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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Monica Lierhaus "Ich bin mir nicht sicher, ob ich meine Situation akzeptiert habe"
13 Jahre ist es her, als eine missglückte OP das Leben von Monica Lierhaus veränderte. Mit t-online hat sie über Fortschritte und Schmerzen gesprochen.
Sie galt viele Jahre als das Gesicht der ARD-"Sportschau". Fußball-Bundesliga, Tour de France oder die Olympischen Spiele: Monica Lierhaus führte souverän durch die Sendung und begeisterte die Zuschauer mit kompetenten Interviews.
Beruflich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere angekommen, wurde diese 2009 abrupt gestoppt, nachdem es bei einer Operation zu Komplikationen gekommen war. Die damals 39-Jährige lag vier Monate im Koma. Lierhaus überlebte, aber nichts war wie vorher. Vom Sprechen bis zum Laufen: Alles musste sie neu erlernen. Mit t-online sprach die Moderatorin darüber, wie es ihr heute geht. Über ihre gesundheitlichen Fortschritte und Pläne.
t-online: Frau Lierhaus, wie geht es Ihnen?
Monica Lierhaus: Vielen Dank der Nachfrage, es geht mir gut. Ich kämpfe mich so durch.
Sie hatten noch einige Jahre nach Ihrer OP mit Sprachproblemen zu kämpfen. Davon ist Ihnen heute nichts mehr anzuhören.
Danke, das freut mich sehr. Ja, es stimmt, meine Stimme und Aussprache waren anfangs total hinüber. Es hat zwar ewig gedauert, aber jetzt ist es in der Tat ganz gut geworden.
Müssen Sie denn trotzdem noch Sprachübungen machen?
Ja, ich mache noch Logopädie. Aber nur noch nach Bedarf und nicht mehr so regelmäßig wie früher. Wenn zum Beispiel Interviews oder Vorträge anfallen, dann nehme ich wieder vermehrt Logopädie-Stunden.
Auch mit dem Laufen geht es wieder besser. Vor dem Beginn unseres Interviews waren Sie schon mit Ihrem Hund spazieren. Aber sind Sie auch schmerzfrei?
Ja, ich gehe täglich selber mit meiner Havaneser-Hündin Pauline raus. Sie ist eine ganz zauberhafte Maus, die mir viel Freude macht. Allerdings habe ich jeden Tag Schmerzen. Aber sie sind nicht mehr ganz so stark wie früher. Da waren sie auf einer Skala von eins bis zehn auf einer neun. Jetzt sind sie zwischen drei und vier. Aber auch nur, weil ich relativ viel dafür tue.
Was genau machen Sie dagegen?
Ich fange morgens im Bett schon mit 20 Minuten Gymnastik an. Und ich bin täglich für eine Stunde auf dem Laufband. Nur an den Tagen, wo ich Physiotherapie habe, setze ich damit aus. Durch die viele Bewegung geht es mir wirklich besser.
Woran liegt es denn, dass Sie jeden Tag diese Schmerzen haben?
Ich kann es Ihnen nicht genau sagen. Angeblich ist es so, dass meine Muskeln stark verkürzt sind. Auch verklebte Faszien machen Beschwerden. Aber die bearbeitet mein Physiotherapeut.
Kennen Sie auch Tage, an denen es Ihnen schwerfällt, die Übungen zu machen?
Ich habe natürlich nicht immer Lust. Aber ich weiß, wenn ich es nicht tue, dann würde es wieder deutlich schlimmer werden. Deswegen raffe ich mich täglich auf. Aber ich gebe zu, es kostet echt Überwindung.
Wie kam es überhaupt dazu, dass das Aneurysma damals bei Ihnen entdeckt wurde?
Es war ein Zufallsbefund. Ich wollte mir eigentlich die Augen lasern lassen. Als ich mit einem befreundeten Arzt darüber sprach, sagte er zu mir: "Monica, bevor du dich für so eine OP entscheidest, lass dir bitte vorher einmal in den Kopf gucken, ob alles in Ordnung ist." Daraufhin habe ich im Krankenhaus ein MRT machen lassen.
Direkt danach sah ich schon durch die Scheibe, dass alle aufgeregt hin und herliefen. Da war ein wahnsinniges Gewusel. Ich habe sofort gemerkt, irgendetwas stimmt nicht. So war es dann ja auch. Die Ärzte erzählten mir, es sei etwas in meinem Kopf, das noch mal genauer untersucht werden müsste. Da kam dann heraus, dass ich ein Aneurysma habe. Es muss wohl schon von Geburt an da gewesen sein. Ich hatte oft starke Kopfschmerzen. Nach der Diagnose wusste ich auch, warum. Es lag am Aneurysma, das pochte.
Ein Aneurysma ist ja wie eine tickende Zeitbombe, weil es jederzeit platzen kann. Ich kann mir aber vorstellen, dass die Entscheidung zu so einer schwierigen OP Mut kostet und auch Angst macht.
Ich war schon immer ein angstfreier Mensch. Und so hatte ich auch keine Angst vor der OP. Auch nicht davor, dass irgendetwas schiefgehen könnte. Ich muss Ihnen aber auch ganz ehrlich sagen, dass ich überhaupt keine Ahnung hatte, welche Risiken so eine Operation mit sich bringt. Natürlich hat man mich vorher aufgeklärt. Aber man denkt doch nicht daran, dass einem so etwas passiert und es zu Komplikationen kommen könnte. Solche Sorge hatte ich offen gestanden nicht. Wahrscheinlich war ich zu blauäugig.
Glauben Sie an Schicksal?
Nein! Offen gestanden, glaube ich an wenig. Ich glaube daran, dass man immer selber versuchen muss, das Beste aus der Situation zu machen. Aber ansonsten bin ich kein sehr gläubiger Mensch.
Vor zwei Jahren sagten Sie in einem Interview, Sie würden es bereuen, sich für die OP entschieden zu haben. Für diese Aussage wurden sie von Vertretern der Behindertenverbände stark kritisiert. Konnten Sie das verstehen?
Ehrlich gesagt, überhaupt nicht! Ich bezog es ja speziell auf mich und sagte: "Ich würde diese Operation vermutlich mit dem Wissen von heute nicht noch einmal machen." Das waren genau meine Worte. Es ging nur um mich persönlich. Daraufhin folgte ein Shitstorm gegen mich. Ich konnte es nicht nachvollziehen, dass alle so sauer auf mich waren.
So ein Shitstorm ist sehr belastend. Wie haben Sie ihn weggesteckt?
Na ja, ich habe halt weitergemacht. Es nützt ja auch nichts. Man macht halt einfach weiter.
Es wurde Ihnen sogar vorgeworfen, Sie hätten Ihre Situation nicht akzeptiert.
Das ist auch nicht so einfach. Ich bin mir nicht sicher, ob ich bis heute meine Situation akzeptiert habe. Aber wie gesagt: Ich versuche einfach das Beste daraus zu machen. Das war sowieso schon immer mein Motto: "Mach' das Beste daraus!"
Gegenwind zu erfahren, kannten Sie ja bereits aus Ihren Anfangszeiten als Sportmoderatorin, weil Sie als Frau über Fußball berichtet haben.
Ja, da kamen dann die Klischees. Aber offen gestanden hat mich das relativ kaltgelassen.
Sie kamen auch immer sehr durchsetzungsstark rüber, wirkten sehr taff.
Ich war vielleicht ein bisschen zu sehr darauf besessen, keine Fehler zu machen. Das würde ich vermutlich heute anders machen. Ich würde versuchen, alles ein wenig lockerer zu sehen. Ernst Huberty, mein damaliger Trainer, hat immer zu mir gesagt, die Menschen mögen keine perfekten Leute. Sie wollen Menschlichkeit. Und ich war immer zu perfekt. Heute würde ich es ein wenig lässiger angehen. Aber nun ist es vorbei.
Aber Sie arbeiten doch noch fürs Fernsehen?
Ja, ich mache für den Sender Sky Interviews. Aber bedingt durch Corona leider nicht mehr so viele wie früher. Das Virus hat meine Arbeit schon sehr eingeschränkt und mein Leben beeinflusst. Es geht zwar langsam wieder los, aber nur sehr schleppend. Ich würde gerne mehr arbeiten. Allerdings habe ich auch noch zu einer anderen Tätigkeit gefunden, die mir sehr viel Spaß macht. Ich halte Vorträge.
Interessant. Worum geht es in Ihren Vorträgen?
Darüber, wenn einem ein schwerer Schicksalsschlag passiert ist. Wie man damit – und allgemein mit Krisen – umgehen kann. Ich mache das noch nicht so lange, habe erst zwei Vorträge gehalten. Aber die sind sehr gut angekommen. Im Anschluss können mir die Besucher Fragen stellen, die ich alle beantworte, sofern es mir möglich ist. Das bereitet mir wirklich wahnsinnig viel Freude. Deshalb würde ich meine Vortragsreihe auch gerne noch weiter ausbauen.
Sie sind ja auch ein sehr ehrgeiziger Mensch.
Ich mag das Wort Ehrgeiz nicht so gerne. Zielstrebigkeit finde ich besser, wenn ich ehrlich bin. Ehrgeiz ist so negativ besetzt. Aber zielstrebig war ich schon immer. Das stimmt. Diese Eigenschaft hat mir auch dabei geholfen, mich ins Leben zurückzukämpfen.
Eins Ihrer Ziele war auch, sich wieder Zöpfe flechten zu können. Haben Sie es erreichen können?
Nein, das geht nicht und ich habe es auch aufgegeben. Ich habe kein Bock mehr drauf. Das ist einfach zu frustrierend, wenn man merkt, es geht nicht. Deswegen habe ich es jetzt gelassen.
Sie erfahren sehr viel Unterstützung durch Ihre Familie. Vor allem Ihre Schwester steht Ihnen eng zur Seite.
Es ist für mich ein Riesenglück, so eine tolle Familie zu haben. Alle unterstützen mich extrem viel. Meine Schwester und ich sind wie Zwillinge aufgewachsen. Wir sind nur ein Jahr und fünf Tage auseinander und waren deshalb schon immer sehr eng miteinander.
Sie haben in all den Jahren sehr viele Interviews geführt. Deshalb würde ich Sie gerne zum Abschluss fragen, welches Sie am meisten beeindruckt hat?
Das mit Joachim Löw nach dem gewonnenen WM-Finale in Rio. Da habe ich ihn als Weltmeisterschaftstrainer interviewt. Das war einer meiner Höhepunkte. 2010 hatte er bei einem Besuch zu mir gesagt, wenn ich es als Journalistin nach Brasilien schaffe, sind wir am 13. Juli 2014 in Rio zum Interview verabredet. Wir haben beide ein Ziel verfolgt damals: Löw den Weltmeisterschaftstitel und ich, dass ich bis dahin solche Fortschritte gemacht habe, nach Rio reisen zu können. Wir haben es beide geschafft!
- Interview mit Monica Lierhaus