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Toni Kroos über mediale Aufmerksamkeit: "Ich stelle mir das schrecklich vor"


Interview
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Toni Kroos
"Ich stelle mir das schrecklich vor"

InterviewVon Robert Hiersemann

Aktualisiert am 14.09.2021Lesedauer: 8 Min.
Toni Kroos: Seit 2014 ist der frühere Nationalspieler bei Real Madrid, hat bisher 320 Spiele für die "Königlichen" gemacht.Vergrößern des Bildes
Toni Kroos: Seit 2014 ist der frühere Nationalspieler bei Real Madrid, hat bisher 320 Spiele für die "Königlichen" gemacht. (Quelle: Action Pictures/imago-images-bilder)

Im Interview mit t-online spricht Toni Kroos über den Rücktritt aus der Nationalelf, seinen Einsatz für vegane Ernährung und die Kehrseiten des Ruhms. Außerdem lüftet der Real-Star das Geheimnis um seine Schuhe.

Er ist seit 2014 bei Real Madrid und nicht nur dort längst ein Star. Auch im Dress der Nationalmannschaft hat Toni Kroos 106 Spiele absolviert und 17 Tore geschossen. Der Mittelfeldspieler, der mit seiner Familie seit nun sieben Jahren in Spanien lebt, hat Fans in aller Welt.

Im Interview mit t-online spricht Toni Kroos offen darüber, warum Fans bei ihm auch mal geduldig sein müssen und was es mit seinem Schuhtick auf sich hat. Zudem hat der gebürtige Greifswalder auch über den Fußball als Sportart für Kinder gesprochen – und warum er sich freut, etwas zurückgeben zu können.

Herr Kroos, Sie sind nach der EM 2021 aus der Nationalmannschaft zurückgetreten. Wie intensiv haben Sie die drei Auftaktsiege unter dem neuen Bundestrainer Hansi Flick verfolgt?

Toni Kroos (31): Um ganz ehrlich zu sein: Ich habe nicht alles gesehen, sondern die Zeit vor allem mit meiner Familie genossen – also meiner Frau und meinen drei Kindern. Ich bin Nationalspieler in Rente, und nehme mir das einfach mal heraus (lacht).

Ein sportliches Urteil fällt dann wohl schwer.

Richtig. Dafür habe ich zu wenig von den Partien mitbekommen. Aber ich schaue dann gerne bei den nächsten Spielen im Oktober wieder etwas genauer hin.

Die fußballfreie Zeit sei Ihnen gegönnt. Sie sind Weltmeister, vierfacher Champions League-Sieger und spielen seit inzwischen sieben Jahren für Real Madrid, den größten Fußballverein der Welt. Wie schwer ist es für Sie als Sport-Superstar, ein halbwegs normales Leben zu führen?

Es ist schwierig. Ich habe sehr häufig das Gefühl, beobachtet zu werden. Und meist ist es ja nicht nur ein Gefühl, sondern eine Tatsache. Ich vermeide daher einige öffentliche Situationen. Aber einige Dinge lasse ich mir nicht nehmen.

Auf welche Situationen spielen Sie an?

Ich möchte weiterhin Dinge mit meiner Familie unternehmen können. Darauf will ich nicht verzichten, nur weil ich ein berühmter Fußballer bin. Wir machen ganz normale Sachen zusammen, die jede Familie macht. Dinge, bei denen die Kinder Spaß haben. Aber es ist nicht immer ganz einfach.

Wie gehen Sie mit Menschen um, die Sie auf der Straße erkennen?

Ich mache gerne Fotos und schreibe Autogramme. Aber die Leute müssen bei mir ab und an auch mal ein Nein akzeptieren.

In welchen Situationen kommt das vor?

Wenn ich mit meinen Kindern unterwegs bin, da möchte ich nicht, dass sie gestört werden. Dann ist Familienmodus und meine Aufmerksamkeit gehört ihnen. In diesen Momenten appelliere ich gerne mal an den gesunden Menschenverstand. Etwas völlig anderes ist es natürlich, wenn ich im sportlichen Kontext oder allein unterwegs bin. Ich weiß, dass all das Teil meines Jobs ist. Aber als Papa bin ich in einer anderen Rolle unterwegs. Und das müssen die Menschen akzeptieren.

Sie spielen inzwischen seit knapp 14 Jahren auf allerhöchstem Niveau Fußball. Was hat sich im Profigeschäft seit Ihrem Karrierestart am meisten verändert?

Ich möchte das unterteilen: einmal in die Dinge, die sich allgemein im Profifußball verändert haben, und dann noch die, die mich persönlich als Fußballer betreffen. Erstens: Die mediale Aufmerksamkeit des Profifußballs wird immer extremer – und das meine ich in der Tat eher negativ. Also die Berichterstattung über den Sport, aber auch über Geschichten drumherum. Kleine Dinge werden viel zu häufig zu groß gemacht.

Warum ist das so?

Weil einfach eine große Sensationsgeilheit vorhanden ist und sich dementsprechend besser verkauft. Ein Beispiel: Häufig wird ja gefordert, dass die Spieler nicht nur "Wischi-Waschi" erzählen sollen. Aber wenn einer dann mal klar spricht, es aber nicht jedem passt, wird er auch schnell wie die Sau durch das Dorf getrieben. Dazu gibt’s in der sportlichen Bewertung keinen Graubereich mehr – es ist entweder Kreis- oder Weltklasse.

Was hat sich für Sie persönlich über die Jahre hinweg verändert?

Die Erwartungshaltung an mich ist natürlich heutzutage eine völlig andere als damals. Früher durfte ich überraschen, heute muss ich liefern. Das ist schon viele Jahre so. Aber dem stelle ich mich gerne.

Sie zählen zu den erfahrenen Spielern von Real Madrid. Neben Ihnen in der Kabine sitzen inzwischen viele deutlich jüngere Fußballer, 18-,19- und 20-Jährige, die mit TikTok, Twitch und eSports aufwachsen. Wie weit sind Sie von dieser neuen Fußballer-Generation gedanklich entfernt?

Die neue Generation wächst völlig anders auf als ich damals mit 16/17. Ich sage das völlig wertfrei. Die vielleicht größte Veränderung sind die sozialen Medien. Das war bei mir damals noch kein großes Thema in dem Alter, heute sind sie für fast jeden jungen Fußballer das Hauptmedium – noch vor dem Fernseher, der Internetseite, der Zeitung. Das beeinflusst diese Generation sehr, so ist mein Gefühl. Es fließen heutzutage ganz viele verschiedene Strömungen auf einen ein. Und das meine ich gar nicht negativ – aber es ist gefährlich, wenn man nicht damit umzugehen weiß.

Vieles hat sich über die Jahre verändert. Eine Sache bleibt aber: Sie spielen seit einer halben Ewigkeit im immer gleichen Fußballschuhmodell. Warum?

Der Fußballschuh ist für mich als Profi das wichtigste Werkzeug, um meinen Job erfolgreich ausüben zu können. Ich habe eine Bindung zu meinem Fußballschuh. Und ich will mich in ihm so wohl wie möglich fühlen. Doch heutzutage wird oft etwas am Material oder der Farbe verändert. Und dieser Trend gefällt mir nicht. Mein Modell ist weiß und noch aus echtem Leder.

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Sie erklären sogar in einem Video in Ihrer eigenen App "Toni Kroos Academy", wie wichtig es Ihnen ist, den Fußballschuh perfekt zu binden. Ist diese Detailarbeit denn wirklich so notwendig?

Vorab: Ich weiß, dass dieses besondere Verhältnis zu meinen Fußballschuhen schon sehr speziell ist – und vielleicht sogar etwas seltsam wirkt. 95 Prozent aller Spieler sind da anders. Aber mir hilft das nun mal.

Wie genau bereiten Sie Ihren Schuh für ein Spiel vor?

Bei einem normalen Fußballschuh liegt der Schnürsenkel über dem Spann am Fuß. Das hat mich immer gestört. Ich will keine Schnürsenkel auf meinem Schuh sehen, also habe ich lange getüftelt, wie ich das wohl am besten vermeiden kann. Meine Lösung: Ich verzichte bei meinen Schuhen auf die Schlaufen, lege den Schürsenkel unter die Lasche und mache am unteren Ende einen Knoten rein.

So viel Detailarbeit für einen Fußballschuh?

Und es geht noch weiter! Ich mag auch diese Plastikenden an den Schürsenkeln nicht. Deshalb schneide ich die ab und brenne das Ende der Schnüre mit einem Feuerzeug an, um sie später besser durch die Löcher zu bekommen. Aber da gibts tatsächlich noch weitere Marotten, aber das würde dieses Interview sprengen…

Was denken die Kollegen von Real Madrid eigentlich über Ihren Schuh-Tick?

Sagen wir es mal so: Es fällt schon auf, dass ich in der Real-Kabine drei, vier Minuten länger brauche als die anderen, um meine Schuhe zu binden (lacht).

Dieses kuriose Video ist nur eines von ganz vielen, welches man sich in Ihrer App anschauen kann. Was genau steckt hinter diesem neuen Projekt von Ihnen?

Die Idee dafür ist während des Corona-Lockdowns entstanden. Damals habe ich eine Fußball-Challenge auf Instagram gestartet, in der ich in kurzen Videos Fußball-Übungen vorgemacht habe, um Kinder und Amateurfußballer dazu zu animieren, wieder Sport zu treiben. Und ich war von der Masse an positiven Rückmeldungen aus der ganzen Welt so überwältigt, dass ich daraus mehr machen wollte. Also habe ich mit meinem Team die App entwickelt.

Was genau ist Sinn und Zweck der App?

Ich erkläre in vielen verschiedenen Videos Basisübungen bis hin zu komplexen Spielsituationen. Außerdem bekommt man private Einblicke in mein Leben als Fußballprofi. In einem nächsten Schritt wollen wir nun dazu übergehen, dass User unsere Übungen nachmachen können, sich dabei filmen und uns ihre Videos schicken, sodass wir ihnen darauf Feedback geben können. Das steuere ich zusammen mit meinem Team, welches aus verschiedenen Fußballtrainern besteht. Kurzum: Ich möchte dabei helfen, andere Fußballer besser zu machen. Und vor allem Spaß und Freude dabei vermitteln.

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Spaß und Freude kamen bei vielen Amateursportlern in der vergangenen Zeit viel zu kurz. Der Fußball-Spielbetrieb pausierte aufgrund der Corona-Pandemie über Monate.

Die Corona-Krise hat speziell auf Kinder einen sehr großen Einfluss. Ich stelle es mir schrecklich vor, wenn man als kleines Kind nicht in die Schule gehen kann, weil sie geschlossen ist und auch nachmittags nicht auf den Fußballplatz darf. Das hätte mich damals verrückt gemacht. Vor allem den Kindern ist ja wegen Corona lange der Alltag genommen worden. Eltern waren in dieser besonderen Herausforderung im Homeoffice, mussten parallel ihre Kinder unterrichten und bespaßen. Teilweise saßen sie in kleinen Wohnungen. Der natürliche Bewegungsdrang konnte nicht ausgelebt werden. Zum Glück ist das im Augenblick nicht mehr so.

Haben Sie viele Rückmeldungen von Kindern zu dieser Zeit erhalten, die Ihnen Ihr Leid geklagt haben?

Es haben sich vor allem die Eltern gemeldet, um sich bei mir für meine Fußball-Challenge zu bedanken. Darüber habe ich mich riesig gefreut. Es hat offenbar wirklich vielen Kindern geholfen, um diese komplizierte Zeit durchzustehen, weil sie durch die Videos wieder etwas hatten, worauf sie sich freuen konnten.

Die Bewältigung der Corona-Krise ist weiterhin eines der brennendsten Themen in Deutschland – natürlich auch im Zuge des Wahlkampfes. Immerhin findet in wenigen Wochen die Bundestagswahl statt. Wie viel bekommen Sie davon eigentlich im weit entfernten Madrid noch mit?

Ich bin ganz sicher kein Experte auf dem Gebiet. Aber ich halte mich über politische Entwicklungen in Deutschland auf dem Laufenden. Und natürlich bekomme ich auch mit, welche gesellschaftlichen Themen unsere aktuelle Zeit bestimmen – wie der Klimawandel.

Spielt denn beispielsweise klimagesunde Ernährung in Ihrem Leben eine Rolle?

Früher nicht, heute ist das ein bisschen anders. Als 18-Jähriger habe ich nicht wirklich darüber nachgedacht, was ich esse. Hauptsache es hat geschmeckt – viel Fleisch, Weißbrot, süßes Zeug. Ich habe mir kaum Gedanken um meine Ernährung gemacht.

Was genau hat sich da bei Ihnen verändert?

Wir haben einen Koch für uns zu Hause engagiert. Das macht alles einfacher. Wir legen mittlerweile mehr Wert auf eine ausgewogene Ernährung. Ich esse gerne Fleisch, aber ich versuche den Konsum zu reduzieren.

Was dabei auf den ersten Blick verwundert: Sie essen weiterhin gerne Fleisch, fungieren aber inzwischen auch als Markenbotschafter für "Meatless Farm", ein Unternehmen, welches vegane Fleischprodukte herstellt. Wie passt das zusammen?

Das passt schon zusammen. Es geht mir nicht darum, alle Menschen davon zu überzeugen, sich künftig nur noch vegan zu ernähren. Aber ich will aufzeigen, dass es eine zusätzliche Option zum Fleischkonsum gibt. Und wenn das die Chance vergrößert, dass eine Person nur noch zwei- statt fünfmal in der Woche Fleisch isst, ist viel erreicht.

Zum Abschluss noch ein sportliches Thema: Sie werden zwar nicht mehr an der WM 2022 teilnehmen, aber das Turnier in Katar steht bereits jetzt, mehr als ein Jahr vor dem Auftakt, im Fokus, und wird äußerst kritisch betrachtet. Glauben Sie, dass dieses Turnier die politischste WM aller Zeiten wird?

Die Entscheidung, die WM in Katar auszutragen, ist vor vielen Jahren gefallen. Fakt ist: Das Turnier wird stattfinden. Die Frage ist, wie man damit umgehen will. Ich finde, man sollte versuchen, dem Turnier die größtmögliche Bühne zu geben, um auf die Missstände im Land hinzuweisen. Aber bitte nicht nur vor und während des Turniers, sondern auch danach.

Wie meinen Sie das?

Es darf nicht passieren, dass vor dem Turnier und bis zum Tag des WM-Finals über die Probleme in Katar gesprochen wird und danach wieder Ruhe herrscht. Das mediale Interesse an Katar darf nicht wegfallen, wenn die Fußballer wieder abziehen. Das ist wichtig.

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