mein juristisches Proseminar über Schmähkritik war eine absolut korrekte und präzise Nummer und das ist sie auch heute noch. Ich würde alles wieder so machen. Macht Erdoğan ja auch. Nur heute weiß schon jeder, dass der türkische Präsident ein autoritärer Despot ist, dem Menschenrechte, Meinungs- und Pressefreiheit scheißegal sind. Und nicht zuletzt wissen das heute alle, weil meine Berufskolleginnen und ich unsere Jobs konsequent machen.

Ist das also die Gefahr, die mit Ihrem Job einhergeht: Jederzeit nach einer getroffenen Entscheidung derjenige sein zu können, der danach frei unter Beschuss steht?

Ja, klar. Dass man mal daneben ballert, gehört dazu. Ich bin kein Journalist, sondern professionelle Krawallschachtel. Aber die Torbilanz der letzten Jahre ist ganz okay. So kann es gerne weitergehen.

Die Inzidenzzahlen zur Corona-Infektionslage, die im Interview genannt werden, basieren auf Daten vom 28. Oktober 2020. Das Gespräch mit Jan Böhmermann hat zwei Tage zuvor, am 26. Oktober, stattgefunden.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Jan Böhmermann
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