Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Roger Federer Ein trauriges Bild
Der vielleicht größte Tennisspieler beendet mit 41 Jahren seine einmalige Laufbahn – und landet damit seinen letzten großen Sieg. Ein Kommentar.
Keine Vorhand mehr, die über zwei Jahrzehnte Gegner um Gegner verzweifeln ließ. Kein "Chum jetze!" mehr in wichtigen Momenten, das alle wissen ließ: Jetzt ist er da, jetzt ist er im Spiel, jetzt wird es ernst für sein Gegenüber. Und vor allem: kein "Game, Set, Match Roger Federer."
Roger Federer beendet seine Karriere. Wie schon wenige Wochen zuvor Serena Williams im Damentennis hört mit ihm nun auch bei den Herren die prägende Figur des Sports der letzten 20 Jahre auf. In den kommenden Tagen und Wochen werden sich Lobpreisungen und Ehrerbietungen über den Schweizer ergießen – und das völlig zu Recht.
In seiner Eleganz unübertroffen, in seiner Leichtigkeit einmalig. Die Kunst, Schweres einfach aussehen zu lassen – Federer hat sie gemeistert wie kein anderer. Seine Erfolge, sein Einfluss, seine Verdienste um den Sport können gar nicht hoch genug geschätzt werden, und es lassen sich viele Argumente finden, den "Fed Express" nicht nur als besten Tennisspieler der Geschichte zu adeln, sondern sogar als einen der größten Sportler überhaupt. Und selbst mit 41 Jahren hat er nun noch einmal einen letzten großen Sieg errungen.
Zu oft soll es zu lange weitergehen
Denn Roger Federer hat mit seinem Rücktritt, so weh er ihm selbst, seinen Weggefährten, seinen unzähligen Fans weltweit auch tut, alles richtig gemacht. 20 Grand-Slam-Titel, unzählige Rekorde, unvergessliche Momente – der stets so in sich ruhende Basler hat das Maximum vom für einen Tennisspieler Möglichen erreicht, und das so schön und mit so viel Stil wie vor und möglicherweise auch nach ihm niemand.
Doch der schwierigste Moment, er kommt meist erst im gehobenen Sportleralter: Der richtige Zeitpunkt, loszulassen.
Zu oft soll es doch noch mal ein Jahr, noch mal ein Match, noch mal ein Rennen, noch mal einen Wettkampf länger gehen, so schön, wie es doch nun mal gerade ist – wider besseres Wissen, die immer größeren körperlichen Limitierungen ignorierend, bis es zu spät ist. Die Zeit scheint für Sportlerinnen und Sportler besonders unerbittlich, und irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem es eben nicht mehr geht, an dem die Reflexe langsamer, der Antritt behäbiger, die Kondition schwächer ist, Jüngere, Fittere, Stärkere den Rang ablaufen. Ein trauriges Bild. Das ist der Gang der Dinge – wenn der richtige Moment für den Abschied verpasst wird.
Er hat der Versuchung widerstanden
Noch ein letztes Turnier in seiner Heimatstadt Basel, noch einmal Wimbledon im Sommer 2023, auf dem Centre Court, bei seinem Lieblings-Grand-Slam, das er achtmal gewinnen konnte, so oft wie niemand sonst – doch was hätte er dort nun noch gewinnen können, gerade nach diversen schweren Verletzungen und -OPs der letzten Jahre, deren andauernde, zähe Reha, so hat er es nun selbst erklärt, mit ausschlaggebend für seine Entscheidung zum Rücktritt war? Roger Federer muss schon längst niemandem mehr etwas beweisen, höchstens sich selbst – und vielleicht kein anderer Sportler der Welt vermag das eigene Leistungsvermögen derart realistisch einzuschätzen wie der vierfache Familienvater. Sein letztes großes Match hat er gewonnen: das gegen die Versuchung.
Roger Federer hat der Versuchung widerstanden, mit 41 Jahren ein Comeback zu starten, auf die ATP-Tour zurückzukehren und sich mit Spielern zu messen, die teilweise über 20 Jahre jünger sind als er. Er ist für sich selbst, auch das hat er nun erklärt, zur Erkenntnis gelangt: Es reicht nicht mehr, der Körper spielt nicht mehr mit, sendet im Gegenteil Signale, dass es Zeit ist, aufzuhören. In seiner Konsequenz und Offenheit ist dieser Schritt bewundernswert ehrlich, und er zeugt von diesem auch einmaligen Charakter Roger Federer. Es ging und geht ihm um den Sport, und er ist der Überzeugung, ihm aktiv nichts mehr geben zu können. Und: Er hat dem Tennis, dem Sport, seinen Kontrahenten, uns Fans auch genug gegeben über 24 Jahre.
Der Spieler Roger Federer geht, die Liebe bleibt. Von ihm, für ihn. Auch wenn es künftig nicht mehr heißt: "Game, Set, Match Roger Federer."