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Australian Open: Nicolas Kiefer verrät – das fehlt Zverev noch zur Weltspitze


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Start der Australian Open
Kiefer: Das fehlt Zverev noch zu Federer, Djokovic und Nadal

  • David Digili
InterviewVon David Digili

Aktualisiert am 21.01.2020Lesedauer: 6 Min.
Erfahren: Nicolas Kiefer war von 1995 bis 2010 als Profi aktiv.Vergrößern des Bildes
Erfahren: Nicolas Kiefer war von 1995 bis 2010 als Profi aktiv. (Quelle: imago-images-bilder)

Das frühere deutsche Tennis-Ass spricht über den Unterschied zu den "drei Großen", macht dem Weltverband harte Vorwürfe – und verrät, was er sich zu seiner aktiven Zeit gewünscht hätte.

Olympia-Silber im Doppel 2004, sechs Turniersiege, 15 Jahre Profi – Nicolas Kiefer gehörte über Jahre nicht nur zu den besten deutschen Tennisspielern, der Hannoveraner war auch mit in der Weltspitze, war zeitweise auf Platz vier der Weltrangliste.

Auch nach dem Karriereende 2010 ist "Kiwi" dem Sport verbunden geblieben. Den traditionsreichen SCC Berlin berät Kiefer, trainiert beim Verein außerdem Talente und greift auch noch selbst zum Schläger. Für den Reiseveranstalter Robinson ist er als Experte tätig, hat unter "NK #kiwifash" sein eigenes Modelabel. Er ist weiter aufmerksamer Beobachter mit kritischem Blick.

Im Interview zum Start der Australian Open spricht Kiefer über die Probleme von Alexander Zverev, kritisiert den Tennis-Weltverband in der Diskussion um das Turnier "Down Under" – und verrät, was er sich zu seiner aktiven Zeit gewünscht hätte.

t-online.de: Vor den Australian Open wurde aufgrund der Buschbrände und der daraus resultierenden schlechten Luft über eine Verschiebung diskutiert. Wie sehen Sie die Situation?

Nicolas Kiefer (42): Dass gesagt wird, dass es solche Überlegungen gab, ist klar. Aber das ist wohl mehr Fassade, als dass darüber wirklich nachgedacht wird – denn eine Verlegung war eigentlich unmöglich.

Das müssen Sie erklären.

Die Frage ist doch: Wenn die Australian Open verschoben würden, was passiert dann mit den anderen Turnieren im engen Terminkalender? Natürlich ist das Thema Klimawandel noch aktueller geworden, gerade auch durch die schlimmen Buschbrände in Australien, aber ich glaube, es war für die Veranstalter von Anfang an keine Option, das Turnier zu verlegen. Ich befürchte aber, dass den Australian Open dieses Jahr das Besondere verloren geht.

Warum das?

Grand-Slam-Turniere werden ja unter freiem Himmel ausgespielt, und wenn wegen der schlechten Luft die Dächer über den Plätzen geschlossen werden, um so viele Spiele wie möglich durchzuziehen, dann wird es ja zu einem beliebigen Indoor-Turnier. Das Wichtigste ist aber: Die ganze Sache ist gefährlich für alle Beteiligten: Spieler, Schiedsrichter, Betreuer und Zuschauer. Da sollten sich die Offiziellen sehr ernsthaft mit diesem Problem auseinandersetzen.

Wie erklären Sie die Haltung des Tennis-Weltverbands (ITF)?

Die ITF will ihr Ding durchziehen, da steht die finanzielle Seite leider klar im Vordergrund. Die Leidtragenden sind vor allem die Spielerinnen und Spieler. Aber man muss auch sagen: Es ist einfach toll, wie sich so viele in Melbourne für den Kampf gegen die Brände engagiert haben (beispielsweise bei der „Rally for Relief“ vor Turnierstart erspielten Serena Williams, Roger Federer, Naomi Osaka, Rafael Nadal, Alexander Zverev und mehr rund 3,3 Millionen Euro für die Betroffenen der Buschfeuer, Anm. d. Red.).

Das Turnier ist nun plangemäß gestartet. Alexander Zverev steht aus deutscher Sicht im Fokus, ist Favorit in der ersten Runde gegen den Italiener Marco Cecchinato. Aber der Druck ist ja nicht immer nur beim Underdog …

Richtig. Die erste Runde beim ersten Grand Slam des Jahres ist auch für einen Favoriten nicht einfach. Das Jahr hat gerade begonnen, die Karten werden ein Stück weit neu gemischt, da ist vieles möglich. Bei Alexander Zverev zum Beispiel weiß Cecchinato auch: Der ist aktuell nicht in seiner besten Form – das könnte natürlich auch ein Vorteil sein. Gerade für die guten Spieler geht es darum, in den ersten beiden Runden ihren Rhythmus zu finden, davon hängt viel ab.

Zverev stand zuletzt ja im Mittelpunkt – aber leider nicht aus besonders positiven sportlichen Gründen. Woran hakt es bei ihm?

Man muss dem Jungen doch endlich auch mal Zeit geben. Natürlich wird er an Erfolgen gemessen. Da kommt dann diese deutsche Mentalität durch: Nur der Sieg zählt, ein zweiter Platz ist schon wieder schlecht. Wir dürfen aber auch nicht vergessen: Vor einem Jahr hat er die WM in London gewonnen, dann hatte er ein für seine Verhältnisse nicht ganz so gutes Jahr 2019. Bei ihm wird ständig darauf gewartet, dass er den großen Durchbruch schafft – aber man muss noch mal daran erinnern, wer da in London spielt: Die besten Acht der Welt, und das hat Zverev auch dieses Jahr wieder geschafft – obwohl er eigentlich keine starke Saison hatte.

Was fehlt aktuell denn?

Es sind Teile wie bei einem Puzzle, und die müssen eben alle zusammenpassen. Und wenn dann mal alles passt, dann werden wir noch ganz viel Freude an ihm haben, davon bin ich überzeugt. Er ist gerade in so einer Findungsphase, aber das gibt sich. Man hat ja gesehen: Bei Turnieren mit zwei Gewinnsätzen lief es, bei Turnieren mit drei Gewinnsätzen aber noch nicht. Das ist aber nicht nur bei Zverev so, sondern bei vielen Spielern der sogenannten "Next Gen".

Wie erklären Sie das?

Ein "Best-of-Five"-Turnier ist eben ganz anders: Es läuft über zwei Wochen, es wird immer über drei Gewinnsätze gespielt, da kann so viel passieren.

Es geht oft hin und her …

Ja, und ein Djokovic, ein Nadal oder ein Federer, die wissen, wie man solche Turniere spielt, wie man sich darauf vorbereitet und wie man sich danach verhält. Für junge Spieler ist das ein Lernprozess, der mit der Erfahrung kommt. Da fehlt einem Zverev oder einem Tsitsipas einfach noch die Konstanz. Ich finde auch besonders spannend, was jetzt mit Danniil Medwedew passiert ...

… der im letzten Jahr das Finale der US Open erreicht hat und auf Platz vier geklettert ist …

Genau. Jetzt muss er sich beweisen. Spielt er so weiter? Oder fängt er an, zu überlegen: "Was hab ich da eigentlich alles geleistet?" Der Kopf ist gerade bei jungen Spielern enorm wichtig. Und genauso ist es auch bei Zverev. Wenn Sascha jetzt mal die ersten beiden Runden gewinnt, dann kann die Reise ganz weit gehen. Mal abgesehen vom ganzen Gerede um die ganzen Zweifel und Trainer: Er hat doch ein super Team um sich herum, ist gut beraten. Er wird seinen Weg schon gehen.

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Sie waren ja auch schon mit Anfang 20 unter den Besten. Ist heute die Öffentlichkeit nicht auch ein viel größerer Faktor als damals?

Absolut. Man muss sich ja nur die sozialen Medien anschauen. Ohne Social Media geht es ja überhaupt nicht mehr. Früher konnten wir in Ruhe trainieren, da gab es das alles nicht. Wenn ich mich nur zurückerinnere an 1997, da musste ich bei meinem ersten Handy noch die Antenne herausziehen (lacht). Aber heute gehören Instagram, Facebook und Twitter einfach dazu, das ist ja Teil dieses Geschäfts. Die Stars lassen sich heute nun mal auf Schritt und Tritt verfolgen. Es gibt zu viele Ablenkungen, und da verliert sich leider oft auch mal der Blick aufs Wesentliche.

Sie haben ja mal gesagt, dass es auch den richtigen Charakter braucht, um es bis ganz nach oben zu schaffen.

Es kostet sehr viel Kraft und Energie, es braucht das richtige Umfeld. Ein besonderes Beispiel ist Juan Martin del Potro, der über die Jahre immer wieder durch schwere Verletzungen zurückgeworfen wurde – und es immer wieder auf das gleiche hohe Level zurückgeschafft hat. So einem Spieler fällt ein Rückschlag dann nicht schwer, weil er weiß, was er zu tun hat.

Es ist der Erfahrungswert?

Der ist enorm wichtig. Und genauso wichtig ist es, das richtige Team um sich herumzuhaben. Heutzutage ist es ja nicht nur ein Tennistrainer. Es braucht auch einen guten Fitnesstrainer, einen guten Physiotherapeuten – und der mentale Bereich ist auch enorm wichtig. Früher wurde es belächelt, wenn ein Spieler einen Mentaltrainer hatte. Das ist heute von fundamentaler Bedeutung. Wenn ich früher etwas hätte andern können, dann hätte ich viel früher mit einem Mentaltrainer zusammengearbeitet.

Heute ist das ja nichts besonderes mehr.

Es ist ein absoluter Fortschritt, dass das heute so akzeptiert ist. Denn ich sage mal so: Spielen können die Jungen alle. Aber die letzten paar Prozent spielen sich im Kopf ab. Und da sind Federer, Nadal, Djokovic immer da.

Federer war zu Beginn seiner Karriere ja fast schon ein Hitzkopf …

Der hat geflucht, der war emotional. Aber bei ihm hat es irgendwann "Klick" gemacht. Emotionen gehören ja auch dazu. Ein Djokovic zeigt ja auch Emotionen im Spiel, auch mal negative. Aber seine große Stärke ist, dass er sofort wieder umschalten und ins Positive umwandeln kann.

Ist es nicht gerade für junge Spieler besonders schwierig, wenn es mal nicht so läuft?

Solche Phasen gehören nun mal dazu, wichtig ist nur, dass man gestärkt daraus hervorgeht. Eins können Sie mir glauben: Sascha setzt sich selbst am meisten unter Druck, weil er es vielleicht zu gut machen will. Und wenn er aus den Schwierigkeiten die richtigen Schlüsse zieht, dann hat er alles richtig gemacht.

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