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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neuer ist zurück Alle Augen auf ihn
Am Montag wird Bayerns Torhüter Manuel Neuer sein Comeback im DFB-Tor feiern. Es ist eine Rückkehr nach einer äußerst langen Pause.
Aus Herzogenaurach berichtet Noah Platschko
Die Blicke der Journalisten auf der Pressetribüne des Al-Bayt-Stadions von Doha sprachen Bände. Soeben hatte Juan Pablo Vargas das 2:1 für Costa Rica gegen Deutschland erzielt. Der viermalige Weltmeister stand – auch wegen des Ergebnisses im Parallelspiel zwischen Japan und Spanien – vor dem Aus bei der Weltmeisterschaft in Katar. Eine gute halbe später war das Ausscheiden besiegelt und die DFB-Männer zum zweiten Mal in Folge in der Vorrunde einer WM ausgeschieden. Damals hiefffffffffffffffffffffffß der Trainer noch Hansi Flick – und der Torhüter und Kapitän Manuel Neuer.
Der erste Dezember 2022, er markierte einen weiteren Tiefpunkt in der deutschen Fußballgeschichte. Und es war bis zum heutigen Montag das letzte Länderspiel, bei dem Manuel Neuer zwischen den Pfosten stand.
Neuers März-Comeback fiel ins Wasser
Rückblick: Nur wenige Tage nach dem blamablen Aus von Doha zog sich Neuer beim Skitourengehen einen schwerwiegenden Unterschenkelbruch zu, der den Schlussmann fast das komplette Jahr 2023 kampfunfähig gemacht hatte. Erst am 28. Oktober 2023 stand Neuer wieder beim FC Bayern zwischen den Pfosten.
Sein Comeback auf Nationalmannschaftebene musste Neuer allerdings verschieben, fiel er doch Mitte März mit einem Muskelfaserriss für die Länderspiele gegen Frankreich und die Niederlande aus. Und auch beim Trainingslager in Blankenhain reiste Neuer verspätet an, ein Magen-Darm-Infekt hatte ihn Anfang vergangener Woche außer Gefecht gesetzt. Einem Einsatz Neuers gegen die Ukraine am Montag steht allerdings nichts im Wege, wie der Bundestrainer am Sonntag preisgab.
So wird der heutige dritte Juni für Neuer also ein besonderer Tag sein. Schließlich hatten nicht alle Beobachter der Szene Neuer zugetraut, nach seiner schwerwiegenden Verletzung wieder in die Nationalmannschaft zurückkehren zu können. Zumal mit Marc-André ter Stegen ein zuverlässiger Vertreter bereitstand, nach Jahren als Nummer zwei den Stammplatz beim DFB zu übernehmen und Neuer zu beerben.
Doch es kam anders. Trotz Neuers Verletzungshistorie entschied sich Bundestrainer Julian Nagelsmann bereits im März dazu, auf ihn im Tor zu bauen. Ein großer Vertrauensbeweis, schließlich ist der letzte Einsatz des 38-Jährigen beim DFB satte 550 Tage her.
Alle Augen auf Neuer
Auch deshalb werden am Montag gegen die Ukraine alle Augen auf Torhüter Neuer gerichtet sein. Wie funktioniert die Kommunikation mit den Vorderleuten? Ist er noch der Torhüter, auf den sich die Defensivleute auch im Aufbauspiel verlassen können? Und: Wird er im Test gegen die Ukraine fehlerfrei bleiben?
Die schwache Leistung im letzten Ligaspiel gegen die TSG Hoffenheim sowie der bittere Lapsus im Rückspiel des Champions-League-Halbfinals bei Real Madrid ließen Zweifel aufkommen, ob Neuer noch der Richtige zwischen den Pfosten ist. Insbesondere vor einem aus deutscher Sicht so bedeutungsvollen Turnier wie der Heim-EM.
Unbestritten bleibt Neuers Leistung, sich nach der Karriere gefährdeten Verletzung zurückgekämpft zu haben. Manch einer sprach gar von einem medizinischen Wunder. "Es ist eine unglaubliche Leistung, was er da vollbracht hat. Nicht nur, dass er zurückgekommen ist, sondern auch die Art und Weise, wie er zurückgekommen ist", sagte Mitspieler Joshua Kimmich auf einer DFB-Pressekonferenz am Samstag über seinen Bayern-Kollegen.
Nagelsmann: "Auf das Lesen dieser Statistik freue ich mich"
Auch der Bundestrainer stärkte auf der Abschlusspressekonferenz vor dem Ukraine-Spiel am Sonntag Neuer den Rücken. "Er hat eine gute, eine stabile Saison gespielt, in Anbetracht dessen, was war. Ich habe großes Vertrauen in ihn, weil er nach wie vor einer der besten Torhüter der Welt ist. Fußballerisch, aber auch was das Halten angeht", lobte Nagelsmann den 38-Jährigen.
"Er hat nach wie vor diesen kindlichen Spieltrieb, das ist für mich der größte Indikator, der mir zeigt, dass man in einem gewissen Alter immer noch perfekt Fußball spielen kann. Er wird eine sehr gute EM spielen, da bin ich mir sicher. Und er brennt darauf, erfolgreich mit uns zu sein." Angesprochen auf die durchwachsenen Statistiken Neuers zeigte sich der Bundestrainer überzeugt davon, dass diese nach der EM gut sein werden. "Auf das Lesen dieser Statistik freue ich mich", so dessen süffisante Schlussfolgerung.
Neuer selbst ist ebenfalls optimistisch – und freut sich auf die EM sowie die anstehenden Tests. "Nach wie vor ist meine Euphorie groß. Ich bin positiv gestimmt. Ich freue mich auf das, was kommt", sagte er im Trainingslager in Herzogenaurach. "Wenn wir positive Ergebnisse gestalten, lässt sich das erste Spiel etwas einfacher gestalten", so Neuer weiter.
Letzter Sieg zum Turnierstart war 2016
Tatsächlich wären weitere Erfolgserlebnisse nach den überzeugenden Auftritten gegen Frankreich (2:0) und die Niederlande (2:1) nicht verkehrt, will man sich die in den vergangenen Wochen entstandene Euphorie nicht kaputt machen.
Und wie wichtig ein positiver Start ist, dürfte wohl keinem Team so Bewusst sein wie dem DFB-Team. Seit der EM 2016, in die man mit einem 2:0-Sieg über die Ukraine startete, verlor das DFB-Team jedes seiner drei Auftaktpartien.
Auch wenn die Ergebnisse in den Tests gegen die Ukraine und vier Tage später gegen Griechenland zweitrangig sein dürften, werden sie ein Fingerzeig für den Turnierstart am 14. Juni gegen Schottland sein. Auf die Mär, dass Deutschland eine Turniermannschaft sei und Testspielergebnisse nicht zu hoch bewertet werden sollte, kann sich Deutschland nicht (mehr) verlassen.
- Eigene Recherche
- DFB-Pressekonferenz in Herzogenaurach
- WM-Spiel Deutschland gegen Costa Rica am 1. Dezember 2022