Moderatoren sprachlos Ukraine bricht Regel beim ESC-Auftritt – und gewinnt
Der Auftritt der Musiker aus der Ukraine beim Eurovision Song Contest wurde mit Spannung erwartet. Während die Zuschauer im Saal jubelten, blieben die Moderatoren verblüfft zurück.
Am Samstagabend schauten Musikfans nach Turin. Denn dort fand zum 66. Mal der Eurovision Song Contest statt. Für die Ukraine trat die Band Kalusha Orchestra mit dem Lied "Stefania" an. Lange war nicht klar, ob die sechs Musiker überhaupt nach Italien reisen können. Doch dann standen sie auf der Bühne, performten ihren Song – und brachen am Ende ihres Auftrittes die Regeln des Eurovision Song Contests.
"Ich bitte Euch alle: Helft der Ukraine!"
Denn nach ihrer Performance gab die Band ein politisches Statement ab – und das ist beim Grand Prix nicht erlaubt. "I ask all of you: Please help Ukraine, Mariupol, help Asovstal – right now", sagte Sänger Oleh Psjuk. (zu Deutsch: "Ich bitte Euch alle: Helft der Ukraine, Mariupol und den Menschen im Asow-Stahlwerk.") Die Ukraine steht unter Attacke eines Angriffskriegs von Russland, das wegen der völkerrechtswidrigen Invasion vom ESC ausgeschlossen ist. Ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht.
In einer kämpferischen Geste schlug Psjuk mit der Faust seiner rechten Hand danach auf seine Brust. Laut Regelwerk sind "Texte, Ansprachen und Gesten politischer Natur" auf der ESC-Bühne explizit verboten. Die Moderatoren des Wettbewerbs reagierten verblüfft und mit ernster Miene.
Alessandro Cattelan beobachtete das Geschehen mit offenem Mund, kommentiert wurde die Ansage der Ukraine aber nicht. Das Publikum bekundete derweil laut Solidarität, die Zuschauer applaudierten. Zu sehen waren zahlreiche ukrainische Fahnen und ein Transparent mit einem Herz.
Konsequenzen drohen der Ukraine aber nicht. Die Veranstalter äußerten Verständnis. "Wir verstehen die starken Gefühle, wenn es dieser Tage um die Ukraine geht, und betrachten die Äußerungen des Kalush Orchestra und anderer Künstler zur Unterstützung des ukrainischen Volks eher als humanitäre Geste und weniger als politisch", sagte ein Sprecher der Europäischen Rundfunkunion EBU auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur.
Ukraine gewinnt den Eurovision Song Contest
Direkt im Anschluss trat Deutschland an. Malik Harris performte den Song "Rockstars". In legerem Outfit betrat der 24-Jährige am Samstagabend die Bühne. Auch er setzte ein Zeichen für die Ukraine. Ihm sei öfter gesagt worden, dass er "kein Statement machen darf", sagte Harris über seine Aktion. Nach der letzten Probe vor dem Finale habe er die Fahne auf die Gitarre geklebt. "Ich bin sehr froh, das gemacht zu haben. Das fühlt sich sehr, sehr gut an."
Als großer Favorit gingen Schweden und Italien ins Rennen. Die Buchmacher sahen aber auch die Ukraine ganz weit vorne – vor allem, weil die Wettanbieter mit hohen Solidaritätsbekundungen wegen des Krieges rechnen. Und sie sollten recht behalten: Kalusha Orchestra gewinnt den Eurovision Song Contest 2022. Von den Juroren bekamen die Musiker zwar nicht die meisten Punkte, dafür aber von den Zuschauern. Mit 631 Punkten holte sich die Band den Sieg.
"Unser Mut beeindruckt die Welt, unsere Musik erobert Europa! Im nächsten Jahr empfängt die Ukraine den Eurovision! Zum dritten Mal in unserer Geschichte", teilte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Nachrichtenkanal Telegram am Sonntagmorgen mit. Er glaube daran, dass dies nicht der letzte Sieg sei.
Die Präsidentin des Europarlaments, Roberta Metsola, gratulierte auf Twitter der Ukraine. "Gratulation Kalusha Orchestra und Ukraine. Nächstes Jahr in Kiew – ich werde dabei sein", schrieb sie.
- Eurovision Song Contest vom 14. Mai 2021
- Nachrichtenagentur dpa