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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Der Fall Müller Das steckt hinter dem Brodeln bei Bayern

Das Aus von Thomas Müller nach 17 Profi-Jahren beim FC Bayern soll feststehen. Das wirft brisante Fragen beim Rekordmeister auf.
Normalerweise ist Thomas Müller so etwas wie die kommunikative Allzweckwaffe des FC Bayern. Wann immer es knifflige Situationen zu erklären gilt, ist auf den inoffiziellen Außenminister des Rekordmeisters Verlass. Mit seinem Charme, Schmäh und seiner wortgewandten Schlagfertigkeit hat der 35-Jährige in den vergangenen 17 Profi-Jahren beim FC Bayern schon so manche Krise einfach mal eben wegmoderiert.
Da wäre die Konstellation am Samstagabend nach dem wackeligen 3:2-Erfolg gegen Aufsteiger St. Pauli und der sich weiter zuspitzenden Personalsituation beim FC Bayern aufgrund der nächsten schweren Verletzung, diesmal von Hiroki Itō (mehr dazu lesen Sie hier), doch eigentlich prädestiniert gewesen für den Routinier.
Doch "Radio" Müller, wie er nicht ohne Grund genannt wird, ging dieses Mal nicht auf Sendung. Von einer Vereinsmitarbeiterin begleitet, wurde er an den wartenden Reportern vorbeigeführt – und verließ die Arena dieses Mal schweigend. Müller hat eben nicht nur auf dem Platz ein außergewöhnliches Gespür für Räume, sondern auch daneben ein besonderes, wann seine Wortmeldungen angebracht sind – und wann eben nicht.
Müller-Hammer bei Bayern beschlossen?
Schon am Sonntagnachmittag wurde das einmal mehr deutlich. Da vermeldete der "Kicker" nämlich, dass das Aus von Müller, der seit 2000 im Verein ist, beschlossen sei und Müller keinen neuen Vertrag mehr in München bekommen werde. Hat der ewige Müller beim FC Bayern also tatsächlich ausgemüllert?
Nicht zuletzt aufgrund der sportlichen Entwicklung und der Nebenrolle, auf die sich Müllers Wirken unter Chefcoach Vincent Kompany mittlerweile beschränkt, hat sich diese Tendenz in den vergangenen Monaten bereits abgezeichnet. Die übereinstimmenden Meldungen der vergangenen Tage verleihen dieser offiziell noch ausstehenden Entscheidung nun aber bereits eine gewisse Endgültigkeit.
Zumindest in dieser Form käme sie nämlich dann doch etwas überraschend. Warum? Zum einen, weil Müller dem Vernehmen nach seine Karriere eigentlich gerne noch fortsetzen würde und weiter Lust am Fußball hat.
Das wäre ein Wortbruch von Eberl
Und zum anderen, weil Sportvorstand Max Eberl die mögliche Vertragsverlängerung mit Müller noch im Januar zur reinen Formsache erklärt hatte. "Thomas braucht ja nicht groß zu verhandeln", sagte Eberl damals auf einer Pressekonferenz und führte aus: "Wenn er sagt, er hat Lust weiterzumachen, dann werden wir uns in die Augen schauen, dann schauen wir uns den Kader an, und dann wird es weitergehen. Das wird wahrscheinlich das kürzeste Gespräch! Wir haben mit ihm schon gesprochen."
Wenn man diese Aussagen liest, kann man verstehen, warum Müller über die plötzliche Kehrtwende der Bayern dem Vernehmen nach sehr verwundert ist – und konkret darüber, dass ihm bislang gar kein neues Vertragsangebot gemacht wurde. Bleibt es dabei, wäre das schließlich ein Wortbruch von Eberl, der damit quasi als Lügner dastehen würde.
"Sind ja nicht auf dem Basar": Hoeneß fängt Eberl ein
Dass der 51-Jährige verbal etwas zu weit vorgeprescht war, ist schon in den vergangenen Wochen deutlich geworden. Ende Februar bei der Kinopremiere der Thomas-Müller-Doku "Einer wie keiner" sagte Ehrenpräsident Hoeneß auf Nachfrage von t-online: "Den Thomas beim FC Bayern zu behalten, den würde ich in fünf Jahren noch gerne hier haben. Aber es kann auf die Dauer nicht die Lösung sein, dass er bei uns auf der Bank sitzt. So ein Karriereende würde ich ihm nicht wünschen." Das sei Müllers großer Karriere "nicht würdig".
Und konkret zu dem von Eberl in Aussicht gestellten Freifahrtschein für Müller in Sachen Vertragsverlängerung und dieser als vermeintlicher Formsache: "Das weiß ich nicht. Ich glaube schon, dass der FC Bayern und Thomas Müller gemeinsam eine Entscheidung treffen müssen, denn wir sind ja nicht auf dem Basar, wo jeder machen kann, was er will."
Schon da wurde deutlich, dass Bayerns Bosse – die offiziellen und die heimlichen – auch im Fall Müller nicht die gleiche Sprache sprechen. (Mehr dazu lesen Sie hier)
Matthäus: "In Uli brodelt etwas"
Das ist auch Rekordnationalspieler Lothar Matthäus nicht entgangen. "Ich glaube, Max Eberl und Uli Hoeneß sprechen nicht alles ab. Es sieht so aus, als würde die Chemie nicht ganz stimmen, als sei es nicht so harmonisch in der Führung, wie man es sich in einem Unternehmen, das der FC Bayern ja ist, wünscht", sagte Matthäus der "Bild": "Ich glaube, dass einiges nicht so im Reinen ist, wie es die sportliche Situation vermuten ließe. Es sind Unstimmigkeiten da, diese sind über die vergangenen Monate auch immer wieder nach außen gedrungen."
Was Matthäus wohl unter anderem meint: Bei der mittlerweile vollzogenen Vertragsverlängerung mit Joshua Kimmich hatte der Aufsichtsrat um Hoeneß das von Eberl mit Kimmich bereits mündlich vereinbarte Angebot zwischenzeitlich zurückgezogen. (Mehr dazu lesen Sie hier: Brisantes Ballgeschiebe) Bereits im Sommer hatte Hoeneß Eberl bei dessen äußerst kostspieligen Transferplänen ein Stoppschild gesetzt und gesagt, der FC Bayern habe schließlich "keinen Geldscheißer".
Matthäus sagt nun: "In Uli brodelt etwas, das merkt man. Auch weil er sich Sorgen um die Finanzen macht. Das Festgeldkonto wird immer weniger, damit ist er nicht zufrieden." Und weiter: "Das wäre ich auch nicht, wenn ich als Vater Geld verdient hätte und meine Kinder verprassen es …"
Müller als Opfer des Sparkurses?
Ausgerechnet Müller, der 2000 zur D-Jugend der Münchner wechselte, könnte nun ein prominentes Opfer des vom Aufsichtsrat verordneten Sparplans werden. Schließlich gehört er mit einem Jahresgehalt von angeblich 17 Millionen Euro weiterhin zu den Topverdienern. Für einen (Ersatz-)"Bankangestellten" zweifellos ein eigentlich viel zu hoher Posten in Bayerns Ausgabenbilanz. Das dürfte auch Müller bewusst sein.
Genauso allerdings, wie unglücklich die Kommunikation in der gesamten Causa bislang verläuft – extern, aber auch intern. "Thomas ist vielleicht sauer, weil ein Gespräch zu wenig stattgefunden hat", vermutete Matthäus. "Mit verdienstvollen Spielern muss man offen und ehrlich umgehen. Das ist in der Vergangenheit nicht immer passiert", sagte er. Auch er habe das in der Vergangenheit "am eigenen Leib erfahren" müssen.
Matthäus warnte seinen Ex-Klub: "Bayern darf es auf keinen Fall verpassen, die Beziehung mit Thomas so zu pflegen, dass er später bereit ist, einen wichtigen Posten im Verein zu übernehmen." Dieses Ziel verfolgen Hoeneß und Co. definitiv. Dass Müller mal Trainer werde, glaube er nicht, sagte Hoeneß zu t-online, fügte aber vielsagend hinzu: "Ich glaube, er kann fast jede Position im Verein irgendwann ausfüllen, weil er dafür alle Voraussetzungen mitbringt."
Der Grundstein für Müllers zweite Karriere beim FC Bayern muss schon jetzt gelegt werden. Nicht nur Eberl und Sportdirektor Christoph Freund führten in der vergangenen Woche ein Gespräch mit Müller, sondern auch Vorstandsboss Jan-Christian Dreesen. Müller wird bei seiner nahenden Zukunftsentscheidung mit Sicherheit ganz genau darauf achten, wie der Verein jetzt mit ihm umgeht. Der FC Bayern ist nämlich längst nicht die einzige Option des auch beim Deutschen Fußball-Bund enorm geschätzten Weltmeisters von 2014 – weder aktuell und erst recht nicht in Zukunft.
- Eigene Recherche
- kicker.de: "Müller erhält beim FC Bayern keinen Vertrag mehr"
- t-online.de: "FC Bayern: Uli Hoeneß und Jogi Löw äußern sich zur Zukunft von Thomas Müller"
- bild.de: "FC Bayern: Lothar Matthäus über Müller-Aus – In Hoeneß brodelt etwas" (kostenpflichtig)
- bild.de: "FC Bayern: Brisante Hintergründe – Bosse stießen Thomas Müller vor den Kopf" (kostenpflichtig)