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"Stromberg"-Macher Ralf Husmann zur Corona-Krise: "Drehstopp kam aus dem Nichts"


Interview
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Serienmacher Ralf Husmann
Zur Corona-Krise: "Der Drehstopp kam aus dem Nichts"

  • Steven Sowa
InterviewVon Steven Sowa

Aktualisiert am 09.04.2020Lesedauer: 8 Min.
Katrin Bauerfeind als Eva Jordan in der "Frau Jordan stellt gleich"-Folge "Femen und Feuerwehr"Vergrößern des Bildes
Katrin Bauerfeind als Eva Jordan in der "Frau Jordan stellt gleich"-Folge "Femen und Feuerwehr" (Quelle: Joyn/ProSieben)
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"Stromberg"-Mastermind Ralf Husmann macht seit dreißig Jahren Comedy. Im Interview mit t-online.de spricht er über seine Arbeit, wie das Coronavirus sich darauf auswirkt und warum Frauen ihn vor Probleme stellen.

Seit den Achtzigern macht Ralf Husmann Comedy. Erst als Kabarettist auf den kleinen Bühnen Deutschlands, später als Chefautor bei der Produktionsfirma Brainpool. Er schrieb für die "Harald Schmidt Show" und erschuf im Jahr 2004 die Serie "Stromberg".

Seit 2019 hat er drei Serien-Eisen im TV-Feuer: "Merz gegen Merz", "Check Check" und die Büro-Comedy "Frau Jordan stellt gleich", die aktuell immer mittwochs um 20.15 Uhr auf ProSieben gezeigt wird und anlässlich derer wir uns für ein Telefonat verabredet haben.

Im Interview berichtet uns der 55-Jährige, wie er als Autor auf die derzeitige Coronavirus-Lage blickt und welche Dinge hinter den Kulissen einer Fernsehproduktion wichtig sind.

t-online.de: Herr Husmann, Sie haben mal in einem Interview erzählt, dass das Schreiben für Sie eine therapeutische Wirkung haben kann. Ist die Corona-Krise für Sie als Autor nun eine Zeit besonderer Produktivität?

Ralf Husmann: Für mich ändert sich durch das Virus tatsächlich gar nichts. Ich mache seit 20 Jahren Homeoffice. Ich kann ganz normal weiterarbeiten und den Betrieb aufrechterhalten.

Und für Ihre Serie "Frau Jordan stellt gleich" – was bedeutet der Produktionsstopp da?

Der Drehstopp für die zweite Staffel kam natürlich aus dem Nichts – wir standen im Prinzip schon auf der Straße und haben gedreht und plötzlich wurde uns gesagt, es geht vorerst nicht weiter. Jetzt planen wir erstmal so, als wenn wir in den nächsten Wochen wieder mit den Dreharbeiten beginnen können.

Haben Sie nun überhaupt etwas zu tun, oder wie müssen wir uns Ihren Arbeitsalltag derzeit vorstellen?

Ich arbeite immer sehr kurzfristig und das kommt mir nun entgegen. Wir hatten die ersten fünf Bücher für den ersten Teil der zweiten Staffel fertig und nun nutze ich die Zeit und schreibe an den anderen Büchern weiter.

Welche Auswirkungen hat die Stilllegung der Serienproduktion noch?

Die Corona-Krise traf uns insofern hart, weil wir schauen mussten, dass wir das Team in Kurzarbeit bekommen, sodass die Mitarbeiter finanziell abgesichert sind. Ich bin Showrunner und produziere die Serie mit – da gehören solche organisatorischen Sachen auch dazu. Ob die Krise am Ende noch ernstere Konsequenzen hat, hängt jetzt davon ab, wie sich die allgemeine Lage weiterentwickelt.

Lassen sich aus der Krise auch kreative Potenziale schöpfen?

Für mich kommt es nicht infrage, jetzt eine Serienfolge zu schreiben, bei der alle im Büro eingeschlossen sind und sich in Quarantäne befinden. Das wäre für mich Aktionismus und in den will und werde ich nicht verfallen.

Mit "Frau Jordan stellt gleich" haben Sie eine Serie mit einer weiblichen Hauptfigur gemacht. Dabei sagten Sie mal, dass Frauenfiguren Ihnen beim Schreiben nicht so leicht von der Hand gehen würden.

Ich bin ein Mann und kann natürlich aus der männlichen Perspektive noch feiner schreiben. Aber ich kann auch aus der Beobachtung heraus beschreiben, wie Frauen sich in bestimmten Situationen verhalten. Darum geht es ja in einer Sitcom: Wie verhalten sich die Figuren in bestimmten Situationen.

Warum sind Frauenfiguren für Sie eine besondere Herausforderung?

Ich kann ein Beispiel nennen: Man hatte mir mal vor Jahren eine Idee auf den Tisch gelegt, bei der es darum ging, eine Geschichte über ein 18-jähriges Model in der damaligen DDR zu erzählen. Das habe ich mir nicht zugetraut. Ich kann mich nicht in ein 18-jähriges Mädchen in den Achtzigern der DDR hineinversetzen – dafür fehlt mir das Verständnis, wie eine Frau sich unter den damaligen Umständen gefühlt hat. In dieser Hinsicht ist der Gender-Gap nochmal größer, als bei einer Sitcom aus der Gegenwart.

… so wie bei "Frau Jordan stellt gleich", in der Katrin Bauerfeind die Hauptrolle spielt.

Richtig. Für mich ist die Männer- und Frauenperspektive dabei gar nicht so wichtig. Mir geht es immer um die Leute, die die Rollen schlussendlich verkörpern. Deshalb versuchen wir immer, einen sehr frühen Castingprozess in Gang zu setzen. So weiß ich frühzeitig, wer konkret am Ende die Rolle spielt. Sobald ich den jeweiligen Namen kenne, fällt es mir leichter, auf diese Person hinzuschreiben. Ich kenne dann die Stärken und die Schwächen der Person und kann diese gezielt einsetzen.

Was sind denn die Stärken von Katrin Bauerfeind?

Sie hat eine sehr gute, positive Energie. Sie will etwas und sie hat ein Ziel, aber sie trägt das immer mit einer sehr großen Wärme vor. Das ist gar nicht so leicht: Ehrgeiz an den Tag zu legen und dabei nicht verbissen rüberkommen – also ohne in so eine Friedrich-Merz-Haltung abzudriften. Katrin Bauerfeind gelingt es auf großartige, sympathische Weise, ehrgeizig zu sein.

Welche Frauentypen gibt es noch?

Man hat ja sehr oft in politisch höheren Ämtern Frauen, die es total verweigern, auf ihr Frausein angesprochen zu werden – Hillary Clinton oder Angela Merkel zum Beispiel. Die haben aus dem Frausein nie ein Thema gemacht. Oder eben das Gegenteil davon: Frauen, die sich extrem tussig verhalten und schnell in so eine – ich kann es gar nicht besser sagen – Tussen-Art hineinrutschen. Katrin Bauerfeind schafft es, einen Mittelweg zu finden, weil sie einerseits sehr feminin, sehr weiblich rüberkommt, aber andererseits eine sehr klare Haltung und einen sehr klaren Ehrgeiz hat und dabei ist sie auch noch lustig.

Wie gelingt es, bei einem sensiblen Thema wie Feminismus oder Sexismus am Arbeitsplatz den richtigen Ton zu treffen? Gerade in solchen Bereichen besteht ja beispielsweise die Gefahr, dem Vorwurf der politischen Unkorrektheit ausgesetzt zu werden.

Was heißt schon "gelungen"? Ich bin ein großer Fan davon, zur Not auch mit Karacho zu scheitern. Aber wir haben versucht, das hinzubekommen und ich habe dafür das erste Mal in meinem Leben richtig recherchiert und geschaut, was machen Gleichstellungsbeauftragte im wahren Leben. Ich weiß gar nicht, ob es uns dabei gelungen ist, jedes Fettnäpfchen zu umschiffen. Schließlich sind wir bei Null losgelaufen und auch ich musste erstmal lernen, das Thema ernst zu nehmen. Ich hatte großen Respekt davor und man muss tatsächlich sehr aufpassen, dass einem bestimmte Gags nicht auf die Füße fallen. Es darf auf keinen Fall das Gefühl entstehen, dass man das Thema der Gleichstellung von Mann und Frau nur als Vorwand benutzt, um einen billigen Gag zu machen.

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Was wollen Sie dann? Was soll die Serie erreichen?

Wir wollen mit der Serie etwas anstoßen, denn es lohnt sich, darüber nachzudenken, warum Frauen bis vor kurzem nicht nachts arbeiten duften, oder so wenige Frauen bei der Feuerwehr vertreten sind, warum es separate Kinderfahrräder für Jungs und Mädchen gibt, oder warum es bei den Schlümpfen nur eine Frau gibt. Dass man das in 23 Minuten nicht immer perfekt hinkriegen wird, ist klar. Genauso wie wir nicht in der Lage sind, etwas in 23 Minuten zu erklären, was in 30 Jahren bisher nicht erklärt werden konnte.

Warum wird das in Deutschland so selten gemacht: Comedy auf der Grundlage eines ernsten, gesellschaftlich relevanten Themas?

Ich weiß es nicht. Aber es ist einen Versuch wert, auch bei uns, nicht nur Privates über Comedy zu transportieren. Die Amerikaner machen das seit vielen Jahrzehnten. Egal ob das Einwanderung als Thema ist oder das Phänomen "white-trash", das durch die Sitcom "Roseanne" ins allgemeine Bewusstsein geholt wurde. Oder Bill Cosby: Der hat gezeigt, dass es auch eine schwarze Mittelschicht gibt.

Eine Serie von Ihnen, die auf jeden Fall sehr erfolgreich und auch prägend für die deutsche Comedy-Landschaft war, ist sicherlich "Stromberg". Ebenfalls eine Büro-Serie. Was sind die Unterschiede zur Erzählung über ein Gleichstellungsbüro in "Frau Jordan stellt gleich"?

"Frau Jordan stellt gleich" ist eine Comedy, die an ein Thema gebunden ist. Das ist weit weg von so einem klassischen "Stromberg"-Modus, wo es nur um das Büro an sich geht. Aber klar, Parallelen gibt es auf jeden Fall, weil es den Bürokosmos miterzählt. Nur ist das Vorgehen bei "Stromberg" ein ganz anderes. Die Idee, eine fiktive Dokumentation zu machen, bedingt zum Beispiel, dass den Protagonisten bewusst ist, dass eine Kamera mit im Raum ist – der Kamerablick von Christoph Maria Herbst als Bernd Stromberg ist ein prominentes Beispiel dafür. So etwas würde es mit Katrin Bauerfeind in ihrer Rolle als Eva Jordan nicht geben.

Was war im Unterschied zu Ihrer aktuellen Serie dann die Intention hinter "Stromberg"?

Bei "Stromberg" war mein Ziel, das was die Handlung in Gang setzte, immer so klein wie möglich zu halten. Wo ist der verlorene Kaffeebecher, es herrscht Papierstau am Kopierer: der Büroalltag aus der kleinstmöglichen Perspektive. Man sagt an einem Tag, dass man übermorgen die K1-Akten braucht, aber übermorgen weiß niemand mehr, was die K1-Akten sind. Das ist wie bei Hitchcock – der klassische MacGuffin, der etwas in Bewegung setzt. Bei "Frau Jordan stellt gleich" ist das genau gegenteilig. Dort versuchen wir mit einem großen Thema zu kommen, setzen das in einem kleinen Gleichstellungsbüro um und überlegen uns, was für Konsequenzen daraus erwachsen können.

Also wäre es zu einfach, die beiden Serien nur wegen ihres Autors – in dem Falle Sie, Herr Husmann – und dem Büro-Setting miteinander zu vergleichen?

Ja und nein. Es gibt trotzdem den klassischen Bürokosmos, bei dem es immer darum geht, die Beziehungen der Figuren zueinander zu erzählen. Was passiert, wenn eine Planstelle wegfällt und die Leute sich von einem Mitarbeiter verabschieden müssen – das sind klassische zwischenmenschliche Themen, die jeder Mensch aus dem Büroalltag kennt.

Sie sind einer der erfolgreichsten Comedy-Autoren in Deutschland. Wie schaffen Sie es, Ihre Serien so anzulegen, dass sie für eine potenziell breite Zuschauerschaft attraktiv sind?

Humor für die breite Masse? Da fragen Sie den Falschen, das habe ich bisher ja noch nie geschafft. (lacht) Ich mache mir nie Gedanken darüber, wie man bei den Leuten ankommt oder wie man möglichst viele Leute erreicht. Wenn das planbar wäre, würden es ja viel mehr Leute gut hinkriegen.

Das ist aber auch ein wenig bescheiden. Sie haben durchaus Erfolg: Ob "Stromberg", "Dr. Psycho" oder eben neuerdings Serien wie "Merz gegen Merz" und "Frau Jordan stellt gleich". Steckt da kein Erfolgsgeheimnis dahinter?

Mein Paradebeispiel ist immer die Harald-Schmidt-Show. Als ich die gemacht habe, hat mir die Mutter meiner besten Freundin erzählt, sie guckt das jeden Abend, weil sie es toll findet, dass 'der Mann da immer rauskommt und einen schönen Anzug trägt'. Von der Show an sich hat sie gar nicht viel verstanden und sie hat auch gar nicht kapiert, um was es da eigentlich geht. Aber sie fand es beruhigend, dass ein gut angezogener Mann auf die Bühne tritt und sie in den Schlaf quasselt. Das hat mir gezeigt, dass man nicht weiß, warum Leute Sachen gucken.
Bei "Stromberg" war das auch so. Für mich kam die große Überraschung, als wir eine Kinotour gemacht haben und feststellten, dass der Saal mit jungen Leuten gefüllt war. Menschen, die noch nie im Leben im Büro gewesen sind, die tätowiert waren und vier Kilo Blech im Gesicht hatten und die gefühlt jeden einzelnen Dialog mitsprechen konnten. Die sind auf ganz andere Sachen angesprungen, als die, die wir ursprünglich geplant hatten.

Das heißt: Der Erfolg von Comedy in Deutschland ist ein Zufallsprodukt?

Man kann das einfach nicht abschätzen, wer wann warum welche Sachen gut findet. Die Idee, dass man planen könnte, wer die Inhalte letztendlich schaut und gut findet, halte ich für Quatsch. Ich versuche einfach Sachen zu machen, die ich persönlich gut finde. Anschließend kann ich nur hoffen, dass es genug Leute gibt, die das ähnlich sehen.
Ich mach das jetzt seit weit über dreißig Jahren und mir ist es noch nie gelungen, herauszufinden, wer meine Ideen eigentlich lustig findet. Am Ende treffe ich eine Verabredung, bei der ich hoffe, dass Leute an bestimmten Stellen genauso viel Spaß haben wie ich. Dafür drücke ich jedes Mal die Daumen und ich bin dann tatsächlich oft überrascht, wer mich manchmal anspricht, lobt oder eben meint, dass er damit nichts anfangen konnte.

Was ist dabei besonders wichtig für sie?

Für mich ist es nur wichtig, dass man mich weitermachen lässt. (lacht) Bei "Frau Jordan stellt gleich" ist das schon mal gelungen: Es gibt eine zweite Staffel. Und ich bin mir sicher, dass das Potenzial dieses Gleichstellungsthemas noch längst nicht ausgeschöpft ist.

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