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Toni Kroos tritt zurück: "Mit ihm geht einer, der oft polarisierte" | Kommentar


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Karriereende beim DFB
Die Kroos-Häme basiert auf Ahnungslosigkeit

MeinungEine Würdigung von Benjamin Zurmühl

Aktualisiert am 02.07.2021Lesedauer: 3 Min.
Toni Kroos: Der Mittelfeldspieler wird kein weiteres Länderspiel im DFB-Trikot machen.Vergrößern des Bildes
Toni Kroos: Der Mittelfeldspieler wird kein weiteres Länderspiel im DFB-Trikot machen. (Quelle: Uwe Kraft/imago-images-bilder)
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Toni Kroos tritt zurück. Mit ihm geht einer, der oft polarisierte, obwohl er nicht wirklich spektakulär spielte. Dafür bot er etwas, von dem man erst merkt, dass es einem fehlt, wenn man es nicht mehr hat.

Am Ende bleibt es bei der Zahl 106. Kein weiteres Länderspiel kommt mehr dazu. Toni Kroos tritt zurück. Alle Partien machte er unter Joachim Löw, einen anderen Bundestrainer kannte er nicht. Und man kann wahrlich sagen: Er war vielleicht Löws wichtigster Spieler. Deshalb überredete er ihn auch, nicht schon nach der WM 2018 bei der Nationalmannschaft aufzuhören.

Auf Kroos war Verlass

Jeder, der mal Fußball in einem Verein gespielt hat, weiß, wie wichtig es ist, einen Teamkollegen zu haben, den man immer anspielen kann. Einen, der gerne den Ball am Fuß hat und keinen Druck verspürt. Einen, der das Spiel lesen kann und die nächste Lösung im Kopf hat. So einer ist Toni Kroos.

Jahrelang dominierte er das deutsche Mittelfeld, verteilte die Bälle nach links, rechts, vorne und hinten. Er trickste nicht drei Spieler aus und schoss aufs Tor, er grätschte nicht um jeden Ball und verließ den Platz stets mit dreckiger Hose. Er dirigierte mehr und strahlte Ruhe aus, für manche Fans zu viel Ruhe. Kroos war kein Lautsprecher, der wie ein zweiter Kapitän seine Mitspieler auf dem Platz zusammenpfiff. Er war eher still, aber gab dem Team Sicherheit und Stabilität. Auf Kroos war Verlass.

Und so fiel es umso mehr auf, wenn er mal einen schlechten Moment hatte. Bei der WM 2018 gegen Schweden zum Beispiel. Schon während des Spiels war sein Fehlpass, der zur schwedischen Führung führte, das einzige Thema im Internet. Und warum? Weil es so untypisch für Kroos war. Fehlpässe kannte man von seinen Teamkollegen, aber nicht von ihm.

Nun konnten die, die jahrelang vom "Querpass-Toni" sprachen, endlich loslegen und ihrem Ärger freien Lauf lassen. Blöd nur, dass dieser hämische Begriff "Querpass-Toni" eher auf Ahnungslosigkeit als auf Fakten basiert.

Die Wahrheit hinter "Querpass-Toni"

Ja, Kroos spielt Querpässe. Sie sind schließlich auch wichtig für ein Fußballspiel. Wer verschieben will, sollte Querpässe können. Am besten schnell und präzise. Thomas Tuchel erklärte einst zu seiner Zeit als BVB-Trainer nach einem Ausfall von Julian Weigl, dass dieser nicht zu kompensieren sei. "Wenn Julian in der Mitte spielt, ist der Ball von A nach B einfach eine halbe oder eine ganze Sekunde schneller da." Mit einem Spieler wie Kroos verhält sich das genauso, wenn nicht sogar besser. Und im heutigen Fußball ist jede Sekunde viel wert.

Nur war der Begriff "Querpass-Toni" kein Lob für besondere Präzision. Es war anders gemeint: und zwar, dass Kroos keine anderen Pässe spielen würde. Ein Blick in die Zahlen verrät: Das stimmt nicht! Der Datenanbieter "whoscored.com" analysierte für die Saison 2017/18 die Passgenauigkeit aller Spieler der Top-5-Ligen Europas bei langen Bällen. Das Ergebnis: Mit 87,9 Prozent war er auf Platz eins.

Auch der "Kicker" nahm sich in Zusammenarbeit mit "StatsBomb" der Frage nach den Querpässen an. Sie analysierten die Champions-League-Saison 2020/21 und stellten fest, dass der Anteil von Vertikalpässen bei Kroos mit 16 Prozent höher ist als der von Joshua Kimmich (14), Ilkay Gündogan (13) oder Leon Goretzka (15). Auch bei den Pässen und Dribblings ins letzte Spielfelddrittel war er mit 12,7 pro Spiel über den drei Teamkollegen aus der Nationalelf. Im Jahr zuvor war es übrigens 14-mal pro Spiel.

Kroos ist eben kein "Arbeiter"

Dass er beim DFB in den letzten Jahren nicht mehr so auftrumpfen konnte wie früher, ist kein Geheimnis. Doch liegt die Ursache nicht nur bei ihm, sondern auch bei Ex-Bundestrainer Löw. Eine Doppelsechs Kroos-Gündogan, wie bei der diesjährigen EM, war taktisch keine gute Idee. Anstatt sich zu ergänzen, störten sich die beiden Mittelfeldspieler eher bei ihren Aufgaben. Man kann nicht von Kroos erwarten, ein völlig anderer Spielertyp zu sein, der grätscht und Fußball "arbeitet".

Das mag dem ein oder anderen nicht gefallen, der sich wünscht, Kroos wäre einer, der den Platz verlässt wie Schweinsteiger im WM-Finale 2014. Aber das passt nicht zu ihm. Genauso wenig wie "Querpass-Toni".

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