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Klimawandel und Wintersport: Drei Sportarten, drei Stars – ein Problem


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Drei Sport-Stars schlagen Alarm
Es muss sich etwas ändern


30.12.2023Lesedauer: 8 Min.
Erik Lesser: Der frühere Biathlet ist inzwischen Schießtrainer und TV-Experte.Vergrößern des Bildes
Erik Lesser: Der frühere Biathlet ist inzwischen Schießtrainer und TV-Experte. (Quelle: IMAGO/JON OLAV NESVOLD/imago-images-bilder)
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Erik Lesser, Severin Freund und Julian Schütter verbindet der Wintersport. Doch die Ex-Athleten und der Skirennfahrer sorgen sich um die Zukunft ihrer Sportarten.

Egal ob Biathlon, Skispringen oder Ski Alpin: Die letzten und ersten Monate eines Jahres gehören den Wintersportlern. Sie begeistern mit ihrem Können die Massen – und zwar nicht nur in Deutschland. Doch der Wintersport ist längst nicht mehr das, was er mal war. Nirgends wird der Klimawandel für Athletinnen und Athleten so deutlich wie auf Pisten und Loipen.

"Wir Wintersportler sind jedes Jahr auf den gleichen Gletschern unterwegs und schauen ihnen beim Schmelzen zu", sagt der Österreicher Julian Schütter im Gespräch mit t-online: "Wir sehen, dass die Winter immer schneeärmer werden. Skigebiete brauchen immer stärkere Beschneiungsanlagen, um Schneesicherheit zu gewährleisten." Dem stimmt Erik Lesser zu. Der frühere Biathlet sagt t-online: "Als Athlet nimmt man die Auswirkungen im Ort wahr." Lesser kann dies an einem Beispiel verdeutlichen: Ramsau am Dachstein.

"Diese Liftanlage musste mittlerweile abgebaut werden"

"Wenn man da ein Trainingslager geplant hat, dann war das 2007 und 2008 im Oktober nie ein Problem", erzählt er. Heute sei das nicht mehr möglich: "Am Gletscher auf 3.000 Metern Höhe gab es eine Liftanlage. Diese Liftanlage musste mittlerweile abgebaut werden, weil die Fundamente aus dem Eis herausschauten und keinen Halt mehr hatten. Da sieht man den Klimawandel direkt und deutlich, das macht die ganze Sache noch einmal bewusster."

Ein ähnliches Bild zeichnet sich im Skispringen ab. Fand die Vierschanzentournee früher noch in einem weißen Winterland statt, sahen die Zuschauer in den vergangenen Jahren nur eine weiße Landebahn. Drumherum war die Landschaft grün. "Natürlich macht es sentimental, wenn man auch andere Bilder kennt und es anders erlebt hat", sagt der ehemalige Skispringer Severin Freund im Gespräch mit t-online.

Schütter ist als aktiver Sportler noch mitten im Geschehen. Lesser und Freund sind als TV-Experten und einstige Athleten noch nahe dran. Alle drei lieben ihren Wintersport. Doch sie wissen auch, dass es in den nächsten Jahren Veränderungen geben wird – und machen sich um die Zukunft ihrer Sportarten Gedanken.

"Der Wintersport kann eine Vorbildfunktion ausüben"

In der vergangenen Saison startete der 25-jährige Schütter eine Petition, um den Internationalen Skiverband (Fis) zu mehr Klimaschutz und einem klimafreundlichen Handeln aufzufordern. Er ist mit seiner Forderung nicht alleine. Bisher gibt es 35.000 Unterschriften. Auch Skistars wie Mikaela Shiffrin und Lara Gut-Behrami haben unterzeichnet und ihre Wünsche an den Verband laut ausgesprochen (mehr zu den Forderungen lesen Sie hier).

"Der Wintersport kann Vorreiter sein und eine Vorbildfunktion ausüben", sagt Schütter, der in den letzten Jahren überlegt hat, wie er "Teil der Lösung" werden könnte. Seine Antwort darauf: "Aktivismus". Doch er stellt auch fest: "In der Branche bewegt sich etwas." Skirennfahrerinnen und -rennfahrer sprachen sich öffentlich dafür aus, beispielsweise den Rennkalender nach hinten zu verschieben, anstatt im Oktober zu starten.

"Sportler werden gezwungen, auf anderen Kontinenten zu trainieren"

Auf diese Weise könnte man CO2 einsparen. Da in Europa immer später Schnee fällt und Ski-Alpin-Asse den Schnee zum Trainieren brauchen, fliegen sie dafür im September etwa in die USA oder nach Südamerika. "Die Sportler werden dazu gezwungen, auf anderen Kontinenten zu trainieren, um rechtzeitig für dieses Rennen bereit zu sein. Wenn der Saisonauftakt einen Monat später wäre, könnten sich viele Athleten in Europa vorbereiten und die CO2-Emissionen wären niedriger", so Schütter.

Dass dies nicht nur im Ski Alpin ein Thema ist, bestätigt Freund: "Die Diskussion, wo der erste Weltcup stattfindet, die gab es innerhalb der Mannschaften schon seit jeher." Der ehemalige Skispringer und Großschanzen-Weltmeister von 2015 erinnert sich noch an eine bestimmte Situation: "Wir haben vor Jahren auch gesagt, wo der Saisonstart mehr nach Mitteleuropa gedrängt hat, dass es eigentlich cool gewesen wäre, den Überseeblock – zum Beispiel Amerika – zum Anfang der Saison zu machen. Im Norden sind die Temperaturen wie früher und Schanzen können effizienter präpariert werden."

Dass die Fis sich beim Skispringen zu Beginn dieser Saison für Kuusamo in Finnland entschieden hat, gefällt Freund besser, "als wenn es in Mitteleuropa losgehen würde". Eine "kluge Saisonplanung so wie in diesem Jahr" sei generell wichtig, meint er. Wo und wie in Zukunft die Weltcups der jeweiligen Sportarten ausgetragen werden, beschäftigt die Athleten ebenso. Lesser betont: "Es gehört zum Job mit dazu, dass wir rumreisen und rumfahren. Das Business und den Job selbst kannst du nicht verändern. Es ist eben auch Leistungssport."

"Dazu gehört auch ein gewisser CO2-Fußabdruck"

Sowohl im Ski Alpin als auch im Biathlon und Skispringen werden die Weltcups, so geht es schon aus dem Namen hervor, auf verschiedenen Kontinenten ausgetragen. "Wenn man es Weltcup nennt und Nationen aus aller Welt teilnehmen, dann gehört es dazu, dass er auch auf verschiedenen Kontinenten stattfindet", sagt Freund. Lesser ist ähnlicher Meinung: "Ich sehe das als Kulturgut und Entertainmentprogramm. Die Leute wollen ja auch unterhalten werden. Dazu gehört auch ein gewisser CO2-Fußabdruck, dass wir eben auch nach Amerika oder Asien kommen und dort die Leute begeistern, das gehört zum Business mit dazu. Das wollen manche nicht gerne hören, aber wenn es Weltcup heißt, muss es auch in der Welt ausgerichtet werden."

Freund stellt jedoch klar: "Trotzdem sollte alles an Reisen vermieden werden, was vermeidbar ist." Das gilt ebenso für die Zuschauer, die den Athletinnen und Athleten jedes Jahr zujubeln. Ganz egal, wo sie sich auf der Welt befinden. Auch sie können, ganz wie die Sportler und dazugehörigen Teams, Wintersport nachhaltiger machen.

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"70 Prozent der Emissionen fallen auf die An- und Abreise"

Julian Schütter sagt dazu: "70 Prozent der Emissionen eines Skitages fallen auf die An- und Abreise. Wintersport kann nachhaltig sein, wenn die Anreise mit Bus, Bahn und Zug stattfindet." Zudem empfiehlt er Hobbysportlern, genau darauf zu achten, welche Skigebiete sie besuchen: "Man kann sich informieren, welche Skigebiete zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien betrieben werden und diese unterstützen. Mittlerweile sind das sehr viele. Ausrüstung kann geliehen statt gekauft werden." Das würde fürs Skifahren und Skirennfahren bereits viel ausmachen.

Ski Alpin hängt am meisten vom Schnee ab – anders als beispielsweise Biathlon oder Skispringen, das sich auch auf Matten ausüben lässt. "Das Mattenspringen ist ein gangbarer Weg, der wahrscheinlich auch in Zukunft irgendwann immer mehr zum Einsatz kommen wird", so Freund. Zwar sind die Matten zurzeit meist grün, doch man könnte sie auch in Weiß herstellen (mehr zum Mattenspringen lesen Sie hier). "Dann sieht das Mattenspringen noch ein bisschen mehr nach Winter aus als im Moment", sagt der 35-Jährige, der selbst allerdings nicht so gerne auf Matte gesprungen ist.

"Ein emotionaler Unterschied"

"Es ist eher ein emotionaler Unterschied, der sich über sehr viele Sprünge auf Schnee und dann vom Übergang von Matte auf Schnee eingeschlichen hat", gibt Freund zu. Doch er ist optimistisch, was neue junge Athleten angeht: "Wenn irgendwann eine Generation kommt, die gar nicht mehr so sehr auf den Schneespuren aufwächst, dann kann sich das verändern."

Ähnliche Töne sind von Erik Lesser zu hören. Der frühere Biathlet ist inzwischen als Schießtrainer tätig. Dadurch beschäftigt er sich auch mit einem möglichen Bleiverbot in Waffen, das die EU gerne umsetzen möchte. Da für Stahlmunition Schießstände verändert werden müssten und dies mit enormen Kosten verbunden wäre, könnte er sich vorstellen, dass im Biathlon ein anderer Weg eingeschlagen wird.

"Eine Laserwaffe macht nicht 'peng'"

"Wir müssen schauen, ob wir von der Industrie Munition zur Verfügung gestellt bekommen, die wir auch nutzen können. Wenn das nicht funktioniert, kann ich mir vorstellen, dass der Weltverband sagt: 'Ab jetzt wird mit Laserwaffen geschossen'", so Lesser weiter, der ähnlich wie Freund mit einer leichten Wehmut ergänzt: "Eine Laserwaffe macht nicht 'peng'. Es gibt keine physische Rückmeldung. Für mich als Puristen fehlt etwas ohne das 'Peng', aber auch daran kann man sich gewöhnen."

Und: Durch eine Ausübung auf Rollenskiern könnte Biathlon in der Zukunft auch ohne Schnee funktionieren. "Das hat halt einen anderen Flair", meint Lesser. Er zieht einen Vergleich: "Da ist die Frage, welchem Ansatz man nachgeht und ob man den Biathlonsport in die Städte bringen möchte, so wie in Wiesbaden oder in Norwegen das Blink-Festival. Das kann man mit Formel 1 und Formel E vergleichen. Die Formel 1 versucht, mehr Leute in den Städten zu begeistern, aber die richtigen Rennstrecken sind die schöneren Events für mich als Zuschauer. Die Formel E ist immer in den Städten."

Die Frage sei dann, wofür sich der Biathlon-Weltverband entscheiden wird. Rollerstrecken wie die in Oberhof, Ruhpolding oder Östersund können auch im Sommer genutzt werden. In Finnland wäre es schwieriger, da die Weltcup-Strecke keine Sommerstrecke ist.

"Wir sind wandlungsfähig"

Lesser dazu: "Man müsste schauen, wie man den Wintersport Biathlon in den Sommer transferiert bekäme." Am Ende glaubt Lesser aber, dass die Faszination auch bei jungen Athleten bleiben werde. Denn: "Biathlon ist Laufen und Schießen. Laufen kann man auf Skiern, auf Skirollern, zu Fuß. Schießen kann man mit Kleinkalibern, mit einem Luftgewehr oder auch mit Pfeil und Bogen. Wir sind wandlungsfähig."

"Wir werden dadurch immer Möglichkeiten finden, Nachwuchs für die Sportart Biathlon zu gewinnen", meint der Silbermedaillengewinner im Einzel der Olympischen Spiele 2014. Er blickt neugierig in die Zukunft: "Ich bin gespannt, wie der Biathlonsport in 15 Jahren aussieht." Severin Freund glaubt ebenfalls weiter an das Skispringen: "Ich glaube, die Grundfaszination der Sportart bleibt auch auf Matte. Sie verliert vielleicht ein bisschen was von der Magie, die natürlich Bilder von einem verschneiten finnischen Ruka haben. Andere Sportarten haben diese Magie aber grundsätzlich nicht."

Wie wichtig es ist, zu handeln, hat der Deutsche Skiverband bereits verstanden. DSV-Geschäftsführer Stefan Schwarzbach sagt auf Nachfrage von t-online: "Nachhaltigkeit ist für uns kein Marketing-Instrument, sondern eine Haltung. Als weltweit einziger Spitzensportverband hat der Deutsche Skiverband einen wissenschaftlichen Beirat für Umwelt und nachhaltige Entwicklung und die Stiftung Sicherheit im Skisport als unabhängiges Kompetenzzentrum für nachhaltige Skisportentwicklung. Und zwar schon seit 1975, also nicht erst seit Fridays for Future!"

Zudem ergänzt er: "Die globale Klimakrise ist Fakt. Wir spüren die ersten Auswirkungen der Erderwärmung. Wir akzeptieren Grenzen. Aber wir akzeptieren keine pauschalen Verurteilungen, unfundierten Untergangsszenarien und populistische Kritik am Wintersport. Der Wintersport ist ganz sicher nicht der zentrale Verursacher des Klimawandels, sondern eher der Leidtragende. Deshalb ist es in unserem ureigensten existenziellen Interesse, die Natur zu schützen und unseren ökologischen Fußabdruck weiter zu verringern. Entsprechend übernehmen wir Verantwortung für unsere Wirkungskreise in der Verbands- und Sportorganisation, an unseren Stützpunkten und Trainingszentren und für unsere Veranstaltungen." Der DSV wolle mit "gutem Beispiel vorangehen".

Skisprung-Weltcup "ganz ohne schlechtes Gewissen"

Genau das wünscht sich Julian Schütter auch vom internationalen Ski-Verband: dass dieser Klimaschutz betreibt und zeigt, "wie man das Problem angeht". Dazu fordert der Österreicher ein "Nachhaltigkeitskonzept": "Ich plädiere dafür, dass Menschen, die Profis darin sind, als Team dafür beauftragt werden, solch eine Strategie zu entwickeln."

Eine Strategie, damit die Nachfolgerinnen und Nachfolger von prägenden Athleten wie Schütter, Lesser und Freund auch in Zukunft ihre Leidenschaft als Beruf ausüben können. Wie? Das fasst Freund zusammen: "Einen Skisprung-Weltcup, sagen wir in 25 Jahren, der so wie heute noch von Ende November bis Ende März stattfinden kann – und das ganz ohne schlechtes Gewissen."

Verwendete Quellen
  • Eigenes Interview mit Julian Schütter
  • Eigenes Interview mit Severin Freund
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