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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kane-Poker mit dem härtesten Verhandler "Schmerzhafter als eine Hüft-Operation"
Bayern buhlt weiter um Superstar Harry Kane. Doch auf der Gegenseite steht einer der härtesten Verhandler im Weltfußball – mit durchaus besonderen Transfervorlieben.
Es geht nicht groß voran. Laut übereinstimmenden Medienberichten aus Deutschland und England sind die Verhandlungen im Fall Harry Kane festgefahren.
Während der FC Bayern den Kapitän der englischen Nationalmannschaft laut Sky als das "Transferziel Nummer eins" ausgemacht hat und unbedingt verpflichten will, ist Kanes Verein Tottenham Hotspur von den Avancen des deutschen Rekordmeisters wenig begeistert. Ganz im Gegenteil sogar.
Denn offenbar hat der FCB seine Kane-Rechnung ohne Daniel Levy gemacht. Der 61-Jährige ist seit 2001 Präsident der Spurs und gilt auf der Insel als äußerst gewiefter Verhandler.
Der Telegraph pries den 1961 im ostenglischen Essex geborenen Levy einmal als "König der harten Deals" und "Geschäftsmann mit einer derart unnachgiebigen Entschlossenheit, dass er aus Granit gemeißelt sein könnte".
Und dafür gibts es etliche Beispiele. Allen voran natürlich der Transfer von Gareth Bale im Jahr 2013. Obwohl Real Madrid über Wochen alles daran setzte, den Mittelfeldspieler von Tottenham in die spanische Hauptstadt zu locken, zeigte sich Levy unnachgiebig – bis fast zum letzten Tag.
Bales Transfer war sein Meisterstück
Erst kurz vor Schließung der Wechselperiode stimmte der Tottenham-Boss einem Wechsel zu, allerdings zu Bedingungen, die es bis dahin nicht gegeben hatte: 101 Millionen Euro zahlte Real für den Waliser, was Bale zum damals teuersten Transfer der Fußballgeschichte machte.
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Eine besondere Liebe wird Levy für den "Deadline Day", also den letzten Tag, an dem das Transferfenster der europäischen Topligen schließt, nachgesagt. Auf der Insel wird dieser auch als "Levy Time" bezeichnen.
Der Poker um van der Vaart
Das bekam 2013 der HSV zu spüren, als sich dieser um die Rückkehr des damals schon fast 30-jährigen Rafael van der Vaart bemühte. Levy wusste um das große Interesse und blieb bis kurz vor Transferschluss hart – weshalb die Norddeutschen damals 13 Millionen Euro für den Niederländer hinblättern mussten.
Doch damit nicht genug. Sogar der große Sir Alex Ferguson bekam Levys unnachgiebige Verhandlungshaltung zu spüren – und zwar mehrfach.
So etwa 2006, als Ferguson unbedingt Tottenhams Michael Carrick zu Manchester United holen wollte. Auch hier blieb Levy hart und trieb den Preis immer weiter in die Höhe – auf damals immense 27,2 Millionen Euro.
Ferguson beschrieb dieses Verhalten als "typisch" für Levy: "Ich muss sagen, dass die Verhandlungen sehr schwierig waren und lange gedauert haben", blickte die Trainerlegende im "Daily Mirror" zurück.
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In Bezug auf einen Transfer aus dem Jahr 2008 ging Sir Alex rhetorisch sogar noch einen Schritt weiter, als er das Ringen um Dimitar Berbatov als "schmerzhafter als meine Hüftoperation" bezeichnete. Levy schlug für den Stürmer damals rund 34 Millionen Euro Ablöse heraus.
Doch nicht nur bei Transferverhandlungen, auch in anderen Bereichen des Fußballmanagements gilt Levy als äußerst hartnäckig. So sagte der Architekt Christopher Lee der BBC über den Bau des mehr als eine Milliarde Euro treuen Tottenham-Stadions, Levy sei der "forderndste Klient, mit dem ich jemals zusammengearbeitet habe".
Viel Arbeit, wenig Schlaf
Lee weiter: "Er war unfassbar engagiert und hat sich um alles bis ins kleinste Detail gekümmert." Laut dem Architekten arbeite Levy sieben Tage die Woche – schlafe aber lediglich zwei bis drei Stunden pro Nacht.
Dieser Arbeitsethos versetzte den 61-Jährigen überhaupt erst in die Lage, die Verantwortung bei den Spurs zu übernehmen. Levy studierte in Cambridge und baute mit seinem Partner Joe Lewis einen Investmentfonds auf. Über diesen erwarb er in den 1990er-Jahren Anteile der Spurs und übernahm 2001 schließlich die komplette Kontrolle.
Für den Unternehmer erfüllte sich damit ein Kindheitstraum, denn er ist seit jungen Jahren Anhänger des Klubs. Wohl auch deshalb kämpft er für diesen teilweise bis zum Äußersten. Zumindest attestieren ihm das viele Beobachter.
Selbst sieht der 61-Jährige das gar nicht so – jedenfalls nach außen. In einer Rede im April in Cambridge spielte er seinen Ruf als knallharter Verhandler herunter, sagte, dass er lediglich "im besten Interesse meines Vereins" handle.
Sein auf Außenstehende teilweise stur wirkendes Verhalten bei Transfers rechtfertigte er ebenfalls: "Wenn man einen Spieler hat, den man wirklich nicht verkaufen will, dann hat man als Eigentümer jedes Recht, Nein zu sagen."
Modrić: "Er hat mich zurechtgewiesen"
Davon machte Levy unter anderem 2011 Gebrauch, als er Luka Modrić trotz wochenlangem Wechseltheater eine Freigabe für den FC Chelsea verweigerte.
Die Art und Weise hat der kroatische Weltstar bis heute nicht vergessen: "Er hat mich zurechtgewiesen, weil ich öffentlich verkündet habe, dass ich gehen will, und hat wiederholt, dass Tottenham nicht die Absicht hat, um jeden Preis zu verkaufen", schrieb Modrić in seiner Autobiografie und schloss an: "Chelsea kam immer wieder mit besseren Angeboten zurück, nachdem Levy jedes Mal abgelehnt hatte. All das hat mich verärgert."
Ähnlich agierte Levy 2021 beim von Bayern umworbenen Harry Kane. Damals machte Manchester City Tottenhams Stürmerstar massive Avancen. Pep Guardiola sprach später sogar davon, dass City wirklich alles getan habe, um einen Wechsel zu ermöglichen, doch Levy sei einfach nicht bereit gewesen, zu verhandeln.
Wie im Fall Modrić redete er Kane, bei dem in britischen Medien sogar über einen Trainingsboykott spekuliert worden war, ins Gewissen und überredete ihn zum Bleiben. Versüßt wurde das Ganze mit einer deutlichen Gehaltsanhebung.
Diese soll Levy auch jetzt anstreben. Laut dem "Guardian" soll er Kane für die Verlängerung seines 2024 auslaufenden Kontrakts ein Wochengehalt von etwa 234.000 Euro angeboten haben.
Da ist es nicht verwunderlich, dass Levy das erste Angebot der Bayern – Sky berichtete von etwa 70 Millionen Euro – ohne mit der Wimper zu zucken ablehnte.
Levy sauer über Tuchels angebliche Reise nach London
Laut "Sport Bild" soll er sich zudem im privaten Kreis darüber echauffiert haben, dass Bayerns Coach Thomas Tuchel Kane angeblich in London besucht hat, um ihn von einem Wechsel nach München zu überzeugen. Ein solches Vorgehen sei für Levy ein absolutes "No-Go".
All das lässt darauf schließen, dass der Poker um Kane sich weiter hinziehen wird. Zumal sich der Verlust des letzten verbliebenen Weltstars im Tottenham-Kader auch mit einer Rekordablösesumme jenseits der 100-Millionen-Euro-Marke wohl schwer kompensieren ließe – sportlich, aber vor allem emotional.
Denn der wenige Kilometer vom Tottenham-Stadion aufgewachsene Stürmer ist in schweren sportlichen Zeiten als Identifikationsfigur kaum zu ersetzen. Zumal die Spurs nach der schlechtesten Saison seit Jahren mit Premier-League-Platz acht nicht international spielen.
Sollte es dennoch zu einem Wechsel kommen, dürfte dieser den FC Bayern teuer zu stehen kommen – und sicherlich einiges an Nerven und Verhandlungsgeschick kosten. Womöglich bis zum "Deadline Day".
- kicker.de: Achtung, Bayern! Bei diesen Stars verhandelte Levy knallhart (Video)
- sport.sky.de: Bayerns härtester Gegner im Kane-Poker
- spox.com: Tottenham-Präsident Daniel Levy und der Kane-Poker: Bayern beißt auf Granit
- goal.com: Er schläft nur drei Stunden pro Nacht! An Tottenhams knallhartem Boss Daniel Levy entscheidet sich Harry Kanes Transfer zum FC Bayern
- transfermarkt.de: Spielerprofil von Michael Carrick
- transfermarkt.de: Spielerprofil von Rafael van der Vaart
- eurosport.de: POKER UM HARRY KANE: TOTTENHAM-BOSS DANIEL LEVY VERÄGERT ÜBER VORGEHEN DES FC BAYERN MÜNCHEN