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Nationalspieler Nico Schulz im Interview: "Meinen Kindern ist egal, welches Auto ich fahre"


Interview
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Nico Schulz
"Meinen Kindern ist egal, welches Auto ich fahre"

  • David Digili
InterviewVon David Digili

18.03.2019Lesedauer: 8 Min.
Blick nach vorn: Nico Schulz im DFB-Trikot.Vergrößern des Bildes
Blick nach vorn: Nico Schulz im DFB-Trikot. (Quelle: Jan Hübner/imago-images-bilder)
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Der Nationalspieler der TSG Hoffenheim erinnert sich an eine persönliche Krise, spricht über seine Rolle im DFB-Team – und erklärt, was ihm im Leben wirklich wichtig ist.

Er ist Teil des DFB-Neuaufbaus – dabei hat er mit 25 Jahren schon 157 Einsätze in der 1. und 2. Liga hinter sich: Nico Schulz ist auf der linken Seite schon nach vier Länderspielen eine feste Größe in der Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw. Auch für die anstehenden Länderspiele gegen Serbien (Mittwoch ab 20:45 Uhr im Liveticker bei t-online.de) und zum EM-Quali-Auftakt gegen die Niederlande (Sonntag) steht der Verteidiger der TSG Hoffenheim wieder im Kader.

Im Interview bei t-online.de spricht der Berliner über seine schwerste Zeit, Wege aus der Krise, sein großes Idol – und erklärt, was ihm im Leben wirklich wichtig ist.

t-online.de: Herr Schulz, es wird ja gesagt, Torhüter und Linksaußen hätten eine Macke. Welche Macke hat Linksaußen Nico Schulz?

Nico Schulz (25): Ich kann nur sagen: Was Torhüter angeht, stimmt das auf jeden Fall. Was Spieler auf Links angeht, kann ich das nicht bestätigen (lacht).

Mit der TSG Hoffenheim liegen Sie aktuell auf Platz neun, in Reichweite der Europacup-Plätze. Was ist noch drin? Es sind ja noch acht Spieltage …

Es sind noch genug Punkte zu sammeln. Wir sind aber auch realistisch genug, zu wissen, dass die ersten vier Plätze nur noch ganz schwer zu erreichen sind. Aber natürlich arbeiten wir trotzdem darauf hin, wir wollen nach Europa, das ist unser Ziel.


Die Rückrunde verlief für Sie persönlich bisher stark (ein Tor, zwei Vorlagen) …

Ich bin schon zufrieden. Ich erlebe ja zum ersten Mal die Dreifachbelastung im Verein, zumindest in der ersten Saisonhälfte, plus Nationalmannschaft – das ist eine neue Erfahrung. Aber ich bin mir sicher, dass in mir noch Luft nach oben steckt, wenn man das so sagen kann (grinst). In den letzten neun Spielen will ich noch mal eine Schippe drauflegen.

Hatten Sie sich die größer gewordene Belastung auch so vorgestellt – oder waren Sie vom gesteigerten Spielrhythmus überrascht?

Ich sag’s mal so: Für den Kopf ist es auf jeden Fall anstrengender.

Das müssen Sie erklären.

Es gibt einfach nicht mehr so viele Ruhephasen, in denen man auch mal etwas runterfahren kann. Vier, fünf Monate in diesem Tempo, das ist schon eine Belastung – weniger körperlich für mich, eher mental: Es geht immer nur von Spiel zu Spiel.

Welche Gelegenheiten nutzen Sie, um dann doch mal zu verschnaufen?

Eigentlich habe ich da nichts Spezielles. Ich besuche meine Familie in Berlin, treffe Freunde. Wirklich unspektakulär.


Sie sind bekannt für Ihre Schnelligkeit, Ihre Flanken – was ist denn die eine Qualität, auf die Sie selbst am meisten stolz sind, die aber der Öffentlichkeit noch gar nicht so aufgefallen ist?

Puh, schwer zu sagen. Ich glaube, so oft, wie ich schon gespielt habe, wurde ich bereits komplett analysiert (grinst). Aber wenn, dann würde ich sagen: Meine Beständigkeit mittlerweile. Ich hatte weder in diesem noch im letzten Jahr wirklich schlechte Spiele, konnte immer auf gutem Niveau abliefern und meinen Teil zum außergewöhnlichen Erfolg von Hoffenheim beitragen.

Sie haben zu Karrierebeginn bei Hertha unter Lucien Favre gespielt, jetzt in Hoffenheim bei Julian Nagelsmann – zwei hoch geschätzte Trainer …

Unter Lucien Favre habe ich ja nur einen knappen Monat gespielt, da ist es schwierig, etwas Bestimmtes zu sagen. Aber die Zeit unter Julian hat mich schon geprägt.

Wie genau?

Besonders im Stellungsspiel und im Erkennen von Räumen auf dem Spielfeld hat er mir am meisten geholfen. Er zeigt mir und der ganzen Mannschaft immer wieder Möglichkeiten auf. Er hilft uns dabei, die Räume besser zu nutzen und zu bespielen, damit das ganze Team in bessere Situationen kommt.

Im vergangenen September haben Sie Ihr erstes Länderspiel absolviert. Erinnern Sie sich noch, als Sie zum ersten Mal zur Nationalmannschaft gereist sind?

Ich kannte das ja in etwa bereits aus den U-Mannschaften, aber trotzdem ist es doch noch mal eine andere Hausnummer, beim Abendessen der A-Nationalmannschaft zu sitzen. Nach dem ersten Abend war jedoch alles ganz entspannt, zumal ich viele Jungs bereits kannte, da legt sich die Aufregung dann schnell.

Wie würden Sie selbst Ihre Rolle in der Mannschaft beschreiben, neben erfahrenen Stars wie Kroos und Neuer und ganz jungen wie Gnabry oder Havertz? Sie haben bisher vier Länderspiele absolviert, sind jetzt Teil des Neuaufbaus …

Das ist schwer zu sagen, ich bin ja noch nicht so lange dabei. So oder so ist es einfach ein gutes Gefühl, zur Nationalmannschaft eingeladen zu werden, da kommt es fast nicht darauf an, welche Namen noch im Team sind. Und ein gewisser Druck ist sowieso immer da: Von der deutschen Nationalmannschaft werden Siege erwartet, darauf muss man sich einstellen.

Wie läuft die Kommunikation mit Joachim Löw? Gibt es Feedback im Saisonverlauf?

Mit dem Bundestrainer direkt habe ich seit den letzten Spielen nicht mehr gesprochen, aber dafür waren hin und wieder mal die Co-Trainer in Hoffenheim. Ich sehe es positiv, dass alles gut ist und es keinen Grund gibt, viel zu reden (grinst). Und während der Tage bei der Nationalmannschaft ist dafür ja genug Zeit.

Als Linksverteidiger besetzen Sie eine Position, die seit Jahren heiß diskutiert wird, weil es dort eben wenige potenzielle Nationalspieler gibt. Ist die Nationalmannschaft mit Nico Schulz dort gut aufgestellt für die nächsten Jahre?

Das hoffe ich doch. Ich will dafür sorgen, dass über diese Position nicht mehr viel gesprochen werden muss.

Eines Ihrer großen Vorbilder ist Paolo Maldini, der auch auf der Position gespielt hat …

Ich war zwar noch sehr klein, aber mir hat schon damals imponiert, wie er immer seine Leistung gebracht hat, so konstant und zuverlässig. Und gerade als Persönlichkeit war Paolo Maldini ein ganz besonderer Typ. Er steht noch heute für den AC Mailand, und das heißt schon etwas.

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Sie sind Nationalspieler, kämpfen mit Hoffenheim um den Europacup, haben Champions League gespielt – ist das auch ein wenig Genugtuung nach schwereren Zeiten, die Sie hatten?

Ganz ehrlich, und ich glaube, das ist auch menschlich: Leuten, die nicht mehr an mich geglaubt haben, zeigen zu können, dass man mit harter Arbeit und Glauben an sich selbst alles erreichen kann, das gibt schon ein Stück weit Genugtuung.

Gerade bei Borussia Mönchengladbach hatten Sie es schwer, zogen sich einen Kreuzbandriss zu …

Das war wirklich eine schwere Zeit, eine harte Zeit. Ich bin einfach froh, dass ich das überstanden habe und so zurückkommen konnte.

Sie haben in einem Interview mal gesagt, dass Sie früh zu Hertha-Zeiten mal "geschubst" werden mussten. Sie hatten "viel Freizeit und wenig Sinnvolles zu tun" …

Wenn du mit 17, 18 plötzlich mehr Geld verdienst als deine Eltern, nicht mehr zur Schule gehst und im Grunde nur noch trainierst, dann ist das eine gefährliche Situation. Das tägliche Training nimmt man in dem Alter ja nicht wirklich als "Arbeit" wahr.

… und fühlt sich eher wie in ständiger Freizeit?

Man hat so viel Zeit, dass man dann auch auf dumme Gedanken kommen kann, Blödsinn macht. Man ist viel abends unterwegs – auch, weil man einfach noch nicht richtig realisiert, was es heißt, Profi zu sein.

Wer hat Ihnen denn dann den "Schubs" gegeben?

Oh, es haben viele versucht, mir in der Situation zu helfen und mich wieder auf den richtigen Weg zu bringen: Familie, meine damalige Partnerin, meine Trainer. Aber ...

Ja?

… natürlich will man in dem Alter nicht auf jeden hören (lacht). Gott sei Dank habe ich es aber noch einigermaßen früh kapiert und die Kurve bekommen.

Was war denn der ausschlaggebende Moment, in dem Sie es "kapiert" haben?

Als ich es auch nach ein, zwei Jahren noch nicht geschafft hatte, kontinuierlich für Hertha zu spielen – obwohl ich für meinen damaligen Geschmack schon lange dabei war –, da wurde mir bewusst, dass es so nicht weitergehen kann. Zumal ich natürlich größere Ziele hatte. Da hat es sozusagen "Klick" gemacht, und ich habe mir fortan selbst vorgenommen, dauerhaft fokussierter zu sein.


Ist das ein Problem generell für junge Spieler? Sehen Sie das auch heute noch bei Talenten, die heute so alt sind wie Sie damals?

Das gilt nicht für alle, aber klar: Die Gefahr, dass die Jungs kommen und glauben, sie hätten es schon geschafft, besteht immer. Da bringt es nichts, oberlehrerhaft auf sie einzureden, aber ich versuche dann schon entgegenzuwirken: "Schau mal, Du hast erst zehn Bundesligaspiele gemacht. Wenn Du aber auch mal 100 Spiele und mehr haben willst, dann musst Du anfangen, Dich auf das Wesentliche zu konzentrieren." Ich spreche da ja aus eigener Erfahrung.

Benedikt Höwedes sagte bei uns im Interview: "Ich war jung und habe gesehen, was sonst so los war in der Bundesliga. Alle tragen teure Uhren und fahren schicke Autos, da wollte ich nicht als totaler Außenseiter dastehen …"

Das kann natürlich passieren, dass man das so empfindet. Aber da ich in Berlin weiterhin von meinem normalen Freundeskreis von früher umgeben war, ging es mir nie so, dass ich diesen Druck oder Zwang verspürt habe.

Im Gegensatz zu vielen Mitspielern haben Sie "nur" einen offiziellen Instagram-Account. Ist das auch eine bewusste Entscheidung, nicht alles mit der Öffentlichkeit zu teilen?

Ich poste schon ein wenig was bei Instagram, eben wenn ich Lust darauf habe. Ich bin aber kein Selfie-Typ, der andauernd Fotos hochladen muss. Wenn andere das machen, ist das vollkommen okay, mein Ding ist das aber nicht. Ich definiere mich als Person sowieso nicht über meinen Instagram-Account. Social Media ist das eine, das wahre Leben aber das andere.

Klingt doch alles sehr bodenständig …

Ich denke, das kann man schon so sagen. Klar fahre ich auch ein schönes Auto, habe gute Klamotten – ich denke, es spricht auch nichts dagegen, sich im Leben etwas zu gönnen. Aber ich brauche keine zehn Uhren im Schrank, denn tragen kann ich im Endeffekt eh nur eine. Mir sind andere Dinge im Leben wichtiger.

Ihre Familie …

Genau, ich habe zwei kleine Kinder, denen ist es völlig egal, welches Auto ich fahre, die sind einfach glücklich, mich zu haben. Es ist mir wichtig, dass ich für die Menschen in meinem Umfeld noch immer der bin, den sie von früher kennen. Ich will einfach ich selbst bleiben.

Sie haben mal gesagt, mit Nationalmannschaft und Champions League hätten sich alle Wünsche erfüllt, die Sie als kleines Kind hatten. Und welche Wünsche hat der erwachsene Nico Schulz?

Ich würde gern irgendwann einmal für einen europäischen Topklub spielen. Es gibt nun mal Klubs, die einfach etwas ganz Großes repräsentieren, jedes Jahr Champions League spielen. Sich jedes Jahr mit den Besten der Besten zu messen, das ist noch ein Traum. Inter Mailand war immer mein Traumverein. Aber ich bin da sehr entspannt, zumal ich mit Hoffenheim einen super Verein habe und mich sehr wohl fühle. Auch, wenn es nicht klappt, werde ich ein glücklicher Mensch sein.

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