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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Gelungener Test Dieser Jungstar kann der neue Schweinsteiger werden
Eine Testpartie im Corona-Herbst ist sicher nicht jedermanns Sache. Doch der Bundestrainer konnte zwei Neulinge begutachten – und auch sonst Hoffnung für die Zukunft schöpfen.
Fußball kann manchmal so einfach sein. Ein Schuss, ein Pass, ein Tor. Als die deutsche Nationalmannschaft am Mittwochabend beim Testspiel gegen Tschechien (1:0, hier lesen Sie den Spielbericht) den Führungstreffer erzielte, durften die Zuschauer vor den TV-Geräten Ballkunst in ihrer einfachsten Form erleben.
Den Distanzschuss von Florian Neuhaus konnte Tschechiens Bundesliga-Torwart Jiri Pavlenka (Werder Bremen) noch zur Seite abwehren. Dort stand allerdings Debütant Philipp Max, der mit einem straffen Direktpass Torschütze Waldschmidt bediente.
Es blieb das einzige Tor an diesem Abend in der Leipziger Arena. Doch während sich das TV-Publikum nur bedingt für das drittletzte Länderspiel des Jahres interessierte, dürfte der Bundestrainer einige positive Erkenntnisse aus der Partie gezogen haben.
Da wären zum Beispiel der Wolfsburger Rechtsverteidiger und DFB-Neuling Ridle Baku, der trotz anfänglicher Nervosität ein gelungenes Debüt im Nationaldress feierte. Oder auch Abwehrchef Robin Koch, der seinen Nebenmännern Antonio Rüdiger und Jonathan Tah souverän zur Seite stand.
Doch insbesondere die am 1:0 beteiligten Max und Neuhaus konnten Werbung in eigener Sache betreiben. Das sind Löws Hoffnungsschimmer aus dem Tschechien-Spiel.
Max hat beim DFB jetzt schon mehr erreicht als sein Vater
Max ist wohl das, was man in der Nationalmannschaft einen Spätstarter nennt. Der bereits 27-Jährige beackerte in den vergangenen Jahren äußerst erfolgreich die linke Abwehrseite des FC Augsburg und entpuppte sich als hervorragender Flankengeber und Freistoßschütze. Im Sommer 2020 folgte der Wechsel zur PSV Eindhoven in die Niederlande.
Joachim Löw schien dennoch für den Sohn des ehemaligen Bundesliga-Torschützenkönigs Martin Max vorerst keine Verwendung zu haben – sehr zum Unfrieden vieler Fußballfans im Land, die sich seit Jahren fragten, wann der Bundestrainer endlich Max nominiert.
Am vergangenen Freitag war es schließlich so weit. Löw berief Max in den Kader, was sicher auch den Verletzungen der Linksverteidiger Marcel Halstenberg (RB Leipzig) und Robin Gosens (Atalanta Bergamo) geschuldet war.
Doch Max zahlte prompt das in ihn gesetzte Vertrauen zurück. Mit nun 69 Spielminuten und einem Scorerpunkt hat er schon jetzt eine bessere Bilanz in der A-Nationalmannschaft als Vater Martin (zehn Minuten, null Tore). Der gebürtige Viersener (Nordrhein-Westfalen) war nach seiner erfolgreichen Premiere "stolz und sehr glücklich", wie er bei RTL verkündete.
Auch Löw lobte seinen Debütanten, der vor dem siegbringenden Treffer blitzschnell schaltete: "Das war natürlich eine super Aktion von ihm. Er hat schon im Training einen guten Eindruck gemacht."
Dass Max zudem den Vorzug vor dem Dortmunder Nico Schulz erhielt, könnte dieser ebenfalls als positives Zeichen verstehen, auch zukünftig eine Rolle im Nationalteam zu spielen.
Schweinsteiger light
Mehr als nur eine "Rolle" dürfte Gladbachs Florian Neuhaus zufallen. In seinem erst zweiten Länderspiel bewies der 23-Jährige, welch enorme Reife am Ball er bereits besitzt.
Neuhaus war überall, erarbeitete sich Bälle in der Defensive, suchte und fand seine besser postierten Kollegen und zeigte sich zugleich torgefährlich. Der Auftritt der Nummer sieben war derartig reif, dass selbst Vergleiche mit DFB-Ikone Bastian Schweinsteiger, seinerzeit selbst mit der Rückennummer sieben unterwegs, nicht übertrieben scheinen. Einzig ein Tor war dem aus der Jugend von 1860 München stammenden Mittelfeldstrategen am Mittwochabend verwehrt geblieben. Das Lattenkreuz (76.) verhinderte seinen zweiten Treffer im zweiten Länderspiel.
Dennoch: Neuhaus ist derzeit in absoluter Topform, was es dem Bundestrainer auch schwer machen dürfte, am "fußballerischen Ausnahmetalent", wie Gladbach-Trainer Marco Rose ihn einst bezeichnete, vorbeizukommen.
"Eine Nominierung für die EM wäre eine große Sache für mich. Schließlich würde das bedeuten, dass ich unter den 23 besten Fußballern des Landes wäre", konstatierte der eher schüchtern wirkende Neuhaus jüngst im t-online-Interview.
Der Bundestrainer klang da nach dem Erfolg über die Tschechen schon etwas euphorischer: "Flo besitzt eine hohe Spielintelligenz. Er ist ballsicher und findet gute Lösungen. Er spielt sehr abgeklärt. Ich war von seiner Leistung angetan."
Ob Neuhaus, der Anfang des Jahres als Spender auf sich aufmerksam machte, auch in den kommenden Nations-League-Spielen wieder zum Einsatz kommt, ließ Löw offen. Immerhin: Im Gegensatz zu den Partien im Oktober dürfte Neuhaus auch gegen die Ukraine und Spanien im Kader stehen und somit die nächste Chance bekommen, sich ins Schaufenster für die EM im kommenden Jahr zu stellen.
- Eigene Beobachtungen vor Ort
- Interviews nach Deutschland – Tschechien bei RTL
- DFB Pressekonferenz nach Deutschland – Tschechien
- Transfermarktprofile von Philipp Max und Florian Neuhaus
- Sport Bild: "Gladbach-Star will Heimatort retten"