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FC Bayern: Knallhart-Kurs für Umbruch – opfern die Münchner ihre DNA?


Knallhart-Kurs beim Umbruch
Opfert der FC Bayern seine DNA?


Aktualisiert am 19.07.2024Lesedauer: 6 Min.
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Joshua Kimmich: Auch er ist beim FC Bayern nicht mehr unantastbar. (Quelle: IMAGO/imago)

Der FC Bayern treibt den Umbruch der Mannschaft mit einem Knallhart-Kurs voran. Das fordert prominente Opfer und wirft grundsätzliche Fragen auf.

Leon Goretzka machte einen Ausfallschritt und sein rechtes Knie berührte dabei den Rasen. Aber der Ball, den er so eigentlich blocken wollte, wurde ihm trotzdem durch die Beine gespielt. Der Ärger darüber war dem 29-Jährigen anzusehen. Der erste gute Eindruck, den er im ersten offiziellen Training am Mittwochnachmittag unter Vincent Kompany unbedingt machen wollte, war damit dahin.

Goretzka wird in den kommenden Tagen mit Sicherheit noch andere und bessere Gelegenheiten dazu bekommen, sich bei dem neuen Chefcoach des FC Bayern zu empfehlen. Das gilt genauso für Serge Gnabry, mit dem Kompany unmittelbar vor der Aufwärmübung noch gescherzt und ein paar Worte gewechselt hatte.

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Nachdem die beiden deutschen Nationalspieler die Heim-EM verpasst und damit auch keinen Turnierurlaub haben, gehören sie nun zu den Frühstartern beim FC Bayern. Ob sie auch nach dem Ende der laufenden Sommertransferphase noch zum Kader des Rekordmeisters gehören werden, ist allerdings fraglich.

Denn beide finden sich auf der potenziellen Verkaufsliste der Münchner wieder – und sind damit nicht die Einzigen. Unter anderem Matthijs de Ligt, Joshua Kimmich, Alphonso Davies und Kingsley Coman sind ebenfalls darauf zu finden. (Mehr zur Verkaufsliste des FC Bayern und alle Namen, die darauf stehen, finden sie hier.)

Bayerns neuer Knallhart-Kurs

Auffällig ist, dass es sich dabei ausnahmslos um Spieler handelt, für die bis zuletzt eigentlich noch Führungsrollen in der Mannschaft vorgesehen waren. Die Bayern um Sportvorstand Max Eberl und Kompany machen jetzt aber Ernst mit dem Kaderumbruch und wollen der Mannschaft nach der ersten titellosen Saison seit zwölf Jahren unbedingt ein neues Gesicht geben.

Es gebe zwar keine Streichliste, sagte Eberl schon Ende Mai bei der Vorstellung des neuen Coaches. "Aber es wird Spieler geben, die es schwerer haben könnten." Denen man genau das dann auch ganz offen kommunizieren werde, so Eberl: "Wir reden hier eben über Leistungssport auf allerhöchstem Niveau."

Bayerns heikler Mia-san-mia-Spagat

Die klare Botschaft, die den betreffenden Profis inzwischen auch übermittelt wurde: Der neue Knallhart-Kurs macht auch vor ehemaligen Führungsspielern oder deren Verdiensten in der Vergangenheit keinen Halt. Niemand soll seinen Platz in der Mannschaft mehr sicher haben, jeder muss sich jetzt neu beweisen. Wie auch die "Sport Bild" berichtet, sollen Kimmich und Goretzka, die einst noch als das zentrale Führungs-Duo der Zukunft galten, ebenfalls zu den Spielern gehören, denen genau das mitgeteilt wurde.

Die Anwendung des Leistungsprinzips ist im Profisport legitim und sogar notwendig. Aber ist ein solch radikaler Umbruch ohne Rücksicht auf Verdienste und Verluste auch noch in Einklang mit den Werten eines Klubs zu bringen, der sich ja so gerne als vom Familiengedanken geleitet geriert? Ist das noch "Bayern-like" und entspricht dem "Mia-San-Mia"-Gedanken? Dieses Leitmotiv des Rekordmeisters steht damit nun zumindest auf der Probe. Ob es eine Zerreißprobe werden wird, bleibt abzuwarten. Ein großer Spagat und ein heikler Balanceakt ist es jetzt schon.

Wegen de Ligt: Matthäus sorgt sich um Bayern-Gen

Das wird am Beispiel von de Ligt bislang am deutlichsten. Der Niederländer, der sich in der vergangenen Saison noch gegen seine schwächelnden Konkurrenten Dayot Upamecano und Min-jae Kim behauptet hatte und Bayerns stabilster Abwehrspieler war, soll den Verein jetzt offenbar verlassen. Er steht unmittelbar vor dem Absprung zu Manchester United – und könnte nach seinem EM-Urlaub möglicherweise nicht mehr nach München zurückkehren.

Dabei identifizierte sich der 24-Jährige immer komplett mit dem FC Bayern, zeigte stets bedingungslosen Einsatz. Im Gegensatz zu allen anderen Abwehrspielern übernahm er auch verbal eine Führungsrolle, äußerte sich selbst nach Niederlagen immer öffentlich, wenn er gefragt wurde.

Rekordnationalspieler Lothar Matthäus fasste all das bei "sport.de" folgendermaßen zusammen: "Für mich ist Matthijs de Ligt einer, der das Bayern-München-Gen hat." Auch Ex-Vorstandsboss Oliver Kahn hält "wahnsinnig viel" von de Ligt. Er warnte seinen früheren Klub vor einem Verkauf des Niederländers, den er immer als Typen gesehen habe, der "in eine Leaderrolle hineinwachsen kann". Leny Yoro könnte dem FC Bayern noch dazwischenfunken und de Ligts Wechsel zu United verhindern. (Den Grund dafür lesen Sie hier.)

Kimmichs Zukunft bei Bayern bleibt offen

Auch Kimmichs Rolle und sein Verbleib beim FC Bayern stehen öffentlich weiterhin infrage. Dabei hat der 29-Jährige gerade eine starke Heim-EM mit der deutschen Nationalelf hinter sich. Als Rechtsverteidiger gehörte er zu den besten Spielern seiner Mannschaft und schaffte es sogar in die t-online-Topelf des Turniers. Kimmich geht mit Bayern in der kommenden Saison in sein zehntes Vertragsjahr, wurde von Ex-Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge einst als "Kapitän der Zukunft" bezeichnet.

Trotzdem bleibt bislang ein öffentliches Bekenntnis von den Bayern-Bossen zu ihm aus. Im Gegenteil unterstellte ausgerechnet Eberl Kimmich im Rahmen des Pokers um eine Verlängerung seines 2025 auslaufenden Vertrags zumindest indirekt fehlendes Commitment (Mehr dazu lesen Sie hier). Statt über eine mögliche Annäherung bei den Verhandlungen wurde zuletzt von der "Sport Bild" über angeblich vom Klub als Bedingung vorgesehene Einsparungen bei Kimmichs Jahresgehalt (geschätzt knapp 20 Millionen Euro) von 20 bis 25 Prozent berichtet.

Fraglich, ob das wohl dazu beitragen würde, das verloren gegangene Vertrauen zum Verein, von dem Kimmich im Rahmen seiner zuletzt veröffentlichten ZDF-Doku sprach, wieder aufzubauen. Nach seinem EM-Urlaub soll es Ende Juli Gespräche mit Eberl und Sportdirektor Christoph Freund geben. Ausgang offen.

Matthäus sieht in dem drohenden Kimmich-Verlust genau wie bei de Ligt einen großen Fehler und warnt davor. Beide hätten schließlich "dieses Bayern-München-Gen, das man in den letzten Jahren bei einigen Spielern, die man verpflichtet hat, nicht gespürt hat". Kann Bayern es riskieren, das zu verlieren?

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Aufsichtsrats-Auftrag bringt Eberl in die Bredouille

Eine Zielsetzung, die der Aufsichtsrat Eberl für das Transferfenster mitgegeben hat, bleibt es jedenfalls, die Gehaltskosten des Kaders deutlich zu reduzieren. Laut "Sport Bild" sollen bis 2025 insgesamt Kürzungen von bis zu 20 Prozent erreicht werden. In die Karten spielen dürfte Eberl dabei, dass die Verträge der beiden Topverdiener Manuel Neuer, 38, und Thomas Müller, 35, nach dieser Saison auslaufen und mindestens einer der beiden dann auch seine Karriere beenden könnte.

Vorher sollen aber noch weitere Topverdiener möglichst von der Gehaltsliste gestrichen oder deren Salär zumindest angepasst werden. So ist es sicher kein Zufall, dass auch Gnabry, Goretzka und Coman zu den Verkaufskandidaten gehören. Und das, obwohl alle vier 2020 prägende Säulen der Mannschaft waren, die mit Hansi Flick die Champions League gewannen. Coman köpfte damals sogar das Siegtor im Finale. Jetzt steht er zum Verkauf.

Der Tenor, der von den Klubbossen zu vernehmen ist, ist nun folgender: Die hohen Gehaltsansprüche einiger Stars und die Realität ihrer Leistungsentwicklung liegen aktuell zu weit auseinander. Beides soll sich zwingend wieder deutlich annähern – und dabei ab sofort auch keine Rücksicht mehr auf große Namen genommen werden. Nach t-online-Informationen kommt dieser neue Knallhart-Kurs der Bayern und der Umgang mit ihnen bei einigen der betroffenen Spieler alles andere als gut an.

Matthäus stellte fest, dass "viel Verunsicherung in den Verein hineingekommen" wäre. Es seien "ja viele Spieler verunsichert worden, die eigentlich eine große Persönlichkeit haben, Leistungsträger in ihren Mannschaften waren und überragende Spiele gemacht haben". Dafür machte der Rekordnationalspieler auch Ex-Chefcoach Thomas Tuchel mitverantwortlich.

Goretzka droht ein bitteres Déjà-vu

Der hatte schon vor der vergangenen Saison eine ähnlich harte Linie angekündigt, die Bayern jetzt verfolgen will. Er könne es für keinen Spieler ausschließen, dass er auch noch nach der Transferphase Teil seines Kaders sei, sagte Tuchel, als er im Trainingslager am Tegernsee auf den Verbleib von Goretzka angesprochen wurde.

Obwohl Tuchel in der gesamten Vorbereitung nicht auf ihn setzte, blieb Goretzka trotzdem. Mit seiner Vielseitigkeit erwies er sich am Ende doch wieder als wichtige Alternative im Kader und stellte sich klaglos in den Dienst der Mannschaft. "Ich liebe den Verein, ich liebe die Stadt, ich liebe die Fans. Es gibt keinen Gedanken, den Verein zu verlassen", sagte er damals. Nach t-online-Informationen hat sich an der Gültigkeit dieser Aussage nichts geändert, auch wenn ihm bei Bayern jetzt ein bitteres Déjà-vu und eine erneute Degradierung droht.

Tuchel ließen die Bosse noch im Stich

Tuchel war schon gewillt, alte Zöpfe abzuschneiden und bestehende Hierarchien aufzubrechen. Allerdings ließen ihn die Klubbosse dann bei der Umsetzung der großen Transferpläne im Stich. Unter anderem der Last-Minute-Deal mit Tuchels Wunschspieler João Palhinha platzte in letzter Sekunde.

Aus diesem Fehler haben die Verantwortlichen offenbar gelernt. Mit einem Jahr Verzögerung wurde der Deal mit Palhinha, der für knapp 51 Millionen Euro vom FC Fulham kommt, nun frühzeitig festgezurrt – und damit die Konkurrenzsituation für Goretzka und Kimmich massiv verschärft. Auch die Verpflichtungen von Michael Olise (für 53 Millionen) und Hiroki Itō (23,5) sind bereits fix. Mit Jonathan Tah und Xavi Simons sollen noch mindestens zwei weitere Neuzugänge folgen – und den etablierten Stars in München Druck machen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Eigene Beobachtungen vom Trainingsauftakt des FC Bayern am 17. Juli
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