Das Twitter-Projekt "Ex-Profis" "Früher war mehr Lotto-Toto"
Früher war die Fußballwelt noch in Ordnung: Bundesliga-Spieler eröffneten nach der Karriere Lottoannahmestellen, verkauften Versicherungen oder wurden Sportartikelrepräsentanten. Dass die ehemaligen Kicker inzwischen viel kreativer bei der Berufswahl sind, demonstriert seit der Winterpause der Twitteraccount @exprofis. Projektleiter Thorsten Schaar über Möbel-Designer, Estrichleger und Blumenhändler auf dem zweiten Bildungsweg.
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Sportjournalisten waren eigentlich nie sonderlich originell, wenn sie das zweite Leben von Ex-Fußballern veranschaulichen wollten. Immer wieder beschrieben sie in den achtziger und neunziger Jahren, wie der große Georg Schwarzenbeck hinter der Theke seines Münchner Zeitungskiosks stand. "Katsche" erschien wie eine Mischung aus Gerhard Polt und Meister Eder und musste immerfort Bleistifte anspitzen. Dass der Mann, der Kaiser und Bomber erst möglich machte, einen ganz normalen Beruf ausübte, sorgte für etwas Sozialromantik in der Sommerpause, aber galt auch nicht wirklich als Sensation. Schließlich war man es als Fußball-Fan gewohnt, dass ehemalige Bundesliga-Profis dem staatlichen Glücksspiel ein Zuhause boten oder Lebensversicherungen verkauften.
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Inzwischen ist die Berufswelt komplizierter geworden, und viele Ex-Profis haben reagiert. Letztlich lassen sich die modernen Beschäftigungsverhältnisse in fünf Kategorien einteilen:
1) Die Normalos
Nicht alle Ex-Profis haben bereits auf die fortschreitende Globalisierung reagiert. Wer auf dem Platz die Blutgrätsche auspackte und den Spielaufbau unterband, dem scheint auch ein origineller Matchplan für die Zeit danach zu fehlen. So sitzt der frühere Innenverteidiger Dirk Hupe heute als knochentrockener Versicherungsverkäufer in Solingen, Jörg Heinrich unterhält zwei solide Sportgeschäfte in Stadtrandlage und Alexander Famulla, der einst beim Karlsruher SC vom jungen Oliver Kahn verdrängt wurde, betreibt eine Lotto-Bude in Schwetzingen.
2) Die arbeitende Klasse
Da sage noch einer, Fußballer könnten´s nicht mit ihren Händen. Roland Wohlfahrt, der beim FC Bayern als Mittelstürmer auflief, als es dort noch Platz für echte Neuner gab, ist zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Er malocht inzwischen als verantwortlicher Estrichleger in Essen. Volker Ippig wohnte früher in der Hafenstraße, jobbte als Entwicklungshelfer in Nicaragua und verdingt sich heute als Lascher im Hamburger Hafen, ein echter Knochenjob. Und sollte man in der Gegend von Cottbus mit dem Pkw stranden, könnte es durchaus passieren, dass Toralf Konetzke, der Torjäger mit der Glatze, zur rettenden Inspektion vorbei kommt.
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3) Die Künstler
Udo Horsmann hat in den siebziger Jahren mit dem FC Bayern den Europapokal der Landesmeister gewonnen und anschließend den Holzweg eingeschlagen. Er kann heute auf eine erfolgreiche Existenz als Möbel-Designer verweisen. Norbert Eder, der unscheinbarste Leistungsträger, den der FCB jemals hatte, arbeitet im Blumenladen seiner Frau. Und Michael Ballack, mit etwas mehr Spielgeld ausgestattet als alle anderen, ist unter die Kunstsammler gegangen. Seine bevorzugten Künstler: Neo Rauch, Anselm Reyle, Georg Baselitz, David Schnell, Rosemarie Trockel. Sicher eine wertstabile Geldanlage. Vielleicht muss Ballack am Ende doch nicht Bundestrainer werden.
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4) Die Paradiesvögel
Es sind oftmals jene Spieler, die schon auf dem Platz für den Zauber sorgten, die hinterher ungewöhnliche Berufe ergriffen. Mehmet Scholl hört sich für sein Indie-Label in München regelmäßig durch hunderte von Demo-Tapes. Wer auf die Homepage des Weinguts Château La Connivence klickt, blickt auf die spitze Nase des Mannes, der der spielstärkste Werder-Spieler aller Zeiten war. Johan Micoud zertritt in Pomerol im Bordelais einmal im Jahr selbst die Trauben. Erfolgreich gestaltete sich auch die Zweitexistenz von Arne Larsen Ökland, nachdem er den Werksverein aus Leverkusen verlassen hatte. Er lebt inzwischen auf einer eigenen Insel, unter anderem dank Einkünften aus einer landesweiten Pizza-Kette.
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5) Die Gastronomen
Wenn man sich jahrelang nur von Pasta und Elektrolyt-Getränken ernährt hat, liegt es nahe, ins Gastro-Gewerbe einzusteigen. Asgeir Sigurvinsson, bekannt vom VfB Stuttgart, war zwischenzeitlich Nationaltrainer in seiner isländischen Heimat, hat aber immer seinen Getränkehandel in Denkendorf behalten. Wer sich bei einem Ex-Profi einmieten will, findet bestimmt etwas passend zum eigenen Geldbeutel, wahlweise im Vier-Sterne-Hotel von Karl-Heinz Riedle in Oberstaufen, im "Mainzer Hof" in Heidesheim/Rhein bei Gastgeber Fabrizio Hayer oder etwas bodenständiger bei Uwe Tschiskale in Coesfeld mit Doppelkegelbahn.
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So groß die Unterschiede sind: Den größten Schattenmarkt bietet weiterhin der Fußball selbst. In Zeiten, in denen eine Mannschaft erst mit drei Ökotrophologen wettbewerbsfähig erscheint, kommen auch ehemalige Spieler in den mannigfaltigsten Positionen unter. Die Palette reicht vom Sportdirektor über den Merchandising-Leiter bis zum Fan-Beauftragten. Wer sonst noch irgendwie geradeaus laufen kann, wird einfach Hütchenaufsteller, Torwarttrainer oder Spielerberater. Ja, selbst Maurizio Gaudino hat dem heißen Gebrauchtwagenhandel abgeschworen und dealt inzwischen ganz offen – mit zukünftigen Ex-Profis.
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