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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bundestrainer in der Bredouille Rückschlag für Nagelsmann – ein Schlüsselspieler fehlt
Serge Gnabry wird dem FC Bayern wochenlang fehlen – und auch die USA-Reise des DFB verpassen. Der neue Trainer muss umdenken.
Louis van Gaal legte sich vor einigen Jahren bereits früh in der Saison fest. "Müller spielt immer", lautete die verbale Botschaft, die der niederländische Trainer zu Beginn der Spielzeit 2009/10 an die Pressevertreter sandte.
Der damalige Trainer des FC Bayern machte damit früh deutlich, welchen Stellenwert der damals junge Stürmer für ihn hatte. Auch als van Gaal nach der WM 2014 Manchester United übernahm, hielt sich hartnäckig das Gerücht, Schüler Müller könnte zu Lehrer van Gaal in die Premier League wechseln.
Hätte van Gaal nun Hansi Flick als Bundestrainer beerbt, und der Niederländer galt durchaus als ernsthafter Kandidat – der zuletzt nur sporadisch eingesetzte Müller hätte mutmaßlich einen Stammplatz sicher.
Starke Bilanz unter Nagelsmann
Bekanntlich entschied sich der DFB anders, am vergangenen Freitag präsentierte der Verband Julian Nagelsmann als Nachfolger Flicks – mindestens bis zum Ende der Heim-EM.
Auch Nagelsmann war während seiner Amtszeit beim deutschen Rekordmeister – zumindest größtenteils – ein Verfechter Müllers. Der gebürtige Bayer stand unter ihm regelmäßig in der Startelf, übernahm in Abwesenheit Manuel Neuers die Kapitänsbinde und fehlte, wenn überhaupt, dann nur verletzt oder erkrankt.
Tatsächlich gab es bei den Bayern einen Spieler, auf den Nagelsmann noch häufiger setzte. Die Rede ist von Serge Gnabry. Der deutsche Außenstürmer stand in jedem einzelnen der 59 Bundesligaspiele unter Nagelsmann auf dem Platz – eine beeindruckende Statistik. Auch die Zahlen lesen sich mehr als ordentlich. Allein in der Saison, in der Nagelsmann entlassen wurde, kam Gnabry in 36 Partien auf 24 Torbeteiligungen.
Schwierige Phase nach der Winter-WM
Allerdings: So richtig innig wurde die Spieler-Trainer-Beziehung der beiden nie. Nagelsmann wirkte in seiner Endphase als Bayern-Trainer zunehmend genervt von Gnabrys Vorstellung, eine Position mehr im Zentrum übernehmen zu wollen – anstatt auf der Außenbahn spielen zu müssen.
Gnabrys Leistungskurve unter Nagelsmann zeigte stets große Ausschläge, allerdings in beide Richtungen. Nach der enttäuschenden Winter-WM mit der Nationalelf gelang ihm in zehn Ligaspielen unter Nagelsmann nur noch ein einziger Treffer – per Elfmeter.
Mit seinem Paris-Trip zur Fashion Week, der mitten in eine Englische Woche fiel, machte Gnabry auch abseits des Platzes Fehler, die das Verhältnis zu Nagelsmann belasteten. Der Trainer vermisste beim Spieler teilweise die nötige Einstellung, alles aus sich herausholen zu wollen.
Doch auch wenn der noch junge Chefcoach gegen Ende seiner Periode beim Rekordmeister nicht mehr uneingeschränkt auf Gnabry setzte, ist die Verbindung zwischen beiden dennoch eine besondere. Als Nagelsmann 2017/2018 noch Trainer bei der TSG Hoffenheim war, machte sich dieser für eine Leihe Gnabrys stark.
Im Kraichgau trumpfte der in Stuttgart geborene Rechtsaußen auf. Trotz eines komplizierten Saisonstarts samt Kapsel- und Oberschenkelverletzung avancierte der Nationalspieler zur absoluten Stammkraft bei der TSG. Gemeinsam spielten Nagelsmann und Gnabry die erfolgreichste Saison in der Vereinsgeschichte, die mit Platz drei und der Qualifikation für die Champions League endete.
Wiedersehen bei der Nationalmannschaft fällt aus
Mitte Oktober hätte es nun zur Wiedervereinigung zwischen Nagelsmann und Gnabry bei der Nationalmannschaft kommen sollen. Diese fällt allerdings aus. Aufgrund einer Fraktur der Elle im linken Unterarm muss sich Gnabry einer OP unterziehen – und fehlt laut Trainer Tuchel mehrere Wochen.
Damit muss der neue Bundestrainer schon gleich bei der USA-Reise im Oktober bei den Partien gegen die USA (14. Oktober) und Mexiko (18. Oktober) improvisieren. Denn mit Kevin Schade vom FC Brentford fällt ein weiterer offensiver Außenspieler mit einer Adduktoren-Verletzung für die Nationalmannschaft länger aus.
Der neue Chefcoach muss also ein wenig umplanen. Wahrscheinlich ist, dass Nagelsmann beim Nationalteam vorerst auf ein bewährtes System setzt, das die Spieler kennen. Die Rede ist vom klassischen 4-2-3-1, auch wenn Nagelsmann taktisch versiert und variabel bei seinem Spielsystem ist.
Wer könnte nun also Gnabry auf der Außenposition ersetzen? Leroy Sané befindet sich aktuell in sehr guter Verfassung, überzeugte sowohl beim FC Bayern als auch in der Nationalmannschaft.
Florian Wirtz begeistert mit Bayer Leverkusen aktuell in der Liga und könnte die Zehnerposition hinter der Spitze einnehmen. Auf rechts gäbe es mehrere Optionen. Seien es Müller, Leverkusens Jonas Hofmann oder auch Jamal Musiala. Der Offensivdribbler ist flexibel einsetzbar, spielte schon unter Nagelsmann mal links, mal im Zentrum, mal rechts.
Unabhängig von der langen Zeitspanne bis zur EM dürfte der neue Bundestrainer auf den Offensivpositionen die Qual der Wahl haben. Große Namen wie Mario Götze, Marco Reus, Julian Brandt oder auch İlkay Gündoğan fanden da bislang noch nicht einmal eine Erwähnung.
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