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Islamismus-Debatte um Antonio Rüdiger: Warum schweigt er?


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Rüdiger und der Islamismus-Vorwurf
Schade. Chance nicht genutzt!


27.03.2024Lesedauer: 3 Min.
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Gebet nach dem Schlusspfiff: Antonio Rüdiger, als Nationalspieler unantastbar, als Muslim am Empörungs-Pranger. Wie soll er reagieren? (Quelle: IMAGO/Moritz Mueller/imago)
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Antonio Rüdiger steht im Zentrum einer wilden Islamismus-Debatte. Die Vorwürfe beschäftigen bald wohl sogar die Gerichte. Rüdiger selbst schweigt. Warum eigentlich?

Eine auslegungsbedürftige Geste und zwei diskussionswürdige Internet-Klicks reichen offenbar aus. Mehr als das brauchte Julian Reichelt nicht, um einen ansonsten vollkommen unbescholtenen deutschen Nationalspieler als Islamisten an den Pranger seiner Empörungsplattform Nius und der Hetzebutze X zu nageln.

Wir leben in wilden Zeiten. Wer sich öffentlich äußert oder präsentiert – womöglich noch zu Fragen der Politik oder des Glaubens – der kommt ruckzuck in Erklärungsnotstand. Wer heute eine Meinung äußert, wird morgen sofort eingeordnet, abgeheftet, gebrandmarkt. Und zwar egal, wo er steht. Vorurteil und öffentliche Aburteilung kennen keine Lager.

Wer sich für eine Begrenzung der Migration einsetzt, wird ratzfatz als Rassist und Nazi beschimpft. Wem die Klimakrise Sorgen macht, der ist mindestens linksgrünversifft und wahrscheinlich Teil einer Sekundenkleber-Sekte. Wer das Bürgergeld zu hoch findet oder 35 Stunden Wochenarbeitszeit zu wenig, der ist rücksichtsloser Turbokapitalist und Ausbeuter. An der Seite Israels im Kampf gegen die Schlächter der Hamas unterstützt man Apartheid und Völkermord. Weist man auf das Leiden der Menschen im Gazastreifen hin: Antifa! Terroristenfreund! Antisemit!

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Wie geht man damit um? Klar, das muss jeder selbst wissen. Und niemandem steht es zu, anderen vorzuschreiben, wie sie mit diesem Irrsinn umgehen. Ob er den inneren Antrieb verspürt, sich gegen haltlose Unterstellungen und ideologisches Schubladendenken gerichtlich zu wehren, oder ob er sich einfach als Mensch, als Bürger dieses Landes, als Anhänger seines Glaubens von dem Vorurteil distanziert, das ihm übergestülpt wurde. Aus welchen Gründen auch immer. Trotzdem kann eine Erklärung oft hilfreich sein.

Antonio Rüdiger war nach dem gewonnenen Länderspiel gegen die Niederlande nur ein paar Meter von der größten Bühne, dem breitesten Forum entfernt, auf dem man seine eigene Sicht der Dinge darstellen kann: einem Fernsehinterview nach einem Länderspiel. So wie er kurz zuvor mit der Nationalmannschaft das Spiel gewonnen hat, hätte er die Deutungshoheit über sich selbst zurückgewinnen können. So entschlossen, fast wütend, wie er sich während der 90 Minuten jedem niederländischen Gegner entgegengestellt hat, hätte er sich gegen jeden wehren können, der ihm die Fahne der Mörderbande IS anheften will.

Schuldet er uns das? Uns als Beobachter? Den Fans des DFB-Teams? Diesem Land und seinen Werten? Unsinn. Antonio Rüdiger schuldet uns gar nichts. Niemand kann ihn dazu zwingen, einen Verdacht zu entkräften, der vollkommen unverhältnismäßig ist. Dessen ausgrenzende Tendenz, dessen durchsichtiges Betteln um Applaus aus einer bestimmten Ecke er vielleicht einfach keines Wortes würdigen will.

Aber wünschen darf man sich, dass Antonio Rüdiger sich erklärt. Dass er denen, die ihn verleumden, glasklar entgegenhält: "Ich bin nicht, was Ihr mir vorwerft. Ich bin nicht, was Ihr alle glauben machen wollt. Ich habe mit Unmenschen, mit Terroristen, mit unseren Feinden nichts zu tun."

Es würde der Nationalmannschaft das nächste Turnier ersparen, das von einer politischen Scheindebatte torpediert wird. Es würde anderen Muslimen beweisen, dass man sich wehren kann, wehren muss, wenn man angegangen, ausgegrenzt und abgestempelt wird. Es würde den Hetzern den Nährboden entziehen und ihren Klatschpappen das Wasser abgraben. Es würde keine Fragen offen lassen und alle Zweifel beseitigen.

Es würde am Ende vielleicht auch Antonio Rüdiger selbst helfen. Wer nach einer solchen Klarstellung immer noch herumraunt, der Nationalspieler habe irgendetwas mit dem IS im Sinn, dem ist dieses Argument genommen: "Er hat sich ja nie distanziert". Wer ihm nächste Woche immer noch Böses will, der wird ihm diese Woche vorwerfen.

Ja, es kann einem schon Angst einjagen, dass heute irgendjemand irgendetwas behaupten oder überinterpretieren kann und Menschen zu Erklärungen nötigt, die das nicht verdienen. Leider sind die Zeiten wild. Wer sie beruhigen kann, der nutzt am Ende allen. Antonio Rüdiger, so wenig er dafür kann, hat diese Chance bislang nicht genutzt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
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