Ausbootung beim DFB Müller hat recht – Löws Entscheidung wirkt wie eine Bestrafung
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Joachim Löw will einen Umbruch bei der Nationalmannschaft. So weit, so gut. Doch die Umsetzung wird den betroffenen Spielern einfach nicht gerecht.
Die Entscheidung kam am Dienstag wie aus dem Nichts. Bundestrainer Joachim Löw verzichtet ab sofort auf die Dienste von Thomas Müller, Jerome Boateng und Mats Hummels. Drei Spieler, die 2014 Stützpfeiler waren für den WM-Titel. Drei Spieler, die jahrelang den Status "Unverzichtbar" trugen. Drei Spieler, die zusammen 246 Länderspiele auf dem Konto haben. Keiner von ihnen ist älter als 30 Jahre. Von einem längst überfälligen Rücktritt kann also nicht die Rede sein.
Und dann werden sie auf diese Art und Weise aussortiert? In Form eines unangekündigten Besuchs in München? Das ist den Spielern gegenüber nicht fair. Boateng, Hummels und Müller waren nicht irgendwelche Nationalspieler, die zum erweiterten Kreis gehörten und ab und an dabei waren. Es gehört sich nicht, sie so zwischen Tür und Angel abzusägen. Andeutungen dazu gab es jedenfalls keine. Weder öffentlich, noch persönlich. Das ist den Reaktionen der Spieler zu entnehmen. So hat Thomas Müller vollkommen recht, wenn er sagt, dass ihn die Art und Weise sauer macht.
Kein Hintertürchen
Dass bei einem Umbruch unschöne Entscheidungen getroffen werden müssen, ist klar. Aber Löw hätte sie anders treffen müssen. Hätte er direkt nach der WM all diese Spieler aussortiert, wäre es eindeutig gewesen, dass er ein neues Team aufbauen will für den Neustart und dafür einen klaren Schnitt machen will.
Löw entschied sich dagegen, verzichtete neben den zurückgetretenen Özil und Gomez vorerst nur auf Khedira. Wobei die Kommunikation bei diesem alles andere als radikal ausfiel. Löw ließ ihm sogar ein Hintertürchen offen, sagte damals: "Wir werden zu gegebener Zeit weiter sprechen. Er hat signalisiert, dass er alles dafür tun wird, um wieder für die Nationalmannschaft zu spielen. Seine Leistung wird entscheidend sein."
Zur Ausbootung von Boateng, Hummels und Müller sagte Löw hingegen: "Wir wollen den Umbruch, den wir Ende letzten Jahres eingeleitet haben, fortsetzten. Nicht mehr im Kader der Nationalmannschaft werden Jerome Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller sein." In dieser Aussage gibt es kein Hintertürchen. Sie ist unmissverständlich. Damit hebelt er für die einen das Leistungsprinzip aus, für den anderen nicht.
Der "schleichende" Umbruch wäre besser gewesen
Warum also diese Unterschiede in der Kommunikation? Wenn Löw im Sommer für sich die Entscheidung getroffen hat, den drei genannten Spielern in der Nations League noch eine Chance zu geben und abzuwarten, wie sich das Team schlägt, ist das okay. Aber selbst dann hätte er den Umbruch "schleichend" vollziehen können und nicht so radikal wie jetzt.
Jerome Boateng hatte Löw zuletzt ohnehin nicht nominiert. Hätte er ihn für die kommenden Länderspiele ebenfalls nicht eingeplant, wäre der Aufschrei geringer gewesen. Boateng ist nun mal nicht mehr auf dem Niveau wie vor zwei bis vier Jahren. Eine Nicht-Nominierung wäre sportlich also vertretbar gewesen.
Thomas Müller fand sich zudem in der Nationalmannschaft zuletzt häufiger auf der Bank wieder. Genau diesen Status hätte Löw nutzen können. Hätte er Müller vorerst weiter nominiert und ihn auf die Bank gesetzt, hätte Müller selbst gemerkt, dass sein Wert für die Mannschaft gesunken ist. Die Nachricht der Ausbootung wäre weniger überraschend gewesen.
Und Mats Hummels? Der spielte jedes Spiel in der Nations League über 90 Minuten durch. Die Leistungen waren nicht immer die besten, aber Löw setzte in diesen wichtigen Spielen auf ihn. Er gab ihm kein Zeichen, nicht mehr gebraucht zu werden. Warum nominiert er ihn nicht ein paar Länderspiele lang weiter, setzt ihn aber meist auf die Bank und lässt ihn – genau wie Müller – sein Schicksal selbst erkennen?
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Auf diese Art und Weise hätte Löw genug Zeit gehabt, den drei Spielern verstehen geben zu können, warum er nicht mehr mit ihnen plant. Er hätte ihnen einen würdigeren Abschied gegeben. So, wie Löw es nun umgesetzt hat, wirkt es eher wie eine Bestrafung. Und die tut weh.