Jubel oder Hitlergruß? ESC-Gewinner mit Nazi-Vorwürfen konfrontiert
Nach ihrem Rekordgewinn beim Eurovision Song Contest wird der ukrainischen Band Kalush Orchestra von prorussischen Aktivisten eine Nähe zum Faschismus unterstellt. Was steckt dahinter?
Am Sonntag begeisterte die Band Kalush Orchestra beim Eurovision Song Contest mit ihrem Song "Stefania" und holte mit einem Sensationsergebnis den Sieg für die Ukraine. Nach ihrer Performance im Wettbewerb wurde es – entgegen der geltenden ESC-Regeln – politisch. Frontmann Oleh Psiuk forderte besonders mit Blick auf die Verteidiger des Stahlwerks Azowstal in Mariupol: "Helft bitte der Ukraine, Mariupol, helft Azowstal jetzt!"
Wenig später geriet der Rapper allerdings mit etwas ganz anderem in den Fokus. In den sozialen Medien wurde behauptet, er habe auf der ESC-Bühne im italienischen Turin seine rechte Gesinnung zur Schau gestellt. Der Vorwurf: Psiuk habe den Hitlergruß gezeigt. Nach der Übergabe der Trophäe an Kalush Orchestra kurz vor Ende der ESC-Übertragung wurde gezeigt, wie die Band die Bühne verlässt. Dabei ist Psiuk mit ausgestrecktem rechten Arm und erkennbar gespreizter Hand zu sehen.
Videosequenzen geschnitten und manipuliert
Von der kurzen Szene kursieren zahlreiche Videos im Internet. Doch ein Faktencheck beweist: Die mit dem Nazi-Vorwurf verbreiteten Videosequenzen sind kräftig geschnitten und manipuliert. Bei manchen setzt die Szene erst so spät ein, dass Psiuks Hand nur von der Seite gezeigt wird. Bei anderen ist der Bildausschnitt so stark verkleinert, dass die Kamera die gespreizte Hand nicht erfasst.
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Doch woher kommen die Anschuldigungen? Mit häufig völlig unbelegten Nazi-Vorwürfen versuchen Medien und Politik in Russland immer wieder, die Ukraine und den Westen insgesamt als Rechtsradikale und Nationalsozialisten zu brandmarken und so Moskaus Angriffskrieg auf das Nachbarland zu rechtfertigen.
Prorussische Aktivisten werfen Psiuk zudem vor, mit seinem Aufruf zur Unterstützung der Kämpfer von Azowstal für Faschisten geworben zu haben. Nach ungenauen Schätzungen hielten sich in dem weitläufigen Werk zuletzt rund 1.000 ukrainische Soldaten auf. Am Montag wurde bekannt, dass gut 260 von ihnen das Stahlwerk verlassen haben. Ein Großteil der Azowstal-Verteidiger gehört dem Regiment "Asow" an, das Russland als nationalistisch und rechtsextremistisch einstuft.
Auch der polnischen ESC-Moderatorin Ida Nowakowska wird rechtsradikales Gedankengut unterstellt. Als sie die zwölf Punkte aus ihrem Land für "Stefania" verkündete, soll auch sie angeblich den Hitlergruß gezeigt haben. Dabei ist für einen kurzen Moment zu sehen, dass sie ihre Finger offenbar zum Peace-Zeichen formt. Danach wird die Hand nicht mehr von der Kamera erfasst.
- Nachrichtenagentur dpa