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Makkabi-Präsident Alon Meyer kritisiert Uefa: "Hier muss umgehend gehandelt werden"


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Kritik an Özil und Uefa
"Hier muss gehandelt werden"

  • Melanie Muschong
InterviewVon Melanie Muschong

Aktualisiert am 16.10.2023Lesedauer: 5 Min.
Mesut Özil: Der frühere deutsche Nationalspieler sorgt immer mal wieder mit seinen Posts für Wirbel.Vergrößern des Bildes
Mesut Özil: Der frühere deutsche Nationalspieler sorgt immer mal wieder mit seinen Posts für Wirbel. (Quelle: Ralf Treese/DeFodi.eu)
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Der Angriff auf Israel ist auch in Deutschland spürbar. Makkabi-Präsident Alon Meyer prangert Missstände an und erklärt, warum Verbände handeln müssen.

Am vergangenen Wochenende hat die Terrororganisation Hamas Israel angegriffen und zahlreiche Geiseln verschleppt. Auf israelischer Seite sind laut Behördenangaben bisher 1.300 Menschen getötet worden. Auch in Deutschland sind die Auswirkungen der Hamas-Attacke zu spüren – und viele Menschen betroffen.

Alon Meyer ist Präsident von Makkabi Deutschland, des Verbandes für jüdische Sportvereine. Seit dem Angriff auf Israel ist auch er in Alarmbereitschaft – und hat Kontakt zu betroffenen Familien. Zudem spricht er darüber, was sich ändern muss.

t-online: Wie schätzen Sie aktuell die Lage in Deutschland ein, nachdem die Hamas weltweit zu Protesten aufgerufen hat?

Alon Meyer: Wenn man einen einzigen kleinen Lichtblick in dem Ganzen zu sehen vermag, dann den, dass an einem Freitag in sehr vielen Ortsvereinen weitestgehend alle Makkabi-Aktivitäten ohnehin ruhten. Was natürlich die Situation ein Stück weit leichter macht.

Wie gehen die Mitarbeiter und Mitglieder von Makkabi mit der derzeitigen Situation um?

Sehr viele Mitarbeiter kommen jetzt gerade nicht ins Büro und meiden Örtlichkeiten, die Makkabi-gebrandet oder nach außen hin unserem jüdischen Verein zuzuordnen sind. Das muss man akzeptieren. Aber es spiegelt die traurige Realität hierzulande wider.

Alon Meyer: Er ist der Präsident von Makkabi Deutschland.
Alon Meyer (Quelle: Michael Gottschalk/photothek.net/imago-images-bilder)

Alon Meyer

Er ist Präsident von Makkabi Deutschland und von Makkabi Frankfurt. Der Vereinssitz von Makkabi Deutschland ist ebenfalls in Frankfurt.

Flächendeckende Furcht?

Wir reden davon, dass der größte Teil der Makkabi-Mitglieder nichtjüdischen Glaubens ist. Wir haben bei Makkabi Frankfurt exemplarisch bei 4.000 Mitgliedern ungefähr einen zu 80 Prozent nichtjüdischen Anteil. Wir wissen – und das findet sich auch in der offiziellen IHRA-Definition von Antisemitismus – dass sich Antisemitismus in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen richtet. Im Jahr 2023 müssen Juden und Nicht-Juden hier in Deutschland, in Hessen, in Frankfurt Angst haben, auf die Straße zu gehen und mit dem stilisierten Davidstern auf dem Trikot ihre Vereinszugehörigkeit zu zeigen. Egal, ob sie Muslime, Buddhisten oder Christen sind: Das ist untragbar!

Sie haben das bereits in der FAZ als "Niederlage Deutschlands" betitelt. Wie nehmen Sie die Situation nun ein paar Tage später wahr?

Das bestätigt es ja nur. Es wird schlimmer. Die Demonstrationszüge werden größer. Zwar organisieren sich die Politik und der Staatsapparat nach und nach, sodass hier und da Demonstrationen verboten werden, die erfahrungsgemäß nicht nur solidarisch für ein bestimmtes Volk ablaufen – was vollkommen richtig wäre – sondern dass Vereine und Institutionen mit Hass und Hetze gegen ein anderes Volk und eine andere Religion auftreten. Es ist absolut untragbar, dass diese Demonstrationen überhaupt genehmigt werden. Israelhass-Parolen wie "From the river to the sea" erfüllen nun immerhin den Anfangsverdacht der Volksverhetzung. Hier bewegt sich also etwas. Normalerweise würde man sich darüber freuen. Dennoch ist es zynisch, dass erst über 1.300 Israelis ermordet werden mussten, bis Forderungen, die wir seit Jahren stellen, plötzlich innerhalb von einer Woche durch staatliche Stellen umgesetzt werden.

Zuletzt gab es Verbote von israelfeindlichen Demonstrationen.

Die Menschen organisieren sich aber trotzdem und die Polizei schaut viel zu oft tatenlos zu. Auch dann, wenn gegen eine andere Religion – in dem Fall sind es nun mal Juden – Hass und Hetze ausgesprochen werden.

Bei Makkabi Berlin wurde zuletzt der Spielbetrieb eingestellt und inzwischen wieder aufgenommen. Wovon machen Sie das abhängig?

Ich rede jetzt für Makkabi generell und allen voran auch für Makkabi Frankfurt. Wir sind es aus der Vergangenheit gewohnt, den Sicherheitsapparat zu eruieren und einzuschätzen. Auch das ist traurige Realität. Immer wieder, wenn es im Nahen Osten eskaliert, werden wir als jüdischer Verein in die Gesamthaftung des jüdischen Staates genommen. In dem Moment muss leider erwartet werden, dass es an Spieltagen, aber auch bei Trainingseinheiten, zu Eskalationen kommen kann. Zumindest ist die Wahrscheinlichkeit höher. Wir stellen uns immer wieder aufs Neue darauf ein.

Nach welchen Kriterien werden in solchen Fällen Entscheidungen getroffen?

Diese aktuelle Eskalationsstufe gab es noch nie und wir müssen unseren Trainings- und Spielbetrieb neu einschätzen, ebenso die Situation in unseren Büroräumen und Spielstätten. Das erfolgt von Ortsverein zu Ortsverein getrennt mit den jeweiligen Sicherheitsbehörden jeden Tag aufs Neue, manchmal sogar mehrmals täglich. Wir müssen immer im Sinne der Sicherheit unserer Mitglieder und Mitarbeiter entscheiden.

Kennen Sie Familien in Deutschland, die durch die aktuelle Situation betroffen sind?

Sehr viele Makkabäer sind direkt oder unmittelbar in Israel involviert. Zahlreiche Makkabi-Mitglieder, die sich nur vorübergehend in Deutschland für ein Praktikum oder Studium aufgehalten haben, wurden als Reservisten eingezogen. Viele Familien, die bei Makkabi sind, deren Kinder nach Israel ausgewandert sind, sind Soldatenfamilien.

Wie sieht in Deutschland die Kommunikation unter diesen Makkabi-Familien aus?

Wir rücken noch näher zusammen. Wir unterstützen uns gegenseitig. Auch zum Beispiel die Familien und Sportler in Israel, die wir kennen und die Unterstützung brauchen. Wir sind gut vernetzt und lassen ihnen Material und zusätzliche Ausrüstung zukommen. Wir unterstützen aber zum Beispiel auch gestrandete Frauen, die nach Deutschland kommen und Schutz suchen. Oder Israelis, die vor der Situation in Israel fliehen und die wir im Sport integrieren, solange sie in Deutschland sind. Wir besorgen unter anderem Unterkünfte. Die Hilfsbereitschaft ist groß und der Apparat funktioniert gut.

Was ist Ihnen besonders wichtig?

Den eigenen Trainings- und Spielbetrieb so gut es geht aufrechtzuerhalten und durchzuführen. Das ist für uns als Verein mit vielen Ehrenamtlichen sehr schwer und erfordert momentan einen enormen Zeit- und vor allem menschlichen Aufwand. Man ist einerseits seelisch leer und funktioniert nur noch unter diesen belastenden Bedingungen, in denen man Doppeltes und Dreifaches leisten muss. Ganz wichtig ist außerdem, dass wir endlich bessere Rahmenbedingungen für die Projekte der antisemitismuskritischen Bildungsarbeit erhalten. Wir müssen Projekte wie unser Präventionsprojekt "Zusammen1" noch besser aufstellen. Hier sind eine langfristige finanzielle Förderung und Planungssicherheit essenziell.

Hat der Deutsche Fußball-Bund seine Hilfe angeboten?

Ja, in der Tat habe ich schon die entsprechenden Anrufe der jeweiligen Präsidenten bekommen, die ihre Hilfe angeboten haben. Diese Unterstützungsbereitschaft gibt es. Konkrete Ideen haben wir aber noch nicht besprochen.

Was wünschen Sie sich für die nähere Zukunft?

Ich wünsche mir, dass wir Deutschen – da schließe ich mich natürlich auch mit ein – erkennen, dass wir in unserer Integrationsarbeit etwas falsch gemacht haben. Dass wir die Niederlage eingestehen müssen. Aber dass wir auch, so wie es der Sportler sagt, aus einer Niederlage erstarkt hervorgehen und es für die Zukunft besser machen müssen. Wir können nicht davon ausgehen, dass die Demokratie ein Automatismus ist, denn sie wird gerade mit Füßen getreten. Jetzt gilt es, diese wehrhaft zu verteidigen, die entsprechenden Regularien aufzubauen und den Anti-Demokraten einen Riegel vorzuschieben. Aber auch vor allem mithilfe von Sport die Menschen zu sensibilisieren für unser Demokratieverständnis und sie auf unsere Seite zu bringen. Wenn das jedoch nicht gelingt, ist es zwingend notwendig, auch die Rote Karte zu zeigen, präventiv und proaktiv sehr viel mehr zu tun.

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Wen nehmen Sie bei der präventiven und proaktiven Arbeit besonders in die Pflicht?

Ich denke an die großen Stellen wie DFB und DOSB. Sie müssen erkennen, dass der Sport nie unpolitisch war und dass wir den Sport positiv politisch einsetzen müssen. Leider hat die Uefa vergangene Woche eine Schweigeminute für die Opfer der Hamas nicht genehmigt. Auch ist Mesut Özil wieder mit israelfeindlichen Statements aufgefallen. Hier muss umgehend gehandelt werden.

Wie meinen Sie das?

Im Sinne des Demokratieverständnisses, um die Menschen in ihrer liebsten Freizeitbeschäftigung für dieses Thema zu sensibilisieren. Das heißt, wir müssen sportliche Programme aufstellen, um die Menschen zu ermutigen, aufzustehen, rauszukommen aus ihrer Komfortzone. Nicht nur mit einer kurzen Sonntagsrede oder per WhatsApp oder TikTok schnell zu schreiben, wie solidarisch man ist. Sondern sich mit gesundem Menschenverstand und mit allen Kräften für die Demokratie einzusetzen.

Verwendete Quellen
  • Telefoninterview mit Alon Meyer
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