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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Nach Kroatien-Pleite Das DHB-Team hätte das Halbfinale nicht verdient
Beinahe besiegte es Kroatien. Doch das DHB-Team hat bei der EM bislang gezeigt, dass es zu abhängig von der Unterstützung der Fans ist – und nur unter Laborbedingungen zur Höchstform auflaufen kann.
Es war ein packendes Spiel: Gegen Kroatien unterlag die deutsche Handball-Nationalmannschaft am Samstagabend knapp mit 24:25. In der Wiener Stadthalle wurde die Mannschaft während der gesamten Partie von den mehreren Tausend deutschen Fans enthusiastisch angetrieben. Die vielen angereisten Deutschen lieferten sich mit den kroatischen Unterstützern ein regelrechtes Lautstärkeduell, das selbst erfahrenen Handballzuschauern eine Gänsehaut verpasste.
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Endlich waren die Emotionen der Heim-WM im vergangenen Jahr zurück und prompt konnten die Deutschen die Höchstleistung und Emotionalität aus sich herausholen, die sie seit Anfang des Turniers von sich erwarteten.
Besitzt das deutsche Team die Klasse für das Halbfinale?
Durch das unglücklich verlorene Spiel können die Deutschen nicht mehr aus eigener Kraft das Halbfinale erreichen, sondern nur mit Schützenhilfe der Konkurrenz. Nach der Last-Minute-Niederlage stellt sich nun die Frage, ob Deutschland überhaupt die Klasse und Reife für das Halbfinale besitzt. Oder ob man nur unter Laborbedingungen, wie am vergangenen Abend in Wien, zu Höchstleistungen auflaufen kann. Vor allem in der durchwachsenen Vorrunde zeigte sich die Abhängigkeit von der Fan-Unterstützung. Dass die Deutschen nun in Not ums Weiterkommen sind, liegt auch daran, dass sie vor leeren Rängen in Trondheim gegen Spanien eine unterirdische Leistung boten.
Möglicherweise muss die deutsche Mannschaft aber auch einsehen, dass sie – getrieben von der euphorischen Heim-WM 2019 – die Ziele von Anfang an zu hoch gesteckt hatte. In der jetzigen Form und Kaderkonstellation hätte sie den Einzug in das Halbfinale nicht verdient. Zu schwer wiegen die Ausfälle von Leistungsträgern wie Martin Strobel, Fabian Wiede oder Steffen Weinhold. Diese Lücken können selbst frenetische deutsche Fans nicht füllen.
Gegen Österreich im nächsten Entscheidungsspiel
Ein Gegenbeispiel zu den Deutschen: Der bislang ungeschlagene Europameister Spanien hat fast das Halbfinale erreicht, und das ohne nennenswerte Unterstützung mitgereister spanischer Fans, weder in Trondheim noch in Wien. Im Wiener Hexenkessel blieben sie am Samstagabend gegen Österreich cool wie eine Gazpacho. Mit ihrer Klasse und Erfahrung entschieden sie das Spiel – und das, obwohl eine ganze Halle gegen sie war. Auch wenn ihr Spielstil von Handball-Gourmets als unästhetisch und ruppig verurteilt wird, der Titel wird vermutlich über sie entschieden werden.
Von dieser Souveränität ist das deutsche Team meilenweit entfernt. Am Montag wartet nun das nächste der bisher vielen Entscheidungsspiele – gegen Co-Gastgeber Österreich. Das ÖHB-Team entfacht derzeit eine kleine Handballeuphorie im Wintersportland und wird von der guten Stimmung in der Halle getragen.
Ob das DHB-Team auch am Montagabend wieder so viele Fans hinter sich haben wird wie am Samstag, ist fraglich. Viele handballbegeisterte Deutsche besuchten die beiden ersten Hauptrundenspiele gegen Weißrussland und Kroatien, weil sie ein verlängertes Wochenende in Wien verbrachten. Am Montag werden viele wieder ihrem Beruf nachgehen und nach Feierabend das Spiel im Fernsehen auf der Couch verfolgen – und nicht in der Wiener Stadthalle. Dann könnte das deutsche Team sie schmerzlich vermissen – im vielleicht letzten Entscheidungsspiel dieser Europameisterschaft.