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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nius muss zahlen Wütender Reichelt log über Böhmermann-Mitarbeiter
Der frühere "Bild"-Chef Julian Reichelt verbreitete auf dem Portal "Nius" eine Falschbehauptung. Obwohl diese verboten wurde, blieb sie auf dem Portal stehen. Eine Strafe ist nun die Folge.
Das Krawall-Portal "Nius" muss dafür zahlen, dass dessen Chefredakteur Julian Reichelt einen Mitarbeiter von Jan Böhmermanns "ZDF Magazin Royale" diffamiert und die Aussage trotz Verbots nicht entfernt hat. Das Landgericht Köln verhängte in einem Zwangsvollstreckungsverfahren ein Ordnungsgeld von 500 Euro.
Dem Rechtsstreit vorausgegangen war eine Recherche von Böhmermanns Team zur Arbeitsweise von "Nius". Das Portal gehört der Firma Vius SE & Co KgaA des Koblenzer Multimillionärs Frank Gotthardt. Gotthardt hat gerade zusammen mit seiner Frau mehr als 380.000* Euro an FDP und CDU gespendet. Er selbst verortet sein Portal "rechts von der Mitte".
Das Böhmermann-Team hatte herausgefunden, dass "Nius" etwa von der t-online-Seite Beiträge wörtlich kopiert, veröffentlicht und später gelöscht hatte. Brisant war auch ein Fund im Quellcode der Seite: Die Österreicherin Magdalena Menegus aus dem Umfeld der rechtsextremen "Identitären Bewegung" war vielfach als "Autorin (extern)" aufgetaucht. An Reichelt stellte die Redaktion daraufhin eine Anfrage mit der Bitte um Stellungnahme, die er nicht beantwortete.
Reichelt wusste also, was ihn in dem ZDF-Beitrag erwarten würde. Er nahm die Recherche offenbar so ernst, dass er am 5. Dezember ein Video mit dem Titel: "Böhmermann will Nius zerstören" publizierte. Darin ging er vorab auf den Beitrag ein, der erst am nächsten Tag von Böhmermann aufgezeichnet und im ZDF ausgestrahlt werden sollte.
Behauptung um mögliche Judenfeindlichkeit
Reichelt beklagte, dass es der "jungen Kollegin" – der von Böhmermann öffentlich gemachten Autorin Menegus – aufgrund von Anfragen der Böhmermann-Redaktion nicht gut gehe. Während Böhmermanns Informationen über Reichelts Kollegin allerdings stimmten, verbreitete der "Nius"-Chef in dem Video eine falsche Behauptung über einen Reporter des Böhmermann-Teams, den Investigativjournalisten Daniel Laufer. So rechnete Reichelt Laufer zu jenen "Deutschen, die gern Juden verhaftet sehen wollen". Reichelt behauptete, Laufer wünsche sich die Verhaftung von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu auf deutschem Boden. Das zeige Laufers Profil auf der Plattform X.
Doch worum ging es dort? Laufer hatte zwei Wochen zuvor einen Tweet des "Spiegel"-Auslandschefs Mathieu von Rohr geteilt – so wie rund 250 andere Nutzer auch. In dem verlinkten "Spiegel"-Kommentar ging es ausführlich um den Widerspruch der deutschen Politik, einerseits den Internationalen Strafgerichtshof zu unterstützen, sich aber beim Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu "wegzuducken".
Für das Kölner Landgericht bot bereits der "Spiegel"-Kommentar keinen Anhaltspunkt für den "Wunsch der Verhaftung Netanyahus auf deutschem Boden oder einen Verhaftungswunsch aufgrund seiner jüdischen Abstammung und/oder seines jüdischen Glaubens". Deshalb sei Reichelts Darstellung keine auf Tatsachen fußende Schlussfolgerung, sondern eine aus der Luft gegriffene Wertung. Der Attacke auf den Reporter fehle es an hinreichender Tatsachengrundlage, so das Gericht.
Am 23. Dezember verfügte das Landgericht Köln deshalb, dass die Firma Vius, die Firma hinter "Nius", die Reichelt-Behauptung zu unterlassen habe, andernfalls seien bis zu 250.000 Euro zu zahlen. Noch am selben Tag wurde die Entscheidung laut Gericht von Amts wegen zugestellt. Laufers Anwalt schickte sie am 3. Januar ebenfalls an den Vius-Vertreter. Doch "Nius" missachtete das Verbot.
"Nius" änderte zunächst nur auf YouTube
Fünf Tage später, am 8. Januar, war der Beitrag immer noch unverändert als Video auf der "Nius"-Plattform zu finden, lediglich auf YouTube war an der betreffenden Stelle Reichelt der Ton abgedreht. An diesem Tag beantragte Laufers Anwaltskanzlei ein Ordnungsgeld gegen Vius und bekam Recht: Das Reichelt-Portal habe schuldhaft gegen das Verbot vom 23. Dezember verstoßen, so das Landgericht am 17. Januar in seiner zweiten Entscheidung in der Sache (28 O 296/24). Der Beschluss liegt t-online vor. Binnen zwei Wochen ist sofortige Beschwerde dagegen möglich.
Dass auch auf "nius.de" das Video einen Tag nach dem Ordnungsgeld-Antrag geändert wurde, kam zu spät. Vius konnte auch mit der Entschuldigung nicht überzeugen, man sei davon ausgegangen, dass mit der Veränderung des YouTube-Videos die Äußerung generell entfernt worden sei. Laut Vius-Vertretern sei übersehen worden, dass das Video auf "nius.de" gar nicht von YouTube, sondern von einem anderen Server geladen werde. Das können allerdings auch technisch wenig versierte Nutzer erkennen.
Vius argumentierte auch mit niedrigen Abrufzahlen: In dem Zeitraum nach der Zustellung der Verfügung bis zur Löschung hätten weniger als zehn Nutzer mit einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von 12 Sekunden das Video aufgerufen. Aus Sicht von Vius zusammengefasst "allenfalls ein geringfügiger Verstoß". Doch auch das überzeugte das Gericht nicht.
Inzwischen ist die Äußerung in dem Video in allen Ausspielkanälen verschwunden.
Ein Sieg also für die Böhmermann-Redaktion. Allerdings hatte diese unlängst auch eine Niederlage vor Gericht eingesteckt: Das Landgericht München I untersagte dem ZDF mehrere Aussagen in einem alten Beitrag im "ZDF Magazin Royale" über den Ex-Chef des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm. Böhmermann hatte in der Sendung eine Nähe Schönbohms zu Russland suggeriert.
*Wir hatten an dieser Stelle zunächst von "mehr als 360.000 Euro" geschrieben. An die FDP haben Gotthardt und seine Frau aber jeweils 100.000 Euro gespendet, und die CDU erhielt von ihm 100.000 Euro und von ihr 80.020 Euro.
- Beschluss LG Köln 28 O 296/24
- YouTube: Nius: Wo rechte Hetze eine Bühne bekommt
- twitter.com: Von Daniel Laufer retweeteter Tweet von Mathie von Rohr
- YouTube: Böhmermann will NIUS zerstören – Himmlers williger Vollstrecker